Neustart der ÖVP mit Juraczka

Einen Neustart erhofft sich die Wiener ÖVP von der Kür ihres neuen Parteiobmanns Manfred Juraczka. Beim Landesparteitag wurde er mit 92,9 Prozent der Stimmen gewählt. Er will die ÖVP zur bestimmenden bürgerlichen Kraft in Wien machen.

Juraczka erhielt 617 der 668 abgegebenen Delegiertenstimmen. Zum Vergleich: Vorgängerîn Christine Marek erhielt bei ihrer Kür vor zwei Jahren 96 Prozent der Stimmen.

Unter dem Motto „Willkommen zum Neustart“ versammelten sich die Delegierten in der Messe Wien in Wien-Leopoldstadt. In diesem Sinne wurde der 43-jährige Juraczka auch mit Standing Ovations begrüßt. „Dieser Neustart ist notwendig, machen wir uns nichts vor“, konstatierte er in seiner Rede. Derzeit liegt die Wiener ÖVP in Umfragen unter 10 Prozent.

Juraczka will Basis stärker einbinden

Auch auf internen Querelen nach dem schlechten Abschneiden bei der letzten Gemeinderatswahl ging Juraczka ein: „Das Wahlergebnis, interne Diskussionen, bescheidene Meinungsumfragen. Das hat uns allen deutlich gemacht, so darf es nicht weitergehen, und ich bin überzeugt, so wird es nicht weitergehen.“ Er wolle vor allem die Basis mehr einbeziehen, versprach der künftige Obmann - der für diese Ankündigung prompt Applaus erhielt.

Wichtig seien dazu auch die „oft gescholtenen Bünde“. Viele Menschen würden dadurch direkt erreicht. Er, Juraczka, verstehe es durchaus als Kompliment, wenn jemand sage: „Der kommt ja direkt aus der Partei.“ Darauf sei er stolz: „Woher soll ich denn sonst kommen, aus der Wundertüte?“

Juraczka vor den Delegierten

APA/Herbert P. Oczeret

Juraczka ist der fünfte ÖVP-Landesparteichef in zehn Jahren.

Kritik an allen anderen Parteien

„Liebe Freunde, heben wir das große Potenzial der Wiener ÖVP“, forderte Juraczka auf. „Wir haben für die Wienerinnen und Wiener, für deren Sehnsüchte und Sorgen da zu sein.“ Dazu sei es notwendig, tagtäglich mit den Menschen zu sprechen. Wir haben es bisher zu wenig geschafft, zu vermitteln, „wofür wir brennen“, so der frisch gekürte Wiener Parteichef.

Die Kritik an den politischen Mitbewerbern fiel erwartungsgemäß noch schärfer aus als jene an der eigenen Partei. „Die Wiener SPÖ ist träge, verkrustet, unbeweglich, erneuerungsresistent, aber dafür in einem hohen Maß selbstgefällig“, urteilte er über die stärkste Kraft im Wiener Rathaus. Bei dieser vermisse er wichtige bürgerlichen Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Leistung. Notwendig sei in Wien auch wieder die bürgerliche Tugend der Sparsamkeit.

Auch die Grünen sind laut Juraczka inzwischen nicht nur die „wahren Spießbürger“, sondern sich gesellschafts- und wirtschaftspolitisch „ganz weit links außen“ positionieren würden. „Die Umweltpolitik der Grünen beschränkt sich auf das Schikanieren von Autofahrern und ein Picknick am Ring zur Hauptverkehrszeit“, kritisierte er. Die zweite Wiener Oppositionspartei, die FPÖ, beschränke sich hingegen oft auf Angstmache. Einige Vertreter würden sich zudem zu wenig von der Vergangenheit abgrenzen.

Marek: „ÖVP ist nur stark, wenn sie zusammensteht“

Juraczkas Vorgängerin Christine Marek meinte in ihrer Rede: „Die ÖVP ist nur stark -und nächstes Jahr ist vieles zu bewältigen - wenn sie zusammen steht.“ Sie weiß, wovon sie spricht, hat sie doch vor einigen Monaten als Wiener Parteichefin das Handtuch geworfen. Ihr Grund waren die internen Grabenkämpfe. Marek hatte bei ihrem Abgang beklagt, dass die notwendige Geschlossenheit der Partei gefehlt habe.

Bis zur Kür war die Nationalratsabgeordnete Gabriele Tamandl geschäftsführende Wiener ÖVP-Chefin. Sie war nach dem Marek-Absprung in diese Funktion berufen worden, hatte aber weitere Ambitionen auf das Amt stets vehement bestritten.

Spindelegger: „Der Neue versprüht Optimismus“

Auch Bundesparteichef Michael Spindelegger ergriff das Wort. „Ich kenne den Manfred Juraczka als eine Persönlichkeit, die wahnsinnig viel leisten möchte“, lobte er. Dieser, so zeigte sich der ÖVP-Chef überzeugt, werde wieder Optimismus versprühen.

„Neustart heißt immer, es gibt Hoffnung, es gibt neue Ansätze, eine Strategie, eine neue Perspektive für die Zukunft. Die brauchen wir in Wien und die brauchen wir auch in Österreich“, so der Bundesparteiobmann. Dabei verwies er auch auf das Sparpaket - welches eine Perspektive für die gesamte Republik gewährleisten solle. Jeder, der einmal mit der SPÖ verhandelt habe und sie zum Sparen bewegen wollte, der werde ihm recht geben: „Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber wir haben es dennoch geschafft.“

Spindelegger und Juraczka

APA/Herbert P. Oczeret

Auch ÖVP-Chef Spindelegger hofft auf einen Neustart mit Juraczka.

Spindelegger rechtfertigte das Sparpaket anhand von Zahlen: Hätte jeder Österreicher 100 Euro auf den Tisch gelegt, dann hätte man sich für ein Jahr die Pensionserhöhung leisten können. Hätte jeder Österreicher 1.000 Euro auf den Tisch gelegt, dann hätte man für ein Jahr die Zinsen für die Staatsschulden finanzieren können: „An diesen Zahlen seht ihr schon, wie die Situation dramatisch ist und wir notwendigerweise die Notbremse ziehen müssen.“

Bürgerliche in der Stadt ansprechen

Ausbremsen möchte Spindelegger auch die rot-grüne Stadtregierung: „Wir alle miteinander wünschen uns doch, dass diese Stadt eine andere Zukunft hat. Dass wir in dieser Bundeshauptstadt auch einmal beweisen können, dass wir als Volkspartei stark sind“, motivierte er die Delegierten. Viele Menschen in dieser Stadt seien Bürgerliche, die die Partei ansprechen müsse. Er sicherte Juraczka seine Unterstützung zu: „Wenn wir uns anstrengen, so wie wir das beabsichtigt haben, dann schaffen wir es bald, eine bürgerliche Alternative für diese Stadt zu zeichnen.“

Sechs Stellvertreter gewählt

Neben dem neuen Obmann wurde am Landesparteitag auch die Riege der nun insgesamt sechs Stellvertreter gewählt. Wobei es vier Neuzugänge gibt: Gemeinderätin Isabella Leeb erhielt 95,3 Prozent, die Bezirksvorsteherin der Josefstadt, Veronika Mickel, 93,7 Prozent, der Nationalratsabgeordnete Wolfgang Gerstl 92,2 Prozent und Wirtschaftsbund-Direktor Alexander Biach 96,5 Prozent der Stimmen.

Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz und Gemeinderätin Ingrid Korosec erzielten das beste beziehungsweise schlechteste Abstimmungsergebnis: Sie wurden mit 97,9 bzw. 85,5 Prozent bestätigt. Die beiden hatten die Funktion schon bisher inne.

Am Rande des Landesparteitags wurde auch ein personeller Wechsel an der Spitze des ÖABB Wien bekanntgegeben: Die Nationalratsabgeordnete und ehemalige interimistische ÖVP-Wien-Geschäftsführerin Gabriele Tamandl wird neue Landesobfrau. Sie folgt in dieser Funktion auf Matthias Tschirf. Die Ablöse soll am 26. April beim Landestag des schwarzen Arbeitnehmerbundes erfolgen.

Künftige Ziele der ÖVP

Abgestimmt wird am Landesparteitag auch über einen Leitantrag, der im wesentlichen die Ergebnisse der „Agenda Wien plus“ umfasst. Dabei handelt es sich um jenen Prozess, in dem die künftigen inhaltlichen Ziele der schwarzen Stadtpartei erarbeitet wurden. Die Agenda wurde im Frühjahr 2011 initiiert, sie ist somit noch ein „Überbleibsel“ aus der Zeit Christine Mareks - mehr dazu in ÖVP sucht neue Ideen.

Juraczka ringt noch um Bekanntheit

Der neue Mann an der Spitze ist kommunalpolitisch ein eher unbeschriebenes Blatt. Von 2007 bis 2010 war Manfred Juraczka stellvertretender Bezirksvorsteher von Hernals. Er wurde im September 2011 als nicht amtsführender Stadtrat angelobt - als Nachfolger von Wolfgang Gerstl, der ins Parlament wechselte. Juraczka wurde nach einer längeren Phase der Obmannsuche Mitte Dezember vom Parteivorstand für den Chefposten nominiert- mehr dazu in Juraczka wird neuer Wiener ÖVP-Chef.

Juraczka wurde am 16. Jänner 1969 in Wien geboren. Nach der Matura absolvierte er die Studien der Publizistik und Politikwissenschaften an der Universität Wien. Daneben war er als parlamentarischer Mitarbeiter tätig, danach in der PR-Branche. Von 2004 bis September 2011 war er Marketingmanager im Technologiekonzern Alcatel. Er trat bereits als Schüler - im Jahr 1986 - der Jungen ÖVP bei, wo er neben anderen Ämtern auch jenes des Bezirksobmannes in Hernals innehatte. Er übte Funktionen im ÖAAB aus und ist seit 2003 Bezirksparteiobmann der ÖVP-Hernals. Dem Landesparteivorstand der Wiener Volkspartei gehört er ebenfalls schon an.

Ungewöhnlicher Vorschlag zu Hundekot

Vor einigen Jahren trat Manfred Juraczka mit einem ungewöhnlichen Vorschlag an die Öffentlichkeit: Er setzte sich 2005 dafür ein, die Herkunft von Hundekot mittels DNA-Analyse zu klären. Wer glaubt, dieser Vorstoß ist dem neuen Mann an der Parteispitze nun peinlich, irrt: „Mir war damals wichtig, dieses Thema, das die Leute irrsinnig geärgert hat, einmal zum Thema zu machen“, erklärte er zuletzt in einem APA-Interview.

Der neue Wiener ÖVP-Chef ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Auch Wien hat er sehr gern: „Ich liebe diese Stadt“, schwärmte Juraczka bei seiner Angelobung als Stadtrat. Er versprach bei dieser Gelegenheit, dass er in der Sache hart, im persönlichen Umgang aber fair und sachlich sein werde. Wobei diese Worte damals an die politischen Gegner und nicht an die Parteikollegen gerichtet waren.