Betrugsprozess: Zweifel an WGKK-Ermittlungen

Im Prozess gegen den Wiener Arzt, der die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) um 700.000 Euro betrogen haben soll, sind Zweifel an den Abrechnungen und Ermittlungen der WGKK aufgetreten. Ein IT-Experte wurde mit einem Gutachten beauftragt.

Gegen den Arzt wurde zunächst ermittelt, weil er die Drogen-Szene mit Medikamenten versorgt haben dürfte, indem er Rezepte für psychotrope Stoffe an Nichtberechtigte weitergab. Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen kamen dann auch die Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung mit der WGKK zutage.

Der unter Betrugsverdacht geratene Arzt hatte der Krankenkasse seine Abrechnungen immer quartalsmäßig auf Diskette zukommen lassen. Er behauptet, wesentlich weniger Leistungen in Rechnung gestellt zu haben, als ihm die Kasse und die Staatsanwaltschaft nun vorwerfen. Der Mediziner geht davon aus, höchstens einen Schaden von 60.000 Euro angerichtet zu haben - mehr dazu in Betrugsprozess: Arzt teils geständig. .

Angeklagter Arzt wegen Betrugsverdacht vor Gericht

ORF

Patienten entlasten Arzt

Zur Überprüfung der Frage, ob an den Disketten nachträgliche Manipulationen vorgenommen wurden oder ob von der Gebietskrankenkasse zu viele Leistungen als Schaden angegeben wurden, ist die Bestellung eines Sachverständigen unumgänglich, heißt es im Gerichtsbeschluss, der die Verhandlung weiter verzögern wird.

Der Angeklagte hatte in seiner Praxis zahlreiche Drogensüchtige im Rahmen des Substitutionsprogramms behandelt. Er soll bei etlichen zu dieser Gruppe gehörenden Patienten Gespräche, Beratungen, Injektionen und sonstige Behandlungen verrechnet haben, die in Wahrheit gar nicht stattfanden. Einige dazu als Zeugen vernommene Patienten betonten allerdings, der Arzt habe sie tatsächlich wöchentlich für ein Dauerrezept sehen wollen.

„Der hat immer eine Stunde mit mir geredet. Ich bin drogensüchtig. Normalerweise wollte ich gehen“, schilderte etwa ein ehemaliger Patient. Der Arzt habe ihm jedoch „Ohne reden kein Stempel!“ beschieden.

Fragliche Ermittlungsmethoden

Mehrere Zeugen, die am Montag befragt werden sollten, musste Richter Harald Craigher mangels entsprechender Deutschkenntnisse nach Hause schicken. Sie waren teilweise schon mit der formalen Einstiegsfrage, ob sie mit dem Angeklagten verwandt seien - was ihnen ein Entschlagungsrecht geboten hätte -, überfordert.

Erstaunlicherweise enthält der Ermittlungsakt aber teils recht ausführliche Protokolle mit den betreffenden Personen, die von der Gebietskrankenkasse zu den Vorgängen in der Praxis des praktischen Arztes vernommen worden waren. Dolmetsch war dabei stets keiner dabei. Der Verteidiger sprach sich daher gegen die Verwendung dieser Protokolle aus, da diese auf „unzulässigen Vernehmungsmethoden“ beruhen würden. „Ich frage mich, wie diese Niederschriften zustande gekommen sind“, gab Verteidiger Philipp Wolm zu bedenken.

Teilweise sollen die Patienten des Arztes von der Krankenkasse, die mit äußerster Sorgfalt den Betrugsverdacht recherchiert hatte, sogar unter Druck gesetzt worden sein. Im Zeugenstand erklärte dazu ein Mann, die Krankenkasse habe ihm bei dem Interview das Gefühl gegeben, „nicht Positives“ über den praktischen Arzt hören zu wollen: „Jede Frage hat darauf abgezielt, dass der Doktor eine Verfehlung begangen haben sollte.“ Er könne über diesem aber nichts Schlechtes sagen.

Ungereimtheiten bei Beweismaterial

Überhaupt sei er „zwangsweise“ bei der Krankenkasse erschienen. „Mir ist angedroht worden, dass meine Sozialversicherungskarte gesperrt wird, wenn ich nicht aussage. Wenn ich nicht aussage, wenn ich nicht komme zu dem Gespräch wegen dem Doktor, dann werden die Leistungen auf der Karte eingestellt“, gab der Zeuge zu Protokoll.

Die CD mit dem Beweismaterial, das die Gebietskrankenkasse zusammengetragen und der Staatsanwaltschaft als Grundlage ihrer Anklageschrift übermittelt hatte, enthält auch acht Leistungen, die der Arzt bereits im Jahr 1960 in Wahrheit gar nicht erbracht haben soll. Der nicht aus Österreich stammende Angeklagte erklärte dazu, er sei 1960 noch in die Schule gegangen. Er befinde sich erst seit 1966 in Österreich, habe 1979 promoviert und sei seit 1980 als Arzt tätig.

Daraufhin versicherte der Rechtsvertreter der Krankenkasse, die sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren angeschlossen hat, es handle sich dabei um ein „EDV-technisches Blankettdatum“, das nicht Eingang in die Anklage gefunden habe.

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