Thomas Riegler und Patrick Budgen
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Politik

Experte: Wien bleibt „Spionagehauptstadt“

Derzeit sorgt der Fall Egisto Ott für Aufsehen: Der Ex-Verfassungsschützer soll geheime Daten an Russland weitergegeben haben. Wien gilt schon lange als Drehscheibe für internationale Spionage. Laut Geheimdienstexperte Thomas Riegler ist der Ruf als „Spionagehauptstadt“ durchaus berechtigt.

Wien als Dreh- und Angelpunkt internationaler Spionagetätigkeiten. Nicht erst seit dem Film „Der dritte Mann“ hat Wien diesen Ruf – durchaus berechtigt, sagt Thomas Riegler, Geheimdienstexperte vom Austrian Center for Intelligence im Interview „Bei Budgen“. „In Wien ist eigentlich immer schon spioniert worden. Man kann zurückgehen bis in die Tage von Alfred Redl 1913 und natürlich während des Kalten Krieges sehr stark. Also diese Darstellung von Wien als Spionagehauptstadt, die hat schon ihre Berechtigung,“ so Riegler.

Attraktiv mache Wien die Kombination aus der geografischen Lage und der dichten Präsenz von internationalen Organisationen von der UNO bis zur OPEC. „Immer dort wo viele internationale Organisationen ansässig sind, gibt es auch sehr viel Spionage. Einfach, weil diese Tätigkeit interessant ist“, so Riegler, Autor des Buches „Österreichs geheime Dienste“.

Thomas Riegler
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Für Experten Thomas Riegler hat Österreich die internationale Spionage zu lange auf die leichte Schulter genommen

Russische Geheimdienste mit Archiven

Im aktuellen Fall geht es um den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott. Er soll sensible Daten an Russland weitergegeben haben. Gerade die russischen Geheimdienste seien an Daten wie diesen sehr interessiert, so Riegler. „Das Anlegen von Wissensarchiven ist Teil ihrer Tätigkeit. Sie sammeln sehr langfristig Informationen, die sich vielleicht irgendwann einmal bezahlt machen. Während zum Beispiel die westlichen Geheimdienste stark auf kurzfristige Angelegenheiten fokussiert sind – also da zählt mehr zum Beispiel das Satellitenbild oder die kurzfristige Reaktion.“

Der Fall Ott ist auch großes Politikum. Dabei trügen weniger einzelne Parteien Schuld – es sei mehr ein „gesamtösterreichisches Problem“, ist Riegler überzeugt. „Weil über viele Jahre hat man eine sehr enge Beziehung mit Russland gepflegt – vor allem wirtschaftlich. Man hat irgendwie gemeint, man ist da durchaus auf der sicheren Seite. Aber es zeigt sich einfach, dass gute wirtschaftliche Beziehungen mit autokratischen Staaten nicht automatisch mehr Sicherheit bringen.“

Thomas Riegler im Interview

Derzeit sorgt der Fall Egisto Ott für Aufsehen: Der Ex-Verfassungsschützer soll geheime Daten an Russland weitergegeben haben. Wien gilt schon lange als Drehscheibe für internationale Spionage. Laut Geheimdienstexperte Thomas Riegler ist der Ruf als „Spionagehauptstadt“ durchaus berechtigt.

Spionage zu lange nicht ernst genommen

Auch das Thema Spionage an sich habe man lange auf die leichte Schulter genommen – bis man selbst zum Ziel wurde. „Man hat sich da irgendwie außen vor gesehen. Man hat geglaubt, die Spionieren sich de facto ohnehin nur untereinander aus und man ist als Gastgeber auf der sicheren Seite. Aber viele größere Staaten, da fällt nicht nur Russland darunter, akzeptieren diese roten Linien mittlerweile nicht mehr und machen auch direkt etwas gegen Österreich, weil man in Österreich auch an Informationen Dritter sehr leicht herankommt“, so der Experte.

Um Situationen wie diese künftig zu verhindern, sei einerseits eine Anhebung des Strafrahmens für den Verrat sensibler Daten eine Möglichkeit. „Der andere Aspekt muss natürlich sein, dass der Verfassungsschutz die Befugnisse und vor allem auch die personellen Ressourcen bekommt, damit er die Spionageabwehr künftig effektiver gestalten kann. Weil der Status Quo ist, dass de facto kaum Spionageabwehr stattfindet, weil dem Verfassungsschutz vieles untersagt ist. Das ist eigentlich der Punkt, wo man ansetzen könnte.“