Radio Wien

Tagebuch aus der Sperrzone Tag 3

Tag 3: Elisabeth Vogel, Moderatorin

„Es geht uns gut!“ sage ich ins Telefon, maile oder whats appe ich. Familie, Freunde, Kollegen, die nicht in der Sperrzone sind, wollen wissen, wie es ist. Das neue Leben hat begonnen. Wieder ein Neues. Nach Home-Office jetzt Office-Home. Schlafen im Büro, nicht im eigenen. Mein Bett steht im AR4 direkt neben dem Schreibtisch mit drei Monitoren und einem Computer, den man nicht abdrehen darf. Einige Lichter leuchten auch in der Nacht, orange, rote, gelbe und ein blaues. Orange leuchtet auch die Uhr auf dem Turm der Elisabethkirche, die ich sehe, wenn ich aus dem Fenster schaue, jetzt in der Nacht. Ich bin aufgewacht, will eigentlich gleich weiterschlafen – morgen ist wieder ein spannender Tag. Was wird die Regierung Neues verkünden? Wir bekommen die neuesten Infos. Wir Fernseh- und Radiomenschen werden darüber berichten. Wir haben einen Job, einen tollen noch dazu. Viele haben ihren verloren, viele werden ihren noch verlieren. Ich darf morgen Abend wieder ins „Wien heute“-Studio und die Sendung präsentieren. Fast wie immer. Fast. Maskenbildnerin ist keine da, selber schminken ist vorerst angesagt.

Elisabeth Vogel beim Schminken
ORF

Interviewpartner sind nicht mehr neben mir, sondern in einem Extra-Studio, oder via Skype zugeschaltet. Auch der Tonmeister hält Abstand – das Mikro stecke ich mir selbst an. Davor Redaktionsalltag. Fast wie immer. Schön, dass die Kolleginnen und Kollegen wirklich nett sind. Viele andere Menschen sind allein zu Hause.
Die „Wien heute“-Sendungen sind derzeit praktisch monothematisch – Corona, Corona, Corona. Gute, verifizierte und verlässliche Info ist in Krisenzeiten wichtig, unser Publikum will informiert werden. Unsere Arbeit wird geschätzt. Es geht uns gut. „Es gibt neue Bilder von den Tieren in Schönbrunn. Schau Sie Dir an,“ hat unser Regisseur vorgestern zu mir gesagt. Entzückend, die sollten wir in „Wien heute“ zeigen. Zum Ausatmen, nach all den Corona-Infos. Und morgen auch etwas Schönes am Ende der Sendung. Und in den kommenden Tagen auch. Das machen wir. Das Philosophie-Buch liegt hinter mir auf einem Rollwagerl, mein neues Nachtkästchen. „Was sollen wir tun?“ fragt Aristoteles. Ich schlafe jetzt noch zwei Stunden. Der Himmel ist noch dunkel, will aber schon heller werden. Ich bin gesund. Sie hoffentlich auch. Es geht uns gut.

Tag 3: Alex Jokel, Moderator

Mein unglaublicher Weitblick rettet mich auch in dieser Situation! im Wissen, dass ich ohne ihn bis heute ungeküsst wäre, habe ich meinen Haarföhn in den Koffer gepackt. Kann mich deshalb einen großen Teil der Zeit um meine Frisur kümmern. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten anderer KollegInnen, die keinen Föhn mitgebracht haben, denen ich selbstverständlich nicht nachkommen werde! Lasset die Spiele beginnen!

Alex Jokel und sein Föhn
ORF

Tag 3: Olivia Peter, Moderatorin

Liebes Tagebuch!

Hol die Geburtstagskerzen raus, zünde die Raketen an, schüttel den Sprudel durch: A Tischtennis-Tisch is in the house!!! Diese Tatsache hat die Truppe ähnlich belebt, wie der (leider nur theoretische) Einzug eines flauschigen Hundewelpens. Problem: Alle wollenspielen. Wenige könnenspielen. Ich habe mich erbarmt. Mitleid-Bonus. Für Kollege Jokel. Er wirkt leicht angeschlagen. Ich glaube, es ist die Kost. Er ist schon derart geschwächt, dass er beim Fiebermessen die Zahlen verdreht hat. Müssen wir 3xtäglich machen. Statt 34,7 steht 37, 4 in seinem Fieberprotokoll. In der Truppe kurzzeitig helle Panik in einer dunklen Stunde. Aber keine Sorge – der Fehler lag ausschließlich bei ihm. Nicht bei seinem (nicht vorhandenen) Fieber.

Musste ihn ablenken von der Phantomkrankheit. Mit Tischtennis. Er spielt miserabel. Hat seine Niederlage aber getragen wie ein Mann. Sprich: Bandscheibenprobleme vorgetäuscht. Daraufhin Wechsel zu Kollege Polevkovits. Der spielt besser. Vermutlich sogar besser als ich. Das zuzugeben tut mir gerade weh. Aber seine Haare wehen nicht so schön im Wind wie die von Kollege Jokel.

Obwohl er direkt nach dem Tischtennis-Match wieder duschen geht. Der Kollege Polevkovits. Keinen anderen sehe ich so oft im Bademantel durch die Gänge flanieren. Offenbar der reinliche Typ. Aber er verstärkt damit auch ein wenig den Eindruck, man sei in der Betty Ford Entzugsklinik. Oder in einem wirklich schlechten Spa. Ohne Sauna. Ohne Dampfbad. Dafür mit Containerduschen, die in einer ehemaligen Garage stehen und nach Schmieröl duften. Kollege Jokel hat trotz der Umstände jeden Tag die Haare schön. Oder einen wirklich gut funktionierenden Föhn. Und die Moral von der Geschich’t: Tischtennis spielen, kann er trotzdem nicht.

Bis morgen
Deine Olivia