Der Angeklagte
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Chronik

Terrorprozess: Zwölf Jahre Haft

Ein 29-jähriger Kasache ist Donnerstagnachmittag in Wien nicht rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft wegen terroristischer Straftaten verurteilt worden. Der Mann soll bei Kampfhandlungen in Syrien für die tschetschenische Islamistengruppe Emirat Kaukasus gekämpft haben.

Der Angeklagte soll dabei auch mit einer Kalaschnikow auf syrische Soldaten geschossen haben. Das wurde als mehrfach versuchter Mord gewertet. Das Urteil wegen der Verbrechen der terroristischen Straftaten, der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation ist nicht rechtskräftig. Beide Seiten erbaten Bedenkzeit.

Volles Geständnis mildernd gewertet

Erschwerend wurde beim Urteil das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen gewertet. Mildernd waren der bisherige ordentliche Lebenswandel und dass es bei den Tötungsdelikten beim Versuch geblieben ist. Massiv mildernd wurde das volle und reumütige Geständnis gewertet.

Denn die Anklage fußte auf die Angaben, die der Kasache bei der Polizei gemacht hat. Ohne diesen Aussagen „hätte man den Mordversuch nicht nachweisen können“, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Deshalb sei man mit den zwölf Jahren Haft deutlich im unteren Bereich des Strafrahmens wegen Mordes von zehn bis 20 Jahren oder lebenslange Haft geblieben.

„Ich wollte nur helfen“

Bei der Befragung durch den Richter relativierte der Beschuldigte seine Handlungen in Syrien. „Ich wollte nur helfen“, sagte er. Er habe sich in Syrien einer Gruppierung anschließen wollen, um die zivile Bevölkerung zu unterstützen. „Ich habe gewusst, dass es dort russischsprachige Gruppierungen gibt“, meinte er. In Atmeh angekommen seien Männer auf ihn zugekommen und hätten gemeint: „Schließt euch uns an.“ Somit sei er in das Ausbildungscamp von Emirat Kaukasus gekommen. Auch die Al-Nusra-Front, der syrische Al-Kaida-Ableger, sei im Gespräch gewesen.

Der Kasache bezeichnete die Trainings in dem Camp, wo neben Religion auch Kampftechniken gelehrt wurden, als „Leibesübungen“. Der Richter zeigte sich bei diesen Äußerungen verwundert und meinte, das dies eher kein „Sommerlager für junge Männer“ gewesen sein könne. Durchaus gab der Beschuldigte zu, auch Nahkampftechnik und Handhabung an der Waffe – wie etwa am Sturmgewehr AK47 – trainiert zu haben.

Soll an mehreren Kämpfen beteiligt gewesen sein

Achtmal soll er danach aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Die Kalaschnikow habe er erstmals im Herbst 2013 eingesetzt, um die Region rund um die Stadt Haritan sowie das nahe gelegene Aleppo zu verteidigen. 15 Schuss soll er dabei abgegeben haben. „Das waren keine Kampfeinsätze, sondern Einsätze zur Verteidigung des Territoriums“, sagte der 29-Jährige. „Welches Territorium?“, fragte der Richter. „Das Territorium, wo friedliche Menschen gelebt haben.“

Der Angeklagte
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Der Mann soll an mehreren Kämpfen beteiligt gewesen sein

Im Jänner 2015 kam es erneut zum Waffeneinsatz. „Ich habe die ganze Nacht in Richtung des Feindes geschossen“, zitierte der Richter aus den Vernehmungsprotokollen der Polizei. „Ich habe nicht gesagt Richtung Feind, sondern dass ich die ganze Nacht geschossen habe“, relativierte der Angeklagte. Beim Beschuss, der eineinhalb Stunden dauerte, soll er 120 Schuss abgegeben haben. „Haben Sie nie damit gerechnet, dass da eine Person sterben könnte“, wollte der Richter wissen. „Nein, weil ich nicht zielgerichtet auf jemanden geschossen habe. Einfach so herumschießen ist wie in die Luft schießen“, argumentierte er.

„Wenn man mit einer tödlichen Waffe in eine Richtung schießt, nimmt man in Kauf, dass jemand stirbt“, meinte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. Dagegen hielt der Anwalt des Angeklagten mit dem Argument, dass die AK47 lediglich eine Reichweite von 400 Meter habe. „Wenn die anderen Leute allerdings einen Kilometer und mehr entfernt sind, ist das kein versuchter Mord.“

Lebte unter falschem Namen in Österreich

Der Prozess findet deshalb in Österreich statt, weil der Mann seit Dezember 2015 in Wien unter falscher Identität gelebt hat. Er gab bei den österreichischen Behörden an, Russe zu sein und aufgrund seiner religiösen Minderheitsangehörigkeit in Russland verfolgt zu werden. Damit stellte er Antrag auf internationalen Schutz. Er lebte jahrelang in der Donaustadt, ging keiner Beschäftigung nach und kassierte monatlich Sozialhilfe.

Im März 2017 allerdings informierten die kasachischen Sicherheitsbehörden das österreichische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) über den Aufenthalt des ehemaligen Kämpfers in Wien. Mittels Fingerabdrücken und Lichtbildern wurde der Mann, der sich mit falscher Geburtsurkunde und falschem russischen Führerschein auswies, als der gesuchte Kasache identifiziert.

Die Behörden in Kasachstan beantragten die Auslieferung. Das Wiener Straflandesgericht erklärte das jedoch für unzulässig, da in seiner Heimat ein Strafverfahren nicht den Grundsätzen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechen würde. Somit fand der Prozess am Wiener Straflandesgericht statt.