Gerichtssaal des Landesgerichts Wien
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Chronik

Schriftführer-Mangel am Landesgericht

Die Richterschaft und die Schreibkräfte am Wiener Landesgericht für Strafsachen schlagen Alarm. Mit den vorhandenen Ressourcen könne „die gesetzlich normierte Verantwortung zur zügigen und reibungslosen Durchführung von Strafverfahren nicht mehr getragen werden“, heißt es in einem Brief an Regierungsmitglieder.

Das mit 18. Juni datierte Schreiben ist an Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Justizminister Clemens Jabloner und sämtliche im Parlament vertretene Parteien gerichtet. Darin führen die Vorsitzende des Betriebsausschusses, Nicole Baczak, und die Vorsitzende des Dienststellenausschusses, Martina Pichler, aus, es sei „auf den ersten Blick“ ersichtlich, „dass ausreichende Personalressourcen für die unabhängige Rechtsprechung […] nicht mehr zur Verfügung stehen“.

Aktuelle Situation: Zwölf Schriftführer für 80 Richter

Sie sprechen sich daher mit Nachdruck gegen Planstellenkürzungen aus und fordern, die Gerichte und Staatsanwaltschaften müssten grundsätzlich mit ausreichendem Personal ausgestattet werden. Vor allem mangelt es am Landesgericht an Schriftführern. Derzeit stehen dafür laut Personalplan 17 Fachkräfte zur Verfügung. Drei sind allerdings dauerhaft ausschließlich für das Buwog-Verfahren abgestellt, abzüglich eines Dauerkrankenstandes und Teilauslastungen stehen den rund 80 Richtern damit nicht einmal zwölf Schriftführer zur Verfügung.

Gerichtsakte
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Einige Prozesse werden mittlerweile ganz ohne Schriftführer geführt, in anderne Fällen werden Rechtspraktikanten eingesetzt.

IT-Ausstattung in Gerichtssälen großteils nicht vorhanden

Diese haben bis zu 250 Verhandlungen wöchentlich zu bewältigen. Eine ganztägige Verhandlung manifestiert sich in bis zu 180 Protokollseiten. Der zeitliche Druck und der intensive Arbeitsaufwand schlage sich bei den Mitarbeitern mitunter auch in gesundheitlichen Problemen nieder, heißt es von den Richtern.

Immer öfter würden Rechtspraktikanten einspringen und die Verschriftlichung der Hauptverhandlungen übernehmen. Einige Prozesse werden gänzlich ohne Schriftführer mittels Bild- und Tonaufzeichnungen dokumentiert, was allerdings zulasten der Qualität geht. Die erforderliche IT-Ausstattung ist in einem Großteil der Verhandlungssäle schlicht nicht vorhanden, überdies fehlt es an Personen, die die Aufzeichnungen in angemessener Zeit schriftlich übertragen.

Parlamentarische Anfrage von Neos angekündigt

„Der Hilferuf des Straflandesgerichts Wien ist kein Einzelfall. Auch die Landesverwaltungsgerichte klagen über zu wenig Personal“, reagierte NEOS-Justizsprecherin Irmgard Griss am Dienstag auf das Schreiben aus dem Grauen Haus.

Der nächste Finanzminister müsse ausreichend Mittel zur Verfügung stellen, „damit die Justiz in angemessener Zeit und Qualität arbeiten kann. Wer Rechtsstaat sagt, muss ihn auch finanzieren“. Griss kündigte gegenüber der APA eine parlamentarische Anfrage an, um einen österreichweiten Überblick über die Personalsituation an den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden zu erhalten.