Blühender Grasbaum im Botanischen Garten Wien
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150-jähriger Grasbaum dürfte überleben

Als der Grasbaum im Botanischen Garten der Universität Wien im Frühjahr plötzlich Blüten getrieben hat, hat das als Sensation gegolten. Damals äußerte Direktor Michael Kiehn nur eine „leise Hoffnung“, dass der Baum die Blüte überleben würde. Drei Monate und viele Besucher später dürfte sich seine Hoffnung aber erfüllen.

„Was der Pandabär für den Zoo ist, war der Grasbaum wohl für uns“. Frank Schumacher, technischer Leiter des Botanischen Gartens, kann sich an keinen ähnlichen Fall in den letzten Jahrzehnten erinnern, bei dem eine einzelne Pflanze in der Sammlung so viel Besucherandrang auslöste wie in diesem Frühling: Da begann der 150-jährige Grasbaum plötzlich, einen zwei Meter hohen, dunkelroten Schaft an der Spitze zu entwickeln, auf dem dann zwei Wochen lang tausende weiße Blüten blühen sollten.

Blühender Grasbaum im Botanischen Garten Wien
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Im April ließen sich für zwei Wochen hunderte weiße Blüten am Grasbaum bewundern.

„Weiße Säule“

Diese „weiße Säule“, wie auch Schumacher sie nennt, lockte viele neugierige Besucher und Besucherinnen in den Botanischen Garten. Unter Pflanzeninteressierten galt der Blütenstand als Sensation: Zwar blühen Grasbäume auch in anderen botanischen Gärten im winterkalten Europa, allerdings wohl ausschließlich in Gewächshäusern und nicht – wie Schumacher betont – freistehend im Topf. Der Grund, warum der Grasbaum in Wien mit bis zu 150 Jahren am Buckel plötzlich Blüten trieb, erklärt man sich im Botanischen Garten unter anderem mit den heißer werdenden Sommern, die dem australischen Klima näher kämen als bisher.

Inzwischen konnten Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universität Wien durch die Blüten die genaue Grasbaumart benennen: So handelt es sich um ein Exemplar, das vorwiegend in Ostaustralien auf Sandböden wächst. Dort blüht der Baum meist schon nach 15 bis 30 Jahren, vor allem nach Buschbränden. Davor hatte es im Botanischen Garten keine Dokumentation zu der Pflanze und ihrer Herkunft gegeben: In den Wirren des Zweiten Weltkriegs waren wohl Aufzeichnungen verloren gegangen.

Überlebenschancen intakt

Ob der Grasbaum im Botanischen Garten auch in 150 Jahren noch leben wird? Schumacher zögert nur kurz: „Ja, für die nächsten Jahrzehnte stehen die Chancen gut. Er wird wohl noch weiterwachsen.“ Sicher wissen das die Botaniker und Botanikerinnen aber erst im nächsten Frühjahr. So stecke die Pflanze noch immer sehr viel Kraft in die Schaffung und Reifung der Früchte. Anders als in freier Natur wird der Baum dabei durch sein „Leben in Gefangenschaft“ zusätzlich unter Stress gesetzt und könnte deshalb frühzeitig eingehen.

Inzwischen haben sich Fruchtkapseln gebildet, die äußerlich Knospen ähneln.
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Aus den Blüten haben sich „Fruchtkapseln“ gebildet, in denen Samen reifen. Von außen sehen sie so ähnlich wie Knospen aus.

In der Zwischenzeit haben sich aus rund einem Fünftel der Blüten Früchte in Form von Kapseln gebildet, in denen drei bis fünf Samen reifen. Sobald sie reif genug sind, sollen einige Kapseln geerntet und konserviert werden, um der Forschung auch in Zukunft sichere Rückschlüsse auf die Herkunft der Pflanzenart zu liefern. Auch dem Blütenstand soll es voraussichtlich an den Kragen gehen: Er wird abgeschnitten und für Forschungs- und Demonstrationszwecke eingelagert.