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Andreas Lindinger
Andreas Lindinger
Kultur

Doku über Wiens letzten Schildermaler

Die Dokumentation „When Better Letters met… Josef Samuel – Viennas Last Sign Painter“ gewährt interessante Einblicke in die längst in Vergessenheit geratene Kunst der Schildermalerei. Zu sehen ist sie ab heute Abend.

Alleine in Wien gab es um 1900 noch rund 250 Firmen, die ausschließlich fürs Malen von Schildern zuständig waren. Die Palette reichte von Werbeschildern bis zu Ladenbezeichnungen, egal ob hölzern oder auf Glas. Zwar zieren einige der damals entworfenen Tafeln noch heute zahlreiche Geschäfte, Banken oder Cafés in Wiens Straßen – Maler gibt es laut dem Filmemacher Tom Koch jedoch kaum mehr. Genauer gesagt, nur noch einen einzigen: Josef Samuel.

In vierter Generation produzierte Samuel in aufwendiger Handarbeit Schilder, 61 Jahre lang, mehr als „Berufung“ denn als „Beruf“, wie er selbst sagt. Vor allem am Naschmarkt hatte er seine persönliche Goldgrube gefunden, sechs bis acht Schilder brachte er hier pro Marktstandler an den Mann.

Dokumenation, Josef Samuel, Schildermaler, „When Better Letters met… Josef Samuel, Viennas Last Signpainter“, Tom Koch
Screenshot/Tom Koch
Koch’s Doku ist eine Zeitreise durch die Familiengeschichte der Samuels

„Die Schrift soll leben!“

Die englischsprachige Dokumentation von Regisseur Koch und Produzent Sam Roberts zeigt einen Josef Samuel, der vor allem von Früher erzählt. Von einer Zeit, als das Schildermalen noch ein gefragter Beruf war. Doch spätestens seit den 1980er Jahren kam Konkurrenz dazu. „Ein Kollege nach dem anderen hat sich damals einen Computer gekauft“, erinnert sich Samuel heute im Gespräch mit wien.ORF.at. Er nicht. „Auf dem Computer drückt man nur auf Tasten rum. Das ist steril, da ist kein Leben drin. Aber die Schrift soll leben!“. Wenn’s um sein Handwerk geht, würde der 77-Jährige am liebsten die Zeit zurückdrehen.

Als letzter Schildermaler Wiens hängte schließlich auch Samuel im Jahr 2003 seinen Beruf an den Nagel und ging in Pension. Heute lässt der 77-Jährige seine Leidenschaft in seinem Museum in der Mühlgasse in der Nähe des Naschmarkts fortleben. Seine Ausstellung zeigt Exponate aus vier Generationen Schildermalerei, geöffnet ist auf Anfrage. Zwar malt er immer auch noch selbst, Aufträge nimmt er nur noch selten entgegen, vielleicht einen pro Jahr, manchmal drei, „wie’s mich freut“.

Josef Samuel, Schildermaler, Museum, Schleifmühlgasse
Andreas Lindinger
Samuel ist bereits seit dem Jahr 2003 in Pension. Heute malt er nur mehr selten.

Gut 3.000 Euro und ein Drehtag

Auf Samuel war Regisseur Koch schon 2016 aufmerksam geworden. Damals recherchierte er für ein Buchprojekt mit Namen „Ghostletters Vienna“, das sich mit den Spuren einstiger Schriftzüge im öffentlichen Raum beschäftigt. Auch wenn viele Wienerinnen und Wiener das nicht wissen, erklärt der 51-jährige Koch, „wir waren einst Zentrum der Schildermalerei“. Mit rund 250 Firmen alleine in Wien hatte quasi „jedes Grätzl einen eigenen Schildermaler“. Zeugnisse von einst gibt auch heute noch zu genüge, vor allem im ersten Bezirk, sie zieren Apotheken oder Banken. „Wir sind uns oft gar nicht bewusst, wie viele es in Wien noch gibt“, so der Regisseur.

Gut 3.000 Euro und einen Drehtag benötigten Koch und sein Team, um diese Erinnerung wieder aufleben zu lassen. Das Resultat, ein 15-minütiger Dokumentarfilm, war bereits bei mehreren Filmfestivals zu sehen, etwa beim Letterheads Festival in London oder am Ikejiri Institute of Design in Tokyo. Ab 9. September um 21.00 Uhr ist die Doku für Interessierte auch online zu sehen. Eine Vorstellung auf der Leinwand wird es außerdem am Sonntag, 15. September, beim 3. Suburbinale Filmfestival in Groß-Enzersdorf geben.