Fotograf in der Ausstellung „Maria Lassnig – Ways of being“ in der Albertina
APA/Roland Schlager
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Kultur

Albertina würdigt Maria Lassnig

Zum 100. Geburtstag von Maria Lassnig zeigt die Albertina ab Freitag eine umfassende Malerei-Ausstellung. Für Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder ist die 2014 verstorbene Maria Lassnig „mit Sicherheit die größte Künstlerin Österreichs“.

Die bisher größte Schau zu der 2014 verstorbenen Künstlerin zeigte im Frühjahr das Stedelijk Museum. Mit 250 Exponaten überwältigte „Ways of Being“ beim Amsterdamer Kooperationspartner. Neben einer Fülle von Bildern und Papierarbeiten sah man dort bisher unbekannte Filme, Bronzen, Notizbücher, Animationszeichnungen, Skizzen, Unterlagen über einen Sidestep als Modeschöpferin in den 1980er-Jahren, Fotocollagen, kleine Skulpturen und Keramikobjekte.

In der Albertina, wo man erst 2017 in einer großen Ausstellung rund 80 Zeichnungen und Aquarelle Lassnigs gezeigt hat und ihr filmisches Werk an das benachbarte Filmmuseum ausgliedert (am 17. und 24. November sowie am 1. Dezember laufen dort Lassnigs Filme), konzentriert man sich auf die Gemälde. 78 sind es, 21 davon stammen aus dem Bestand der Albertina (die 64 Lassnig-Gemälde und über 200 Arbeiten aus Papier besitzt), 28 kommen aus der Lassnig Stiftung, der Rest von 22 Leihgebern.

Chronologische Anordnung der Gemälde

„Wir haben uns entschieden, eine ganz chronologische Hängung zu machen. Nur diese macht klar, wie konsequent Maria Lassnig eine Formalistin war“, sagte Schröder bei der Presseführung am Donnerstag. Jede Phase habe ihre eigene Farbgebung, Form und Ästhetik. Die von den „Strichbildern“ des Informel geprägte frühe Pariser Zeit unterscheidet sich deutlich von der New Yorker Phase mit ihren Türkis-Tönen.

Man sieht die „Parallelwelten als zeichnende Malerin und malende Zeichnerin“ jeweils unterschiedliche Gewichtungen einnehmen, man verfolgt die Entwicklung ihrer bahnbrechenden, doch erst spät in ihrer Bedeutung anerkannten „Körperbewusstseins“-Darstellungen, in denen Gefühle, Stimmungen und Selbstwahrnehmungen einen unmittelbaren Ausdruck fanden, in geometrische Formen, Gegenstände, Überbetonung oder Verdopplung von bestimmten Körperteilen bis hin zum „Selbstporträt als Ungeheuer“.

Lassnig schwamm gegen den Strom

„Es war für sie immer ganz wichtig, sich neuen Herausforderungen zu stellen“, sagte Kuratorin Antonia Hoerschelmann. „Dabei ist sie immer gegen den Strom geschwommen.“ Eine der eindrucksvollsten Wände findet sich in einem der letzten Säle: Hoerschelmann hat die „Froschkönigin“ (2000), die „Illusion von den versäumten Heiraten I“ (1997) und die „Illusion von der versäumten Mutterschaft“ (1998) als Triptychon gehängt.

In diesen drei Selbstporträts zeigen sich die wesentlichen Themen Lassnigs: Sexualität, die der Frau von der Gesellschaft zugewiesene Rolle, der Kampf um Selbstbestimmung, die eigene Wahrnehmung. „Mit sich selbst zu beschäftigen ist die größte, spannendste Herausforderung. Man ist jeden Tag anders“, so die Kuratorin.

Ausstellungs-Parcours endet mit Bild aus 2011

Auch im ersten Raum sind mit „Woman Power“ (1979) und „Atlas“ (1985) gleich zum Auftakt zwei Positionen vereint, die Maria Lassnig zwar mit großem Ernst verfolgte, aber auch ironisch reflektierte: Die Frau, der die Last der Welt geschultert wird, die Künstlerin, die selbstbewusst zur King-Kong-gleichen Eroberung der Metropolen aufbricht.

Der Parcours beginnt mit einem Selbstporträt aus 1945, das gemalt wurde, nachdem ihr Zug von Wien nach Klagenfurt wegen eines Bombenangriffs gestoppt wurde und Lassnig die letzten 40 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hatte. Und er endet mit einem bedrückenden „Krankenhaus“-Bild aus 2005 und dem eindrucksvollen Gemälde „Vom Tode gezeichnet“ (2011), einem der letzten von Lassnig vollendeten Bilder. „Ihre Kraft existiert ungebrochen auch in ihren letzten Bildern“, sagte Hoerschelmann. Aber das nahende Ende ist überdeutlich spürbar.

„Mutter und Tochter“ selten gezeigt

Hoerschelmann hat die Wiener Ausstellung aber auch um einige Bilder ergänzt, die in Amsterdam nicht zu sehen waren. Ein eindrucksvoller „Zweifel“, zwei „Herzselbstporträts im grünen Zimmer“ (1968) aus der Sammlung Klewan, vor allem aber das 1966/67 gemalte großformatige Gemälde „Mutter und Tochter“ aus der Sammlung Hans Schmid.

Eine Farbexplosion, gemalt nach dem Tod der geliebten Mutter, eine Grablegungsszene, in der das Grabtuch auch zum auf der Wiese ausgebreiteten Tischtuch wird, auf dem die tote Mutter, aus der bereits Grasbüschel wachsen, ihre Tochter im Arm hält, während rund um die beiden Figuren Symbole und Gestalten gruppiert sind, in denen jede Menge Allegorien und Körperbewusstseins-Formen zu entdecken sind.

Ein umwerfendes Bild, das durch die Kunstgeschichte ebenso führt wie durch Lassnigs eigenen Kosmos. Ein Bild, das zumindest in den vergangenen Jahrzehnten nie öffentlich gezeigt wurde und nun bis 1. Dezember in der Albertina zu sehen ist – als eines von 78 Argumenten für die Ausstellung.

Retrospektive Maria Lassnig

Malen mit geschlossenen Augen, das Festhalten innerer Empfindungen auf der Leinwand – mit Farben, die Gefühle vermitteln wie Geruchsfarben, Schmerzfarben, Gedankenfarben.

Ausstellungen zu Dürer und Rainer

Klaus Albrecht Schröder sprach am Donnerstag von einer „besonderen Glücksstunde“ für das Haus. In zwei Wochen eröffne man nach der Schau über Maria Lassnig die große Ausstellung zu Albrecht Dürer, eine Woche später Arnulf Rainer: „Das unter einem Dach zu zeigen, ist ein außergewöhnliches Erlebnis, das man genießen darf.“