Weronika Gesicka, Untitled #41, from the “Traces“ series, 2015-2017
JEDNOSTKA Gallery.
JEDNOSTKA Gallery.
Kultur

Dom Museum widmet sich der Familie

Man kann sie sich nicht aussuchen und wird doch enorm von ihr geprägt: Das Wiener Dom Museum widmet der Familie seine neue Themenausstellung. „Family Matters“ ist ab Freitag zu sehen und zeigt anhand von Gemälden, Plastiken und Fotografien unterschiedliche Familienkonzepte quer durch die Jahrhunderte.

Empfangen wird man in der Ausstellung, die aus dem eigenen Bestand und zahlreichen Leihgaben schöpft, von einer großflächigen Videoinstallation des belgischen Künstlers Hans Op de Beeck. Eine lebensgroße Familie bewegt sich vor weißem Hintergrund wie auf einem unsichtbaren Laufband dem Betrachter entgegen. Trotz unaufhaltsamer Bewegung kommt man nicht vom Fleck.

Thematische Spiegelungen

In der „Ouvertüre“, wie Direktorin und Kuratorin Johanna Schwanberg diesen kleinen einleitenden Raum bei einer Vorab-Führung am Mittwoch nannte, wird zugleich ein wesentliches Gestaltungselement der Zusammenstellung erkennbar: die Gegenüberstellung. Rechter Hand der „Determination“-Projektion hängt Carl Spitzwegs „Der Sonntagsspaziergang“ aus 1841, fast schon Karikatur eines bürgerlichen Rituals im Biedermeier.

Fotostrecke mit 17 Bildern

Christian Eisenberger, Weihnachten 1944, 2008
Spreegold Collection Berlin, Bildrecht Wien, 2019
Christian Eisenberger, Weihnachten 1944, 2008
Uli Aigner, Z.K., 2013
Uli Aigner
Uli Aigner, Z.K., 2013
Weronika Gesicka, Untitled #41, from the “Traces“ series, 2015-2017
JEDNOSTKA Gallery.
Weronika Gesicka, Untitled #41, from the “Traces“ series, 2015-2017
Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren, Maria Lactans, nach 1537
Dom Museum Wien, Leihgabe der Pfarre Weinhaus, Wien
Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren, Maria Lactans, nach 1537
Elinor Carucci, Kissing My Son, 2007
Elinor Carucci
Elinor Carucci, Kissing My Son, 2007
Iris Legendre, o.T. aus der Serie „Photographies“, 2010–2019
Dom Museum Wien, Otto Mauer Contemporary
Iris Legendre, o.T. aus der Serie „Photographies“, 2010–2019
Katharina Mayer, Familie Greenfield, Miami, 2013
Galerie Bernd A. Lausberg Düsseldorf
Katharina Mayer, Familie Greenfield, Miami, 2013
Katharina Mayer, Alex & his friends, 2008
Galerie Bernd A. Lausberg Düsseldorf
Katharina Mayer, Alex & his friends, 2008
Maria Lassnig, Obsorge, ab 2008
Maria Lassnig Stiftung
Maria Lassnig, Obsorge, ab 2008
Thernberger Madonna, um 1320
Dom Museum Wien, Leihgabe der Pfarre Thernberg, NÖ
Thernberger Madonna, um 1320
Neo Rauch, Vater, 2007
Sammlung Ruth. Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin und David Zwirner New York/London/Hong Kong.
Neo Rauch, Vater, 2007
Judith Samen, o.T. (Brotschneiden), 1997
Judith Samen, Bildrecht Wien, 2019.
Judith Samen, o.T. (Brotschneiden), 1997
Angelika Kauffmann, Modello für das Gruppenbild der königlichen Familie von Neapel, 1782/83 Liechtenstein
The Princely Collections, Vaduz-Vienna
Angelika Kauffmann, Modello für das Gruppenbild der königlichen Familie von Neapel, 1782/83
Domenico Robusti, gen. Tintoretto, Porträt eines Edelmannes mit seinem Sohn
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz-Vienna
Domenico Robusti, gen. Tintoretto, Porträt eines Edelmannes mit seinem Sohn
Sam Jinks, Woman and Child, 2010
Courtesy of the artist and Sullivan + Strumpf, Sydney I Singapore
Sam Jinks, Woman and Child, 2010
Ferdinand Waldmüller, Familie Eltz, 1835
Belvedere, Wien, Ankauf aus Privatbesitz, unter Mitwirkung des Vereins der Museumsfreunde, Wien
Ferdinand Waldmüller, Familie Eltz, 1835
Carl Spitzweg, Der Sonntagsspaziergang, 1841
Salzburg Museum
Carl Spitzweg, Der Sonntagsspaziergang, 1841

Voll ausgespielt wird das Prinzip der thematischen Spiegelung im nächsten Raum. Historische Gemälde u.a. von Ferdinand Georg Waldmüller oder Angelika Kauffmann, aber auch unbekannter Maler, hängen großflächigen Fotografien von Katharina Mayer, die unterschiedlichen Lebensgemeinschaften in ihren eigenen vier Wänden abgelichtet hat, gegenüber.

Große Bandbreite des Begriffs „Familie“

Hier wie dort wird die Bandbreite des Begriffs Familie sichtbar – von der Adoptiv- über die Flucht- bis zur „klassischen“ Vater-Mutter-Kind-Familie. Dass der starre Familienbegriff eine eher neue Erfindung ist, darauf wies die Hausherrin vor einer Josef-Darstellung hin. Denn er sei lediglich der „soziale“ und nicht der biologische Vater von Jesus gewesen.

Apropos wiederkehrende Motive: Eine der gelungensten Gegenüberstellungen der Schau schlägt die Brücke über fast 700 Jahre. Einander zugewandt hat Schwanberg die „Thernberger Madonna“ (1320), die das Jesuskind im Arm hält, und die Plastik „Woman and Child“ (2010) von Sam Jinks: Eine ältere Frau drückt sich fürsorglich ein Baby an die Brust.

Veranstaltungshinweis:

„Family Matters“ im Dom Museum Wien, Stephansplatz 6; 4. Oktober bis 30. August 2020, Mittwoch bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 bis 20.00 Uhr

Geborgenheit und Konflikte

Dass Familie nicht nur Geborgenheit, Liebe und Refugium, sondern auch Konflikt, Gewalt und Albtraum bedeuten kann, spart die Ausstellung nicht aus. Hier geht es mitunter zur Sache. Die von Weronika Gesicka digital verfremdeten Familienporträts aus dem Amerika der 1950er- und 1960er-Jahre lassen einen noch schmunzeln.

Nicht mehr wirklich amüsant ist das Foto der einhändig brotschneidenden, küchenbeschürzten Frau, die sich ein Baby mit dem Hintern voran unter den Arm geklemmt hat. Vernähte Gesichter-Fotoschnipsel, mit Nadel ausgestochene Köpfe auf alten Familienfotos, Zeichnungen brüllender Elternteile oder Maria Lassings „Obsorge“, in dem Mann und Frau an einem Kleinkindkörper zerren, lassen für Zärtlichkeit keinen Raum mehr.

„Wir haben uns gedacht, nach der Ausstellung ‚Zeig mir deine Wunde‘ ist das ein netteres Thema“, sagte Schwanberg. Man sei aber schnell eines Besseren belehrt worden.