Der Angeklagte vor Prozessbeginn wegen versuchten Doppelmordes im Straflandesgericht Wien
APA/Herbert Neubauer
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Chronik

20 Jahre Haft nach Überfällen auf Frauen

Wegen zweifachen versuchten Mordes und wegen schweren Diebstahls ist am Dienstag am Landesgericht für Strafsachen Wien ein 42-Jähriger zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Er wird zudem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Der Mann attackierte Ende Dezember 2018 zwei Frauen mit Eisenstange bzw. Maurerhammer. Dass die Frauen überlebt haben, grenzt an ein Wunder. Mildernd wertete das Gericht das Geständnis, dass es beim Versuch geblieben ist und eine verminderte Schuldfähigkeit aufgrund einer Persönlichkeitsstörung. Erschwerend waren das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die Vorstrafen, der schnelle Rückfall und die brutale und heimtückische Tatbegehung, sagte Richter Ulrich Nachtlberger. Den beiden Opfern wurden zudem 30.910 Euro und 46.855,93 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der vierfache Familienvater bekannte sich zu den Vorwürfen von Anfang an vollinhaltlich schuldig. „Ich wollte nie jemanden verletzen, es ist einfach passiert. Ich hab vier Kinder und eine liebevolle Frau“, sagte der 42-Jährige. „Aber dann zerstören sie zwei Menschenleben“, meinte der Richter. „Das wollte ich eigentlich nie machen“, erwiderte der 42-Jährige. Der Angeklagte sei zuvor nie als gewalttätig in Erscheinung getreten, sagte seine Verteidigerin Astrid Wagner. „Umso überraschender und entsetzlicher ist das, was hier geschehen ist.“

„Sexuelle Unzufriedenheit“ als Motiv

Das Motiv, das letztlich zu den Gewaltverbrechen führte, war laut Anklageschrift sexuelle Unzufriedenheit. Am 30. Dezember postierte sich der 42-Jährige nach Mitternacht mit seinem Fahrrad in der Nähe der U-Bahn-Station Margaretengürtel, um Frauen abzupassen, die alleine unterwegs waren. Mehrmals fuhr er Frauen nach, war eigenen Angaben zufolge aber zu feig, sie anzusprechen. Nach fünf Stunden war er derart frustriert, dass er mit einer Eisenstange, die er bei einer Baustelle gefunden hatte, einer 25-Jährigen folgte, die nach 5.00 Uhr von einem Lokalbesuch nach Hause unterwegs war.

Die Frau bemerkte nicht, dass sie verfolgt wurde. Kurz vor ihrer Wohnung in der Margaretenstraße drosch ihr der Täter die Stange mit voller Wucht von hinten auf den Kopf. Die 25-Jährige stürzte zu Boden und kam in Rückenlage zu liegen. Als sie sich aufzurichten versuchte, schlug ihr der Mann laut Anklage die Waffe noch zwei- bis dreimal ins Gesicht. Sie verlor das Bewusstsein.

Der Angeklagte vor Prozessbeginn wegen versuchten Doppelmordes im Straflandesgericht Wien
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Der Angeklagte mit seiner Anwältin Astrid Wagner im Gerichtssaal

Als Zeuge ausgegeben

Laut Anklage nahm ihr der Täter ihre Brieftasche aus der Jackentasche, fuhr mit dem Rad zu einer nahen Postfiliale und versuchte Geld zu beheben. Als das nicht gelang, kehrte er an den Tatort zurück. Als er jedoch sah, wie die Frau zugerichtet worden war, ließ er von seinem Vorhaben ab und wählte den Notruf, wobei er behauptete, er habe die Verletzte zufällig am Gehsteig gefunden.

Die 25-Jährige verbrachte in einem Spital mehr als drei Wochen im künstlichen Tiefschlaf, ehe ihr Überleben gesichert war. Ihre Schädel- und Kopfverletzungen waren laut einer gerichtsmedizinischen Expertise „unmittelbar lebensbedrohend“. Wäre nicht rasche ärztliche Hilfe erfolgt, wäre die 25-Jährige nach Dafürhalten des Gerichtsmediziners Christian Reiter gestorben.

Zweiter Angriff mit Maurerhammer

Der zweite Überfall ereignete sich am 31. Dezember im Resselpark. Die Betroffene – eine damals 36 Jahre alte Frau – habe ihn „deppert angeschaut“, erzählte der 42-Jährige nach seiner Festnahme bei seiner polizeilichen Einvernahme. Das habe ihn geärgert, daher habe er beschlossen, „dass ich ihr eine drüber klopfe mit dem Hammer“. Weshalb er einen Maurerhammer eingesteckt hatte, konnte er nicht sagen.

Die 36-Jährige erlitt einen Eindrückungsbruch des Schädels verbunden mit einem Bruchspalt absteigend in die Schädelbasis und Hirnblutungen. Dennoch gelang ihr die Flucht, wobei sie jedoch mehrfach stürzte, was der 42-Jährige eigenen Angaben zufolge mit Genuss beobachtete.

Staatsanwaltschaft beantragte Einweisung

Für den beigezogenen Gerichtspsychiater Peter Hofmann stand fest, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt zwar zurechnungsfähig war, aber hochgefährlich ist. Ausschlaggebend dafür ist dem psychiatrischen Gutachten zufolge eine Persönlichkeitsstörung, die auf hirnorganische Defekte zurückzuführen ist. Im Hinblick auf die geistig-seelische Abartigkeit des Mannes hatte die Anklagebehörde auf Basis von Hofmanns Feststellungen zusätzlich zur Verurteilung die Einweisung des 42-Jährigen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt.

Der Mann war erst am 9. Mai 2018 aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er eine vierjährige Freiheitsstrafe wegen schweren Einbruchsdiebstahls verbüßt hatte. Insgesamt weist der Mann vier Vorstrafen auf, allesamt wegen Vermögensdelikten. Nach seiner Entlassung hatte er in einer betreuten Wohngemeinschaft für ehemalige Häftlinge gelebt.