Placido Domingo mit Blumen
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Kultur

Domingo an Staatsoper stürmisch gefeiert

Der mit MeToo-Vorwürfen konfrontierte Opernstar Placido Domingo hatte Freitagabend an der Wiener Staatsoper sein Hausdebüt in Verdis „Macbeth“. Für den Bühnenstar gab es einen riesigen Blumenstrauß, das Publikum zollte den Auftritt mit langem Applaus.

Das Ehrenmitglied der Staatsoper sah sich in Wien am Freitag demonstrativer Unterstützung seiner Fans gegenüber. Anders als die US-Institutionen hatte man in den meisten europäischen Opernhäusern – so auch an der Staatsoper – stets betont, dass die erhobenen Vorwürfe gegen Domingo rechtlich unbewiesen bzw. ungeklärt seien und man deshalb nichts präjudizieren wolle.

Domingo: „zwei schwierige Monate hinter mir“

Im August waren in den USA Belästigungsvorwürfe gegen den Sänger laut geworden. Nach Recherchen der Nachrichtenagentur AP erhoben mehrere Frauen Anschuldigungen gegen Domingo, in denen es um ungewollte Berührungen, Belästigung oder andere unangebrachte Handlungen geht.

In Wien gehe es im „sehr wunderbar“, er habe „zwei sehr schwierige Monate“ hinter sich, sagte Domingo am Freitag vor seinem Auftritt, der seit Monaten ausverkauft war, im ORF-Interview. „Meine Familie ist bei mir, meine Freunde, meine Fans und Kollegen, an diesem Haus mit dem ich seit 52 Jahren verbunden bin“, so Domingo.

Placido Domingo vor Auftritt in der Oper

Gegen den Star-Tenor wird wegen sexueller Belästigung ermittelt, viele Häuser verwehren ihm den Auftritt, Wien nicht. Placido Domingo wurde herzlich empfangen und drückt seine Gefühle im Interview aus.

Absagen in den USA, Europa-Kalender prall gefüllt

Während der Spanier in Amerika bis auf ein Konzert in Dallas im kommenden Jahr deshalb auf absehbare Zeit keine Auftritte haben wird, ist der Domingo-Kalender in Europa prall gefüllt. 2020 reihen sich Engagements von Berlin über Hamburg bis Mailand aneinander. Und auch an die Wiener Staatsoper soll Domingo zurückkehren, ist er hier doch im Juni in der „Nabucco“ und der „Traviata“ vorgesehen.

Placido Domingo vor Staatsoper im Interview
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Placido Domingo äußerte sich im „Wien heute“-Interview zu den Belästigungsvorwürfen gegen ihn

Zunächst werden im Haus am Ring nun aber noch zweimal die Schatten der Schuld über Domingo hereinbrechen, in Form von Projektionen, die Macbeth peinigen. In der von Christian Räth 2015 behutsam ins Heute transponierten Regiearbeit, die ebenso nüchtern und kühl wie ihr Sujet ist und dabei überaus theaterpraktische Arrangements der Bühnenelemente erlaubt, ist Domingo weniger der manische Verbrecher als ein getriebener Melancholiker. Sein Macbeth ist nicht der herzlose Tyrann, sondern mit seinem immer noch empathischen Timbre Publikumsliebling.

Gesangsleistungen stiegen mit jedem Mord an

Selbstredend wären gewisse altersbedingte Wackler und stellenweise Kurzatmigkeit dem Tenor Domingo am Höhepunkt seiner Karriere nicht passiert, dennoch erstaunt der vor einigen Jahren ins Baritonfach gewechselte Künstler immer wieder mit der immer noch vorhanden Geschmeidigkeit seiner Stimme.

Dass er Ryan Speedo Green als Banquo bereits im 2. Akt ermorden lässt, war angesichts der Leistung des Ensemblemitglieds bedauerlich. Und auch Tatiana Serjan – wie schon bei der Premiere als Lady die treibende Kraft des Geschehens – schwang sich mit jedem Mord stimmlich besser in ihre Partie ein.