Rendering des geplanten KaDeWe auf der Mariahilfer Straße
APA/O.M.A.
APA/O.M.A.
Lifestyle

Kurzer Boom für öffentliche Dachterrassen

Wien orientiert sich an New York und baut in den nächsten Jahren mehrere öffentlich zugängliche Dachterrassen. Den Anfang macht das MuseumsQuartier bereits im April 2020. Einen langfristigen Boom sollte man aber nicht erwarten.

Der Ikea beim Westbahnhof, das geplante KaDeWe auf der Mariahilfer Straße und schon demnächst die Libelle auf dem Dach des Leopold Museums im MuseumsQuartier. All diese Projekte sehen eine öffentlich zugängliche Terrasse vor. Ohne Konsumzwang, wird betont. Jedoch gelten dort die Interessen der Eigentümer, sagt Markus Tomaselli vom Institut für Städtebau an der Technischen Universität (TU) Wien. „Sie unterscheidet sich sehr deutlich von einer Straße oder einem Platz. Straße und Platz sind Räume auf denen Demonstrationen stattfinden. Sowas passiert auf solchen Räumen nicht.“

Grünraum und Aussicht

Für die Bevölkerung können sie aber dennoch Mehrwert bringen. Sei es durch zusätzlichen Grünraum oder durch die Aussicht. „In den Fällen liegt die Topographie und Gebäudesituation so, dass man einen guten Ausblick über die Innenstadt hat“, so Tomaselli. Er führt da auch das Haus des Meeres an, dessen neue Dachterrasse auch ohne Ticket für den Zoo zugänglich sein wird.

Ein Rendering der öffentlichen Dachterrasse im Museumsquartier
O&O Baukunst
Die Libelle und Dachterrasse am Leopold Museum wird im April 2020 fertiggestellt

Das Angebot von öffentlichen Dachterrassen ist allerdings nicht spezifisch für Wien. In London gibt es ein vergleichbares Beispiel bei der Tate Modern. Dort werde das Angebot auch gut angenommen, sagt der Experte. „Manchmal ist das aber auch vorgeschrieben durch die Baugenehmigung. New York ist da ein Beispiel.“ Dort könne man die sich ändernde Gesetzgebung an den Stadtvierteln ablesen. „Es gibt eine Phase in der Stadtplanung, da waren öffentliche Räume im Erdgeschoss vorgesehen“, erklärt er.

Besitzer kann „jederzeit zusperren“

„Die Menschen in der Umgebung sollen einen begrünten Freiraum haben, in dem sie sich wohl fühlen und einfach ‚sein‘ können“, argumentiert Ikea, warum man einen konsumfreien Raum am Dach schafft. Tomaselli sieht aber vor allem den Mehrwert für die Unternehmen. Es würde zur Frequenzsteigerung beitragen, sagt er. „Ein Nebeneffekt kann sein, dass sie auf dem Weg durch das Gebäude auch etwas einkaufen.“ Außerdem ist der Besitzer dieser Räume immer noch privat, heißt, „der kann das jederzeit zusperren. Außer es gibt Verträge mit der Stadt, was mir in beiden Fällen nicht bekannt wäre“.

Der Nutzen für die Bevölkerung würde aber überwiegen. Zwar würden viele Bereiche Wiens einen hohen Anteil an öffentlichen Freiflächen haben. „Es gibt aber einige Bereiche in der Stadt, wo das überhaupt nicht der Fall ist.“ Vor allem in den Bezirken Mariahilf, Neubau und Josefstadt. „Da wäre ein Ansatz, mit Investoren Gespräche zu führen, um das Grünraumangebot zu verbessern.“ Eine öffentliche Nutzung könnte mit dem Abschluss eines städtebaulichen Vertrages gesichert werden, heißt es dazu aus dem Büro der Planungsstadträtin Birgit Hebein (Grüne).

Die montierten Photovoltaik-Module auf dem Dach des Haus des Meeres
Wien Energie/Johannes Zinner
Am Haus des Meeres entsteht eine zugängliche Terrasse, darüber eine Photovoltaikanlage

Gemeindebauten nicht geeignet

Es wäre generell sehr wichtig, meint Tomaselli, „dass wir Gründächer in Wien schaffen. Vor allem bei Industrieanlagen mit großen Dächern, die sehr stark reflektieren.“ Einen Widerspruch zu Plänen, Dächer mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten, sieht er nicht. „Man braucht immer überdachte Bereiche und Oberflächen am Dach, die aus statischen Gründen nicht allzu viel Begrünung vertragen.“

Außerdem eignen sich nicht alle Häuser für öffentliche Terrassen. „Ich glaube, dass man in Wohngebäuden Schwierigkeiten hat. Da gibt es einerseits das Sicherheitsproblem, andererseits können Dachräume nicht mehr für Wohnzwecke genützt werden.“ Von öffentlich zugänglichen Bereichen auf Gemeindebauten würde Tomaselli abraten, Dachbegrünung wäre unter Umständen aber trotzdem möglich.

Andere öffentliche Flächen

Und ein weiteres Problem sieht er für öffentliche Dachterrassen: „Wien ist ein windiges Stadterl. Da pfeift’s gern einmal und man ist gern geschützt.“ Architektinnen und Architekten müssten also besonders auf Windschutz achten. Hochhäuser seien daher eher ungeeignet. Stattdessen sollte bei Bauverhandlungen mehr Wert auf Infrastruktur am Boden gelegt werden. Darunter fallen etwa kleinere Parks oder öffentliche Zonen im Erdgeschossbereich.

Einen Dachterrassen-Boom erwartet Tomaselli deswegen nicht. „Es wird einige Projekte geben, die auf diesen Trend aufspringen. Man wird dann sehen, wie das angenommen wird und aus dem wird sich dann die weitere Entwicklung ableiten.“