Nobelpreisträger Eric Kandel mit einem ihm zu Ehren geschaffenes Briefmarkenset am Mittwoch, 06. November 2019, im Rahmen der Verleihung des Großen Ehrenzeichens am Bande der Ärztekammer für Wien an Kandel
APA/Georg Hochmuth
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Nobelpreisträger Eric Kandel in Wien

Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel feiert seinen 90. Geburtstag in Wien. Der Neurobiologe war als Kind vor dem NS-Regime in die USA geflüchtet. In Wien empfängt er nun zahlreiche Auszeichnungen.

Kandel nahm am Mittwoch im Wiener Rathaus von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) den Goldenen Rathausmann in Empfang. Es trage bei, ihn mit der Stadt noch mehr zu versöhnen, versicherte Kandel- Der Nobelpreisträger feiert am Donnerstag seinen 90. Geburtstag. Aus diesem Anlass wurde der Jubilar, der mit seiner Frau und seiner Tochter kam, ins Rathaus eingeladen.

Es ist nicht der erste Aufenthalt, bei dem er mit Auszeichnungen bedacht wurde. 2009 wurde er bereits zum Ehrenbürger der Stadt ernannt – was die höchste mögliche Würdigung darstellt, wie Ludwig versicherte. Mit dem Goldenen Rathausmann wolle er sich bei Eric Kandel einmal mehr bedanken für seine Leistungen – und dass er Wien trotz „sehr negativer Erinnerungen“ verbunden bleibe.

 Nobelpreisträger Eric Kandel und Bürgermeister Michael Ludwig am Mittwoch, 06. November 2019, anl. der Überreichung des Wiener Rathausmannes an Kandel
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Bürgermeister Ludwig traf Nobelpreisträger und dessen Familie – Versöhnung mit Wien „fangt an“, sagte Kandel

„Ich liebe Wien mehr“

Eric Kandel erkundigte sich beim Stadtoberhaupt jedoch auch über die Zeit unmittelbar nach Ende der Nazidiktatur: „Wieso haben sie nicht mehr Juden zurückgebracht, so wie es in Deutschland geschehen ist?“ Dies sei, so gestand Ludwig ein, ein Versäumnis in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen.

Und es hänge, so befand der Bürgermeister, wohl damit zusammen, dass Österreich sich lange als erstes Opfer des Nationalsozialismus gesehen habe. Erst später hätten die Bürgermeister Leopold Gratz und Helmut Zilk gemeinsam mit Leon Zelman über den Jewish Welcome Service vielen Vertriebenen einen Besuch Österreichs ermöglicht. Die jüngere Generation habe aus der Geschichte gelernt und entsprechende Konsequenzen gezogen, zeigte sich Ludwig zuversichtlich – wobei er warnte: „Aber man muss vorsichtig sein.“ Rechtsextreme Gruppen seien in Österreich oder auch in Deutschland wieder aktiv.

Solche Auszeichnungen seien sehr wichtig für ihn, beteuerte Kandel. Wien werde damit wieder ein Stück mehr Heimat, es gehe in die richtige Richtung: „Ich liebe Wien mehr.“ Ob er nun versöhnt sei mit der Stadt? „Es fangt an.“ Eine Rückkehr nach Wien, um hier wieder zu leben, sei jedenfalls nie Thema gewesen. Die USA und New York seien gut zu ihm gewesen, betonte er. Kandel reiste als Neunjähriger gemeinsam mit seinem 14 Jahre alten Bruder nach Amerika.

Eric Kandel feiert 90. Geburtstag

Im Alter von neun Jahren hat er als Jude aus seiner Geburtsstadt Wien flüchten müssen – in den USA ist er dann zu einem der bedeutendsten Hirnforscher geworden.

„Ich gehe zur Arbeit fünf Tage die Woche“

Kandel, dessen Forschungen sich der Erinnerung und dem Gedächtnis widmen, studierte ab 1952 Medizin und wurde zum Psychiater ausgebildet. 1974 kam er an die Columbia University, wo er das Zentrum für Neurobiologie und Verhalten gründete. Er ist nach wie vor Professor an der Columbia und Seniorwissenschafter des Howard Hughes Medical Institute. Er arbeite noch immer sehr gerne, versicherte er: „Das beste für das Gehirn ist praktizieren. Ich gehe zur Arbeit fünf Tage die Woche.“

Am Nachmittag setzte sich der Festreigen für Eric Kandel fort: Die Ärztekammer für Wien verleiht dem Mediziner ihre höchste Auszeichnung, das „Große Ehrenzeichen am Bande“. Dies sei „Ausdruck der großen und tiefen Verbundenheit mit Eric Kandel und in Würdigung seiner außerordentlichen Verdienste und Leistungen in der Hirnforschung“, hieß es im Vorfeld.

Am Donnerstag heißt es schließlich seitens der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien „Happy Birthday, Eric“. Die beiden Hochschulen veranstalten ein „Fest für Eric Kandel“, an dem unter anderen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Alt-Bundespräsident Heinz Fischer teilnehmen. Die Laudatio hält der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Anton Zeilinger. Am Sonntag (10.11.) nimmt Kandel übrigens am 3. Egon Schiele Symposium im Leopold Museum teil und wird dort zum Thema „The Age of Insight: The Origins of Modernist Thought“ sprechen.