Staatsopern-Direktor Dominique Meyer
AFP/Alex Halada
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Kultur

Meyer will Mailänder Rätsel lösen

Staatsoperndirektor Dominique Meyer tritt am 1. März kommenden Jahres sein Amt als Intendant der Mailänder Scala an. Zugleich läuft in der Staatsoper seine letzte Saison, aber er verlasse Wien „mit vielen schönen Erinnerungen“.

Meyer, der sich erfolglos für eine weitere Amtszeit als Direktor der Staatsoper beworben hat, sieht keinen Grund, sich zu beklagen. Er sei glücklich, „nach Wien wieder an ein neues Haus in einer neuen Stadt, die ich ebenfalls sehr liebe, zu kommen. Ich scheide aus Wien mit vielen schönen Erinnerungen und schlage ein neues Kapitel auf“, sagte Meyer im APA-Gespräch. Jedes Opernhaus sei sein eigenes Rätsel, und für jedes gebe es eine eigene Lösung, sagte Meyer: „Ein Schließtag in Mailand ist vollkommen normal, in Wien muss man sich für jeden Tag rechtfertigen. Hinzu kommt, dass man in Mailand etwa auch Orchesterkonzerte im Saal macht.“

Einer der grundlegenen Unterschiede zwischen den beiden Opernhäusern ist das Repertoiresystem in Wien und der Stagionebetrieb in Mailand. Welches davon besser ist, will Meyer nicht beurteilen: „Das wird oft sehr oberflächlich abgehandelt. Die Stagionefreunde behaupten, im Repertoiresystem sei nichts gut vorbereitet, die Repertoireanhänger finden es unmöglich, wenn man nicht verschiedene Stücke pro Woche sehen kann.“ Meyer glaubt, in Wien bewiesen zu haben, dass man auch im Repertoiresystem Qualität abliefern kann.

Das Teatro alla Scala in Mailand
AFP/Miguel Medina
Das Teatro alla Scala in Mailand

Scala als „das“ Referenzhaus für italienische Oper

Für die Scala hat Meyer Ideen, aber noch keine Details. Das Repertoire müsse sich grundsätzlich mehr auf das italienische Fach konzentrieren, „die Scala muss das Referenzhaus für die italienische Oper sein“. So werden auch die beiden Verdi-Opern „Otello“ und „Macbeth“ die ersten beiden Saisonen unter Meyer eröffnen, wie Noch-Intendant Alexander Pereira laut italienischen Medien angekündigt hat. Die Saison 2020 soll mit „Otello“ beginnen, Jonas Kaufmann und Marina Rebeka übernehmen die Hauptrollen. Meyer, der im März zum neuen Scala-Intendanten aufrückt, muss die geplante Premiere am 7. Dezember 2020 noch bestätigen.

Für die Saisoneröffnung 2021 ist „Macbeth“ geplant, Anna Netrebko übernimmt die Partie der Lady Macbeth. „Natürlich werden wir auch Opern aus dem deutschen, französischen oder russischen Fach spielen. Aus der barocken Periode spielt man etwa Händel an der Scala. Dabei gab es im neapolitanischen Barock 300 Komponisten, von denen jeder 50 Opern komponiert hat. Da möchte ich das Augenmerk darauflegen!“, so Meyer.

Operndirektor Dominique Meyer während der Aufbauarbeiten für den Opernball 2019
APA/Herbert Neubauer
13 Opernbälle fielen in die Zeit Meyers als Direktor der Wiener Staatsoper

Meyer will nicht gegen die Tradition arbeiten

Anna Netrebko tritt auch bei der am 7. Dezember geplanten Premiere von „Tosca“ auf. Der italienische Bariton Luca Salsi spielt den Scarpia. Regisseur ist der Italiener Davide Livermore, der bereits mit Verdis „Attila“ bei der Saisoneröffnung am 7. Dezember 2018 einen Erfolg gelandet hatte. Bei der „Tosca“-Premiere wird die Version aufgeführt, die bei der Opernpremiere im Jahr 1900 in Rom vorgestellt wurde. Die Saison der Scala wird traditionsgemäß am 7. Dezember eröffnet, dem Tag des heiligen Ambrosius, Patron der Stadt Mailand.

In Mailand will Meyer eher auf Evolution statt auf Revolution setzen. Neue Stücke bräuchten Zeit. „In Wien habe ich eventuell den Fehler begangen, mich anfangs sehr auf Stücke des 20. Jahrhunderts zu konzentrieren. Vielleicht hätte ich das Ganze etwas mehr mischen müssen und war etwa zu didaktisch unterwegs“, äußerte sich Meyer selbstkritisch. Im Gegensatz zu Wien will Meyer in Mailand mit einem Musikdirektor arbeiten, das sei Tradition an der Scala und er sei „sehr glücklich, Riccardo Chailly als Musikdirektor und Dirigent zu haben“.

Dominique Meyer
APA/Georg Hochmuth
Dominique Meyer

„Eine Trennung ist nie einfach“

Die Zeit des Übergangs – Meyer ist ab Mitte Dezember designierter Scala-Direktor, ab 1. März parallel Direktor an der Scala und der Staatsoper, letzterer mit halbem Gehalt – sieht Meyer vor allem als Belastung für seine Gesundheit. Die Kontinuität werde bis zum Ende gegeben sein. Bis auf eine Ballettpremiere in Mailand gebe es keine Terminkollisionen.

Meyers letzte Aufführung als Direktor der Wiener Staatsoper wird am 30. Juni 2020 „Falstaff“ sein. „Es wird natürlich emotional werden“, sagte Meyer. Jeder wisse, dass er sich in Wien sehr wohl gefühlt habe, „das Publikum liebe und meinem Team sehr verbunden bin“. Meyer betonte, dass es nie einfach sei, sich zu trennen, „aber das ist Teil des Berufs“.

Auch Andre Comploi geht nach Mailand

Mit Meyer wird auch der derzeitige Pressesprecher der Staatsoper, Andre Comploi, nach Mailand wechseln. Er soll dort die Funktion des künstlerischen Koordinators der diversen Abteilungen der Scala übernehmen.

Der Nachfolger Meyers, Bogdan Roscic, ist vor fast genau drei Jahren als Direktor der Wiener Staatsoper vorgestellt worden. Es sei „die wichtigste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe“, sagte Roscic im Dezember 2016. Er übernimmt mit 1. September 2020. Der 1964 in Belgrad geborene Roscic war Journalist, für den ORF unter anderem als Senderchef von Ö3 tätig und hatte diverse Funktionen in der Musikindustrie inne, wo er etwa in New York als Chef der Sony-Klassiksparte arbeitete.