Hugo Portisch am18. Dezember 2019, anlässlich der Überreichung des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich in Wien
APA/Helmut Fohringer
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Goldenes Ehrenzeichen für Hugo Portisch

„Geschichtslehrer der Nation“, „ORF-Welterklärer“ – die Beinamen, mit denen Hugo Portisch von der Kollegenschaft geschmückt wird, verweisen auf seine Verdienste. Am Mittwoch erhielt der 92-Jährige das „Große Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich“.

Überreicht wurde die Auszeichnung von von Außen-und Medienminister Alexander Schallenberg im Bundeskanzleramt. Warum es so lange gedauert hat, bis der 1927 in Bratislava in der damaligen Tschechoslowakei geborene Portisch für sein Lebenswerk geehrt wurde, umriss sein langjähriger Journalistenkollege Heinz Nußbaumer (76) in einer Laudation.

„Konsequente Distanz zu Orden“

Portisch habe offizielle Auszeichnungen der Republik bisher standhaft verweigert, erzählte der langjährige Kulturredakteur und Pressesprecher des verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil. „Weil er sich mit seiner konsequenten Distanz zu Orden, Titeln und Huldigungen die Freiheit und Unabhängigkeit seines Denkens, Redens und Schreibens keinesfalls einengen lassen wollte. Eine Haltung, die gerade in einem so kleinen Land wie Österreich mit ihrer vielfachen Nähe von Politik und Medien sinnvoll und durchaus mutig war.“

Alexander Schallenberg und Hugo Portisch am 18. Dezember 2019, anlässlich der Überreichung des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich in Wien
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Schallenberg: Portisch „Teil der österreichischen DNA“

Auch Schallenberg erinnerte daran, dass Portisch erstmals eine Auszeichnung der Republik Österreich akzeptiert habe. Bisher sei für ihn im Vordergrund gestanden, „seine Position als neutrale Instanz zu wahren“. Erst die „hinzugewachsenen Altersringe“ und wohl auch „die Besonderheit“ der aktuell amtierenden – aus Experten und Beamten zusammengesetzten – Bundesregierung – hätten Portisch „zuletzt ein wenig nachgiebiger gemacht“, mutmaßte Nußbaumer in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und Ex-Bundespräsident Heinz Fischer.

„Teil der österreichischen DNA“

Nußbaumer lobte, dass es Portisch gelungen sei, eine breite Öffentlichkeit für die österreichische Zeitgeschichte zu interessieren. „Du hast uns Österreicher – Regierung und Bürger – auf vielfache Weise dazu gebracht, sich der Vergangenheit zu stellen – in ihrer Größe wie auch in ihren Dunkelheiten. Mit Deinen großen Serien ‚Österreich II‘ und ‚Österreich I‘ vor allem, und mit Deinen Appellen, was jetzt zu tun ist, hast Du die Scheunen der Erinnerung so weit aufgemacht, dass sie nie wieder verschlossen werden können.“

Auch Außenminister Schallenberg – er hatte Ende Juni seinen „50er“ gefeiert – erinnerte sich, dass er „als junger Bub gebannt vor dem Fernseher saß, um die Dokumentation ‚Österreich II‘ zu sehen.“ Damals habe er sich „nie erträumt, dass ich fast 40 Jahre später hier vor – ich kann es gar nicht anders sagen – einem Helden meiner Jugend stehen werde.“ Und nicht nur das: „Sondern, dass ich auch noch die Ehre habe, ihm eine der höchsten Auszeichnungen der Republik zu überreichen.“ Und weiter: „Hugo Portisch und sein Werk sind Teil der österreichischen DNA“, formulierte der Minister, „er hat das Geschichtsbewusstsein einer ganzen Nation geprägt.“

„Österreicher nicht nur Voyeure, sondern Akteure“

Portisch berichtete von den großen internationalen Brennpunkten seiner Zeit, erinnerte Nußbaumer und fragte seinen Weggefährten: „Gibt es eigentlich eine Gegend auf diesem Globus, die Du nicht besucht und beschrieben hast? Manchmal denke ich: War uns damals die große weite Welt – China, Afrika, Lateinamerika, das sowjetische Großreich usw. – durch Deine Serien, Bücher, Dokumentationen nicht sogar näher als heute im Zeichen der Globalisierung?“

Als Weltbürger habe Portisch gewusst, „dass wir Österreicher nicht nur Voyeure, sondern Akteure zu sein hatten.“ Der Laudator erinnerte zudem an Portischs „großen, bleibenden Verdienst“ als „Vater“ der Rundfunkreform in den 1960er-Jahren. „Sie ist bis heute – und hoffentlich noch lange – der Boden, auf dem der unabhängige ORF steht.“

Initiator des Rundfunkvolksbegehrens

Auch Schallenberg würdigte Portischs Rolle als Initiator des Rundfunkvolksbegehrens für die Unabhängigkeit des ORF als „wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der österreichischen Medienlandschaft und eines unabhängigen kritischen Journalismus in Österreich“ und bezeichnete ihn als „Doyen des österreichischen Qualitätsjournalismus.“ Nußbaumer formulierte es so: „Da war niemand in diesem Land, der uns so sehr an den ‚aufrechten Gang‘ erinnert, ihn immer wieder eingemahnt und mit befördert hat.“

Hugo Portisch am18. Dezember 2019, anlässlich der Überreichung des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik
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Portisch: „Ich habe das Gefühl, die Welt steht heute ein bisschen Kopf“

Portisch „sehr, sehr stolz“

Der Ausgezeichnete selbst dankte für die Ehrung, die ihn „sehr, sehr stolz“ mache. „Ich habe das Gefühl, die Welt steht heute ein bisschen Kopf. Es wird mir gedankt, aber ich hätte zu danken. Diesem Land Österreich, das mich aufgenommen hat, mich studieren hat lassen, mich ertragen hat.“ Die Auszeichnung gelte nicht nur ihm selbst, sondern allen Vertretern seiner „Spezies“, ergänzte Portisch. „Kritischer Journalismus ist ein wichtiges Korrektiv und damit eine Säule der Demokratie.“

Das sei zu Zeiten des Rundfunkvolksbegehrens vor 50 Jahren genauso wichtig gewesen wie in der Gegenwart, sagte Portisch und erinnerte in diesem Zusammenhang auch an Angriffe von Vertretern der vergangenen türkis-blauen Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache auf die „Lügenfabrik ORF.“

Lange journalistische Karriere

Portisch war nach dem Zweiten Weltkrieg nach Wien gekommen, wo er an der Universität Geschichte, Germanistik, Anglistik und Zeitungswissenschaft (Publizistik und Kommunikationswissenschaft) studierte. 1951 promovierte er mit einer Doktorarbeit über „Das Zeitungswesen und die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika vor und während des Bürgerkrieges 1861-1865“.

Seine journalistische Karriere begann er 1948 bei der „Wiener Tageszeitung“. 1955 holte ihn Hans Dichand, damals Chefredakteur, in den neugegründeten „Kurier“. Nach Dichands Abgang zur „Kronen-Zeitung“ wurde Portisch 1958 Chefredakteur der damals größten Tageszeitung. Ab 1967 fungierte er als Chefkommentator des ORF, für den er auch die Serien „Österreich I“ und „Österreich II“ zur Geschichte der Ersten bzw. Zweiten Republik gestaltete. In die Annalen der Medienpolitik schrieb sich der Journalist als Betreiber des Rundfunkvolksbegehrens ein.

Für seine Arbeit wurde Portisch bisher u.a. mit dem Karl-Renner-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, der Goldenen Kamera und dem Fernsehpreis „Romy“ ausgezeichnet. Unter seinen zahlreichen Büchern befindet sich auch durchaus Unpolitisches: 1989 verfasste er zusammen mit seiner – 2018 verstorbenen – Frau Gertraude den Band „Pilzesuchen – ein Vergnügen“.