Rendering des Heumarkt-Projekts
APA/Isay Weinfeld und Sebastian Murr
APA/Isay Weinfeld und Sebastian Murr
Chronik

Heumarkt: Hochhaus soll niedriger werden

Das umstrittene 66-Meter-Hochhaus, das am Wiener Heumarkt errichtet werden soll, wird nun doch nicht kommen. Es ist ein Kompromiss, der in den Gesprächen mit Investor Michael Tojner erzielt worden ist. Denn im Gegenzug könnte das geplante Hotel höher werden.

Der Hochhausturm von 66,3 Metern soll im Sinne der Empfehlungen der Advisory Mission von UNESCO und ICOMOS nun doch nicht umgesetzt werden. Die Wertinvest werde auf den Turm verzichten, dafür jedoch die entfallende Kubatur möglicherweise in anderen Bereichen realisieren, sagte der SPÖ-Abgeordnete und Wiener Heumarkt-Beauftragte Ernst Woller in seiner Rede im Gemeinderat am Freitag. Im Raum steht nun etwa eine Erhöhung des Hotels. Immerhin sollen die technischen Aufbauten wie Lüftungsanlagen in das Objekt integriert werden, womit eine „harmonische Silhouette der Dachlandschaft“ geschaffen werden soll.

UNESCO: Maximal 43 Meter

Die UNESCO forderte, den projektierten 66-Meter-Turm zu redimensionieren. Als Obergrenze wurden 43 Meter genannt.

„Ich betone, dass der Projektentwickler uns sehr entgegengekommen ist. Er hätte das nicht müssen“, so Woller. Das Kompromissangebot sehe aber jedenfalls vor, dass die für den Eislaufverein geplante Fläche nicht verkleinert wird, wie der SPÖ-Politiker betonte. Der Vorschlag sei am heutigen Freitag an das Bundeskanzleramt gegangen, mit der Bitte an Weiterleitung an die UNESCO. Woller skizzierte auch die weiteren Schritte: Der Entwickler wird ein neues Projekt ausarbeiten, wofür er jedoch eine „gewisse Zeit“ brauche. An die UNESCO bzw. ICOMOS ergehe die Einladung, die Pläne zu prüfen.

Karte zeigt Heumarktprojekt
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Neubau dürfte wohl höher als 43 Meter werden

Woller präzisierte im Gespräch mit Journalisten den zuvor im Gemeinderat präsentierten Kompromiss. Er ließ dabei mit der Annahme aufhorchen, dass das Hotel Intercontinental nach dem Wegfall des Turms wohl höher gebaut wird – nämlich höher als die von der UNESCO immer wieder als Höchstgrenze eingeforderten 43 Meter.

„43 Meter sind lächerlich“, befand Woller. Schon jetzt rage das Gebäude angesichts zahlreicher Aufbauten bis in eine Höhe von 48 Metern empor, gab er zu bedenken. Er verwies in einem Hintergrundgespräch mit SPÖ-Planungssprecher Omar Al-Rawi und dem Wiener Welterbebeauftragten Rudolf Zunke darauf, dass im Bericht zur „Advisory Mission“ der UNESCO keine Höhengrenze genannt wurde. Das Welterbekomitee habe sich diesbezüglich nie festgelegt.

Die 43 Meter seien lediglich von der österreichischen UNESCO-Kommission genannt worden. Bei dieser handle es sich um ein Beratungsgremium für die Welterbestätten. Woller glaubt nach eigenen Angaben nicht, dass das Komitee, das letztendlich entscheidet, auf dieser Höhe bestehen wird. Das Alternativprojekt werde sonst nämlich nicht kommen, vermutete er: „Wenn sie sagen 43 Meter, dann kriegen sie den Turm.“

UNESCO-Kommission widerspricht Woller

Die österreichische UNESCO-Kommission hat am Freitag die Bereitschaft des Investors bzw. der Stadt begrüßt, das Heumarkt-Projekt so zu verändern, dass das Welterbe für das historische Zentrum bewahrt bleibt. Festgehalten wurde jedoch, dass man nicht selbst, sondern internationale Sachverständige eine Höhenbeschränkung ins Spiel gebracht hätten.

Die besagten 43 Meter seien das Resultat dreier internationaler Gutachten, wurde in einer dem ORF übermittelten Stellungnahme betont. Diese würden besagen, dass sich eine städtebauliche Entwicklung am Heumarkt-Areal am Bestand orientieren müsse, um die geschützte historische Stadtsilhouette zu bewahren.

„Die Österreichische UNESCO-Kommission hat diese internationale Expertise, welche die Basis für die Entscheidungen des Welterbekomitees bildet, in den vergangen Jahren transportiert und kommuniziert“, hielt Generalsekretärin Patrizia Jankovic in der Mitteilung fest.

Investor: Zustimmung unter Vorbehalt

Die Wertinvest hat am Freitag bestätigt, dass man in Sachen Heumarkt für eine Alternativvariante zum bisher geplanten 66-Meter-Hochhaus zur Verfügung stehe. Gleichzeitig betonte der Projektbetreiber allerdings, dass man – falls keine Lösung zwischen Stadt und UNESCO zustande kommt – auf Basis der bestehenden Planungen den Turm sehr wohl realisieren könne.

Die Wertinvest habe die Stadt Wien im gesamten Verlauf der bisherigen Verhandlungen mit der UNESCO unterstützt und sei auch jetzt bereit, den Abgleich eines Alternativszenarios durch die Stadt Wien mit der UNESCO abzuwarten, „sofern unser Rechtsanspruch davon unbeeinflusst bleibt“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.

Allerdings: „Sollte sich jedoch bis Herbst 2020 keine Lösung konkret abzeichnen, müssen wir auch im Interesse des Wiener Eislaufvereins, des Hotels Intercontinental und des Konzerthauses dringend die bestehende Planung weiterverfolgen, für die wir bereits den Genehmigungsprozess durchlaufen und die nach der Wiener Bauordnung bereits bewilligungsfähig ist“, betonte Daniela Enzi, Geschäftsführerin der Wertinvest Hotelbetriebs GmbH. Explizit hingewiesen wurde bei dieser Gelegenheit darauf, dass für das Heumarkt-Vorhaben „eine Flächenwidmung, ein rechtsgültiger Bebauungsplan sowie ein städtebaulicher Vertrag mit der Stadt Wien“ vorlägen.

Ludwig und Hebein zufrieden

Das UNESCO-Welterbezentrum habe sich in einer ersten Reaktion positiv geäußert, wurde in der Aussendung beteuert. Woller hielt aber auch fest, dass bei einer Ablehnung das derzeitige Projekt verwirklicht werden könne. Denn das Bauvorhaben sei laut Angaben der Behörde „bewilligungsfähig“, wobei zum jetzigen Zeitpunkt kein rechtsgültiger Bescheid von der Baubehörde ausgestellt werde. Zu klären sei etwa noch, wie mit der allfälligen Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung umzugehen ist. Tatsächlich beschäftigt sich der Verwaltungsgerichtshof derzeit mit diesem Thema.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) versicherte via Aussendung, dass der Erhalt des Welterbestatus für das historische Zentrum Wiens „oberste Priorität“ habe. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) sprach von einem „wichtigen Schritt“, der mit dem Verzicht auf die Realisierung des Turms gelungen sei.

Auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbestätten

Die neue Lösung soll das Prädikat Weltkulturerbe für das historische Zentrum Wiens erhalten. Details zum Projekt wurden allerdings noch nicht genannt. Ursprünglich hätte der Turm laut der ersten Version der Pläne sogar 73 Meter hoch werden. Im Zuge des Baus soll das gesamte Areal, auf dem sich das Hotel Intercontinental, der Eislaufverein und das Konzerthaus befinden, revitalisiert werden.

Die UNESCO forderte, den von der Wertinvest mit 66 Metern projektierten Wohnturm neben dem Hotel Intercontinental – das ebenfalls neu errichten werden soll – zu verkleinern. Inzwischen befindet sich das Zentrum Wiens bereits auf der Roten Liste der gefährdeten Welterbestätten. Würde das Prädikat verloren gehen, hätte Wien nur noch eine Welterbestätte: das Schloss bzw. die Gärten von Schönbrunn.

Opposition trotz Freude weiter kritisch

Die Rathaus-Opposition reagierte am Freitag grundsätzlich erfreut auf die jüngsten Entwicklungen in der Causa Heumarkt. Sowohl ÖVP als auch FPÖ sahen den sich nun abzeichnenden Verzicht auf das umstrittene Hochhaus als ihr Verdienst an. Zugleich übten beide Parteien einmal mehr Kritik an der rot-grünen Stadtregierung.

„Unser jahrelanger und sehr intensiver Einsatz sowie der permanente Druck auf die Wiener Stadtregierung zeigt endlich Wirkung. Nach Jahren der Verweigerung, Verleugnung und Beschwichtigung kommt es nun doch zu einem versteckten Fehlereingeständnis, das Bewegung in dieses sensible Thema bringen kann“, meinte Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel in einer Aussendung. Den „angeblichen Kompromiss“ mit dem Investor bzw. die Erfüllung der UNESCO-Vorgaben werde man aber genau prüfen.

Die nicht amtsführende FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel sprach in einer Aussendung von einem „Überraschungscoup“. Damit nehme die rot-grüne Stadtregierung nun nach Jahren des Hickhacks endlich die Empfehlung der UNESCO auf und gebe der jahrelangen Kritik der FPÖ und verschiedener Bürgerinitiativen wohl mit Blick auf die Wien-Wahl im kommenden Jahr nach.