Chronik

Stundenlange Gewalt: „Keine U-Haft ist Risiko“

Ein Mann soll vergangene Woche in Meidling seine Lebensgefährtin stundenlang verprügelt haben. Schwer verletzt und stark blutend konnte sich die 40-Jährige auf die Straße retten. Doch der mutmaßliche Täter sitzt nicht in Untersuchungshaft, was Kritik bei Rosa Logar von der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie hervorruft.

„Es ist ein Risiko, wenn der Mann nicht in Untersuchungshaft sitzt. Man weiß ja nicht, ob so etwas wieder passiert“, so Logar im „Wien heute“-Interview. Sie plädiert für eine Untersuchungshaft in Fällen, die nicht eindeutig geklärt sind. „Damit die Gefährlichkeit nicht gegeben ist“. Im konkreten Fall wüssten die Behhörden nicht, ob der Mann gefährlich ist. Dass etwas Schweres passiert ist, sei in diesem Fall allerdings laut Logar klar.

Rosa Logar zu Gewalt gegen Frauen

Rosa Logar ist Leiterin der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Im Interview nimmt sie zum aktuellen Fall in Wien-Meidling Stellung.

Dass der Verdächtige nicht in Untersuchungshaft ist, liegt auch daran, dass das Opfer keine Aussage gegenüber der Polizei macht. Deshalb seien der Justiz die Hände gebunden. „Es ist sehr häufig bei Gewalt in Familie, dass Frauen keine Aussage machen. Das ist eine normale Reaktion, wenn man Gewalt erlebt.“

Wichtig sei laut der Opfervertreterin, das Vertrauen der Opfer zu gewinnen und sie zur Aussage zu ermutigen. „Die Möglichkeit gibt es ja auch noch immer“, so Logar. Wie es der Frau derzeit gehe, dürfe sie aufgrund der Verschwiegenheitspflicht nicht sagen.

Wohnung glich „Schlachtfeld“

Die Polizei rückte in der Nacht auf Freitag mit Unterstützung der Sondereinheit WEGA zu dem Einsatz in die Krichbaumgasse in Meidling aus. Während ein Passant die 40-Jährige entdeckte, wurde der gleichaltrige Lebensgefährte von den Einsatzkräften in der Wohnung auf der Couch liegend festgenommen. Auch er hatte eine blutende Wunde im Gesicht.

In der Wohnung sah es laut Polizeiaussagen „wie auf einem Schlachtfeld“ aus. Zahlreiche Gegenstände seien zerstört herumgelegen, Wände und Boden waren voller Blutspuren, hieß es. Der 40-jährige Rumäne wurde wegen Freiheitsentziehung und absichtlich schwerer Körperverletzung angezeigt. Er war bisher unbescholten und befindet sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß.

Haus
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Die Tat geschah in der Nacht auf Freitag in diesem Wohnhaus in Meidling

Staatsanwaltschaft: Inhaftierung „unwahrscheinlich“

Die Staatsanwaltschaft teilte am Montag als Reaktion auf die Kritik unterdessen mit: „Dass der Fall so schwerwiegend war, hat uns die Polizei nicht berichtet“, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Und auch die Fotos, die eine verwüstete Wohnung und unzählige Blutspuren zeigen, habe die Staatsanwaltschaft nicht gekannt.

Laut Staatsanwaltschaftssprecherin habe die Polizei nach der Tat von einer leichten Körperverletzung gesprochen, deshalb wurde der verdächtige Lebensgefährte der Frau lediglich auf freiem Fuß angezeigt. Aufgrund der Medienberichte wurde dem zuständigen Journalstaatsanwalt dann aber klar, dass der Übergriff viel heftiger ausgefallen sein muss.

Paar war stark alkoholisiert

Auch nach Sichtung der bisher von der Polizei zusammengetragenen Beweisergebnisse teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit: Dass der Verdächtige nun doch in Haft genommen werden könnte, sei unwahrscheinlich. Das Opfer mache von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, so die Behörde.

Gehsteig
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Das Opfer saß blutend auf dem Gehsteig und wurde von Passanten entdeckt

„Wenn es ein einziges Opfer gibt und dieses Opfer berechtigt ist, sich der Aussage zu entschlagen, dann fällt das gesamte Substrat für die Staatsanwaltschaft weg und das Verfahren wird eingestellt“, sagte Strafverteidiger Nikolaus Rast gegenüber „Wien heute“.

Das Paar hatte laut Polizei Freunde in der gemeinsamen Wohnung zu Besuch. Als diese gegangen waren, gerieten die Österreicherin und der Rumäne in Streit. Über mehrere Stunden hinweg soll der Mann seine Freundin verprügelt haben. „Er schlug auch mit diversen Kochutensilien auf sie ein, bewarf sie mit Gegenständen und würgte sie mit der Stange des Duschvorhangs“, berichtete Polizeisprecher Harald Sörös am Samstag.

Polizei spricht von „gegenseitigen Handgreiflichkeiten“

Mehrere Fluchtversuche der Frau blieben zunächst erfolglos. Sowohl der Mann als auch die Frau waren stark alkoholisiert. Gegen den Mann wurde ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen. Auch die Frau wurde wegen Körperverletzung angezeigt. Denn in der Ersteinvernahme bei der Polizei vergangene Woche behauptete auch der Mann, von seiner Lebensgefährtin im Zuge des Streits mit einer Flasche ins Gesicht geschlagen worden zu sein. Danach sei es zu gegenseitigen Handgreiflichkeiten gekommen.

Bei Untersuchungen, die am Tag nach dem Vorfall im Krankenhaus durchgeführt wurden, stellte sich heraus, dass die Gesichtsverletzungen des Mannes von erheblicher Schwere sind, so die Polizei in einer Aussendung am Montag. Im Sinne einer objektiven Berichterstattung sei es der Wiener Polizei wichtig, darauf hinzuweisen, dass in diesem Fall beide Tatbeteiligten sowohl als „Beschuldigte“ als auch als „Opfer“ geführt werden, hieß es.