Polizeieinsatz Urania
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Klimademo: Ermittlungen gegen acht Polizisten

Bereits dreimal haben Richter des Landesverwaltungsgerichts Wien entschieden, dass die Polizei bei der Auflösung einer Klimademo am 31. Mai 2019 rechtswidrig gehandelt hatte. Gegen acht Polizisten sind noch strafrechtliche Ermittlungen anhängig.

Folgen für die Beamten hatten die gefällten Urteile bisher nicht, disziplinarrechtliche Konsequenzen wurden bisher keine gezogen. Am 31. Mai hatten Aktivisten der Umweltschutzinitiativen „Ende Geländewagen“ und „Extinction Rebellion“ den Ring bei der Urania blockiert. Bei der Auflösung der Blockade kam es zu unverhältnismäßiger Polizeigewalt.

Klimaaktivist freigesprochen

Zahlreiche Verfahren wurden und werden seither geführt. Die Polizei handelte in mehreren Fällen rechtswidrig, stellten die Richter klar. Freigesprochen wurde wiederum ein junger Klimaaktivist, der wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt vor dem Straflandesgericht gestanden war.

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Diese Amtshandlung, festgehalten auf Video, war laut Landesverwaltungsgericht teilweise rechtswidrig

Knapp acht Monate nach dem Vorfall sind die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die involvierten Beamten noch anhängig. Gegen sieben Beamte wird wegen des Verdachts der Körperverletzung und der schweren Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung ermittelt, gegen einen Polizisten wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit, sagte Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, am Mittwoch.

Alle „normal im Dienst“

Bereits im Juni des Vorjahres hatte die Behörde in dieser Causa betont, dass sie sich „ihrer Verantwortung für eine rasche und objektive Aufklärung der einzelnen Vorwürfe bewusst“ sei. Die Landespolizeidirektion Wien zog bisher keine disziplinarrechtliche Konsequenzen. Ein Beamter, der laut Verwaltungsgericht gleich neun Mal auf einen am Boden fixierten Demonstranten eingeschlagen hatte, wurde zwar nach Veröffentlichung eines den Fall zeigenden Videos in den Innendienst versetzt.

Mittlerweile sind laut Daniela Tunst, Leiterin der Pressestelle der Polizei Wien, wieder alle Beamte „normal im Dienst“. Die bisherigen Entscheidungen der diversen Gerichte müssen erst evaluiert werden. Erst wenn alle Verfahren abgeschlossen sind, will die Exekutive „schauen, ob disziplinäre Maßnahmen erforderlich sind“, sagte Tunst. Die Polizei sei jedenfalls „eine lernende Organisation“, bekräftigte die Pressestellen-Leiterin. Erkenntnisse über Fehler werden in weitere Schulungen und Einsatztrainings einfließen, kündigte Tunst an.

DNA-Abstrich rechtswidrig

Feststellungen der Fehler der Polizei zu diesem Einsatz gibt es bereits in den drei Entscheidungen des Verwaltungsgerichts. Betroffene Aktivisten brachten mehrere Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerden gegen die Polizei ein. Eine erste Entscheidung fällte das Verwaltungsgericht im Oktober: Die Entnahme der DNA via Mundhöhlenabstrich sowie ein Handflächenabdruck eines Aktivisten waren rechtswidrig – ebenso die Durchsuchung des Rucksacks des jungen Mannes.

Im Dezember entschied das Verwaltungsgericht in einem weiteren Verfahren, dass die gesamte Amtshandlung gegen einen weiteren Aktivisten rechtswidrig war. Dieser war nach Auflösung der Blockade in Bauchlage fixiert worden, sein Kopf kam in der Nähe eines Polizeiwagens zum Liegen. Als dieser plötzlich anfuhr, wurde er erst im letzten Moment zur Seite gerissen. Danach wurde er stundenlang in Polizeigewahrsam gehalten.

Der Beschwerdeführer hatte laut Urteil des Verwaltungsgerichts demnach kein Verhalten gesetzt, das eine Festnahme durch die Polizei gerechtfertigt hat. Somit waren auch die weiteren Maßnahmen rechtswidrig.

Amtshandlung falsch dokumentiert

Die bisher letzte Entscheidung fällte das Gericht am 7. Jänner – auch hier erklärte sie die Amtshandlung der Polizei für rechtswidrig. In dem Fall ging es um neun heftige Schläge gegen den Oberkörper eines in Bauchlage von mehreren Beamten fixierten Demonstranten. „In die Nieren“ war auf einem Handyvideo zu hören, das nach dem Vorfall veröffentlicht wurde. In diesem Fall entschied die Richterin auch, dass die Polizei die Amtshandlung falsch dokumentiert hat.

Demnach wurden die für das Einschreiten der Polizei maßgeblichen Umstände tatsachenwidrig festgehalten, „sodass ein anderes Bild der Ereignisse erzeugt wurde“, heißt es im Urteil des Gerichts. So hatten die Polizisten fälschlicherweise protokolliert, dass lediglich zwei Schläge abgegeben wurden – anstelle der auch auf dem Videomaterial ersichtlichen neun. „Ob falsche Protokollierungen stattgefunden haben, wird von der Staatsanwaltschaft geprüft“, sagte dazu Bussek.

Amnesty beklagt mangelnde Fehlerkultur

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, beklagte am Mittwoch mangelnde Fehlerkultur bei der Exekutive. Das bisher letzte Urteil in diesem Fall – ein Beamter hatte neun Mal einem von Polizisten bereits am Boden fixierten Aktivisten in die Nieren geschlagen – bezeichnete Patzelt im „Ö1-Mittagsjournal“ als „richtungsweisend und vernichtend“.

Keine Konsequenzen für Polizisten nach Klimademonstration

Obwohl das Gericht bei der Klimademonstration grobe Vergehen der Polizisten festgestellt hat, gibt es für die Beamten keine dienstrechtlichen Konsequenzen.

Die Ursache in der mangelnden Fehlerkultur der Polizei sieht der Amnesty-Chef in der „panischen Angst, dass die Autorität der Polizei leiden könnte, wenn man zugibt, dass etwas auch schief gehen kann“. Doch damit gehe wichtiges Lernpotenzial verloren. Schließlich gebe es gerade in diesem Bereich für eine lernende Einrichtung wie der Exekutive „viel Verbesserungspotenzial, ohne dass es Geld kostet“, sagte Patzelt.

„Wir schauen uns die drei Urteile des Verwaltungsgericht sehr genau an und analysieren die vorgeworfenen Verfehlungen“, sagte Christoph Pölzl, Sprecher des Innenministeriums. "Das werde dann natürlich entsprechend in die Ausbildung einfließen.

Unabhängige Behörde gefordert

Für Patzelt ist die festgestellte falsche Dokumentation ein klares Zeichen, dass es dringend unabhängige Aufklärung braucht. „Ein bissl weisungsfrei im Innenministerium wird nicht genügen“, sagte er. Die Schaffung einer eigenen Behörde, die Misshandlungsvorwürfe gegen Polizeibeamte aufklären soll, ist im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen. Darin sieht Patzelt „einen riesengroßen Schritt in die richtige Richtung.“

Eine solche Behörde fordere er bereits seit knapp 15 Jahren. Gleichzeitig sieht der Experte aber die Gefahr, dass sich diese Stelle, „wenn sich die Wogen geglättet haben unter dem Begriffchen weisungsfrei wieder aus Bequemlichkeit oder Opportunität in irgendeine Sondereinheit im Innenministerium ansiedelt“. „Das wäre mehr als nur eine verpasste Chance“, so Patzelt.

Nehammer: Beschwerdestelle im Innenministerium

Dass aber genau dies eintreten könnte, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) im Pressefoyer nach der Regierungssitzung. Missbrauchsvorwürfe gegen Polizeibeamte sollen künftig von einer unabhängigen Beschwerdestelle im Innenministerium geprüft werden. Er habe den Generalsekretär angewiesen, ein entsprechendes Projekt aufzusetzen, erklärte der Innenminister.

Patzelt forderte im Gespräch mit der APA bei Polizeigewalt-Vorwürfen mit hinreichend Verdachtsmomenten in jedem Fall eine „gerichtlich unabhängige Klärung“ und das nicht nur dann, wenn eine Verurteilung wahrscheinlich erscheint, „um ein sichtbares Signal der Transparenz zu setzten“. Denn Polizisten seien während der Amtshandlung nicht wie normale Bürger zu behandeln, sondern als Organ des Staates. Und dieses Handeln „muss super transparent und kritisch durchleuchtet“ werden.