Cindy Sherman
Un Untitled Film Still #58, 1980
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Kultur

Cindy-Sherman-Schau rückt Identität ins Bild

Das Bank Austria Kunstforum widmet sich mit der Schau „The Cindy Sherman Effect“ der Frage nach Identität und Transformation. Diese dominiert derzeit nicht nur die Popkultur, sondern dringt tief in gesellschaftliche, politische und mediale Debatten ein.

Anhand von rund 80 Werken zeigt die Schau den Einfluss der Amerikanerin auf die aktuelle Kunstproduktion. Und so scharen sich um die Originale der 1954 geborenen Künstlerin allerlei Arbeiten von Sarah Lucas und Pipilotti Rist bis Elke Krystufek und Markus Schinwald. Um die Intimität des Themas zu verstärken, hat Kuratorin Bettina M. Busse sich entschieden, die Eingangssituation in die Ausstellung zu verändern. Statt vom Foyer direkt in die große, opulente Halle zu stolpern, führt sie den Besucher über die Räumlichkeiten des Museumsshops in den hinteren, schmalen Ausstellungsbereich.

Einfluss auf Kollegen

Dort wird man vor einer Zwischenwand von einer der frühesten Sherman-Arbeiten begrüßt: Ihr „Untitled Film Still #2“ aus dem Jahr 1977 zeigt die in ein Handtuch gewickelte Künstlerin vor einem Badezimmerspiegel. Eine Situation, wie sie sich in ähnlichem Setting zwei Jahre später wieder auf dem „Untitled Film Still #39“ wiederfinden wird.

Fotostrecke mit 13 Bildern

Cindy Sherman
Untitled Film Still #2, 1977
Silbergelatineabzug 
37 5/8 x 27 1/2 in. | 95,5 x 70 cm
KUNSTMUSEUM WOLFSBURG
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Cindy Sherman, „Untitled Film Still #2“, 1977
Douglas Gordon
Self-Portrait of You + Me (Richard Burton), 2006
© Studio lost but found/ Bildrecht, Wien 2020
Douglas Gordon, „Self-Portrait of You + Me (Richard Burton)“, 2006
Elke Silvia Krystufek
Day Dream Series, 1996
Courtesy of the artist and Croy Nielsen, Vienna
Elke Silvia Krystufek, „Day Dream Series“, 1996
Cindy Sherman
Untitled #93, 1981
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Cindy Sherman, „Untitled #93“, 1981
Hans, 1995 – Ein Mann sitzt auf einem Barhocker
Catherine Opie
Hans, 1995 – Ein Mann sitzt auf einem Barhocker
Untitled #216, 1989
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Cindy Sherman, „Untitled #216“, 1989
Cindy Sherman
Untitled #112, 1982
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Cindy Sherman, „Untitled #112“, 1982
Cindy Sherman
Un Untitled Film Still #58, 1980
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Cindy Sherman, „Untitled Film Still #58“, 1980
Samuel Fosso
The Liberated American Woman of the 70s, 1997
Samuel Fosso, courtesy Jean Marc Patras, Paris
Samuel Fosso, „The Liberated American Woman of the 70s“, 1997
Cindy Sherman
Untitled Film Still #48, 1979
Courtesy of the artist and Metro Pictures, New York
Cindy Sherman, „Untitled Film Still #48“, 1979
Julian Rosefeldt
Manifesto (Sturtevant), 2015/2017
Courtesy of the artist and KÖNIG GALERIE Berlin, London, Tokyo
Julian Rosefeldt, „Manifesto (Sturtevant)“, 2015/2017
Sophie Calle
“BIRTHDAY CEREMONY (1986)", 1980–1993
Sophie Calle und Bildrecht, Wien 2020
Sophie Calle, “Birthday Ceremony (1986)", 1980–1993
Eva Schlegel
untitled (021), 2003
Eva Schlegel und Bildrecht, Wien 2020
Eva Schlegel, untitled (021), 2003

Welchen Einfluss Shermans Serie auf ihre gleichaltrigen Kollegen sowie die ihr nachfolgenden Künstlergenerationen hat, zeigt Busse in weiterer Folge mit einem Ritt durch die internationale Kunstszene: Sarah Lucas mit ihrer „Composition with Fried Eggs“ ist ebenso vertreten wie Arbeiten der südafrikanischen Fotografin und Aktivistin Zanele Muholi sowie Catherine Opies in den 1990er Jahren entstandene Transgender-Porträts. Das queere Leben in Indien hält die indische Künstlerin Tejal Shah in eindringlichen Fotos fest, die in einer Endlosschleife auf einem Bildschirm wechseln.

Hollywood-Szenen in weißem Hemd

Der Frau als Madonna widmet sich Opie auch in dem verstörenden Selbstporträt „Nursing“, dem Cindy Shermans „Untitled #216“ aus dem Jahr 1989 zur Seite gestellt ist, das eine Madonnen-Puppe mit entblößter Kugelbrust zeigt. Zanele Muholi thematisiert in ihrem Foto „ID Crisis“ das Abbinden von Brüsten oder in „Dada“ das Anschnallen eines Plastikpenisses. Eine Plastikpuppe auf allen vieren, die dem Betrachter ihre offene Scham präsentiert, findet sich bei Sherman in „Untitled #255“ aus dem Jahr 1992.

Candice Breitz
Becoming, 2003
KOW Berlin
Candice Breitz spielt berühmte Hollywood-Szenen nach – der Ton bleibt der originale

Ausstellungshinweis

„The Cindy Sherman Effect. Identität und Transformation in der zeitgenössischen Kunst“ im Bank Austria Kunstforum. 29. Jänner bis 21. Juni.

Einen eigenen Raum widmet Busse der siebenteiligen Installation „Becoming“ von Candice Breitz aus dem Jahr 2003: Auf den frei im Raum platzierten Bildschirmen flackern zusammengeschnittene Filmszenen aus Streifen mit Stars wie Cameron Diaz, Julia Roberts und Meg Ryan. Auf der Rückseite sieht man Videos der Künstlerin, die die Dialogfetzen in weißem Hemd nachspielt. So entsteht ein skurriler Verfremdungseffekt, der dadurch verstärkt wird, dass man über die Kopfhörer jeweils die Originalstimmen der Schauspielerinnen hört.

Reizüberflutung mit TikTok-Ästhetik

Auf die absolute Reizüberflutung setzt schließlich Ryan Trecartins Video „The Re’Search“ (2010), in dem der Künstler nicht nur die TikTok-Ästhetik von heute vorwegnimmt, sondern auch den permanenten Selbstdarstellungszwang von Influencern künstlerisch verfremdet in den Fokus rückt. Ob Cindy Sherman diese Auseinandersetzung mit ihrem Werk selbst sehen wird, ist laut Kuratorin Busse noch offen.