Politik

Studie: Höhere Sozialhilfe zieht Flüchtlinge an

Die Höhe der Sozialhilfe beeinflusst die Wohnortentscheidung von Asylberechtigten. Darauf deutet eine Studie zweier Ökonomen hin. So führte die Kürzung der Mindestsicherung 2017 in Niederösterreich dazu, dass mehr Asylberechtigte nach Wien zogen.

Fanny Dellinger von der Uni Innsbruck und Peter Huber vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) untersuchten, wie sich die Kürzung der Mindestsicherung in mehreren Bundesländern auf die Wanderbewegungen innerhalb Österreichs ausgewirkt hat. Das noch unveröffentlichte Arbeitspapier, über das teilweise schon am Donnerstag „Der Standard“ berichtete, befindet sich derzeit im Endfertigungsprozess, die Teilergebnisse würden noch geprüft, hieß es aus dem WIFO.

Daten von 21.000 Flüchtlingen ausgewertet

Dellinger und Huber werteten Daten von über 21.000 Menschen aus, die zwischen 2010 und 2018 nach Wien gekommen sind und entweder als anerkannte Flüchtlinge oder als subsidiär Schutzberechtigte bleiben durften. Untersucht wurde nur das Verhalten von Menschen, die gerade erst Asyl erhalten hatten.

Laut den Zeitungsberichten über die Studie zogen nach der Kürzung der Mindestsicherung in Niederösterreich für Flüchtlinge (von 837 Euro auf 522 Euro) um fast ein Fünftel mehr Flüchtlinge nach Wien als davor. Insgesamt seien im Jahr 2017 von 100 Flüchtlingen in Niederösterreich 42 innerhalb der ersten Monate nach Asylzuerkennung in die Bundeshauptstadt übersiedelt, wo sie die Mindestsicherung in voller Höhe beziehen können.

Deutschkurse und billige Wohnungen als Anziehungspunkt

Aus den bisherigen Ergebnissen geht laut den Medienberichten aber auch hervor, dass nicht nur das Geld für die Wohnortentscheidung eine Rolle spielt. Die Kürzung der Sozialhilfe für Flüchtlinge im Burgenland 2017 führte beispielsweise nicht zu einer Abwanderungswelle, sondern es blieben danach sogar mehr Asylberechtigte im Burgenland als davor.

In Bundesländern, in denen es ausreichend Deutschkurse gab, günstige Wohnungen vermittelt wurden oder Unternehmen und Bevölkerung um Integration bemüht waren, blieben die Flüchtlinge. Beispiele dafür sind Tirol und Vorarlberg, wo die Abwanderungsraten im einstelligen Prozentbereich liegen.

Wiener ÖVP und FPÖ sehen sich in ihrer Kritik bestätigt

ÖVP und FPÖ sehen sich durch die am Donnerstag bekanntgewordene Studie zum Zusammenhang zwischen der Höhe der Sozialhilfe und der Wohnortentscheidung von Asylberechtigten bestätigt. Beide Parteien bekräftigten ihre Forderung nach einer Reform der Mindestsicherung in Wien. „Durch die fehlgeleitete SPÖ-Politik in Wien steigt die Zuwanderung ins Wiener Sozialsystem“, sagte der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel laut einer Aussendung. „Wien muss endlich ein vernünftiges und wirkungsvolles Gesetz umsetzen“, forderte er.

Die Studie zeige, dass „die Reise in Sachen Mindestsicherung in die falsche Richtung gegangen ist“, befand auch FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung. Das unter Türkis-Blau beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz müsse in allen österreichischen Bundesländern umgesetzt werden. Die „vom VfGH monierten Änderungen“ wären in einer Novelle leicht durchzuführen. Die FPÖ will das Thema im nächsten Sozialausschuss am 5. März auf die Tagesordnung bringen.

Auch der geschäftsführende Landesparteiobmann der Wiener FPÖ, Dominik Nepp, sieht durch die Studie „die jahrelange Kritik der FPÖ, dass Rot-Grün, mit Bürgermeister Ludwig an der Spitze, aus Wien ein Mekka für integrationsunwillige Sozialzuwanderer gemacht hat“, bestätigt. Neben der SPÖ sei dafür auch die ÖVP verantwortlich, findet Nepp: Denn diese sei „umgefallen“ und wolle mit den Grünen auf Bundesebene zurück zum alten Mindestsicherungssystem, so Nepp.

Ludwig: „Höhe der Mindestsicherung nur ein Grund“

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verteidigte die Wiener Lösung im „Wien heute“-Interview. „Es gibt mehrere Gründe, warum Asylsuchende in Großstädte kommen. Da ist die Höhe der Mindestsicherung nur ein Grund, das sind vor allem die Integrationsmaßnahmen.“ Die Schlussfolgerung der Studie sei deshalb nicht ganz treffend, meint Ludwig. Das Ziel der Wiener Stadtregierung sei, die Lebensumstände der Asylsuchenden zu erschweren, indem man finanzielle Unterstützung kürzt.

Integrationsministerin warnt vor Parallelgesellschaften

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) hat in Reaktion auf die Studie über den Zusammenhang zwischen der Höhe der Sozialhilfe und der Wohnortentscheidung von Asylberechtigten vor „der weiteren Bildung von Parallelgesellschaften in Ballungsräumen“ gewarnt.

„Die Ergebnisse der aktuellen Studie zu Pull-Faktoren für Flüchtlinge zeigen, dass es unser Ziel sein muss, dass Flüchtlinge dorthin gehen, wo sie Arbeit finden und nicht, wo die Sozialhilfe am höchsten ist“, so die Integrationsministerin. „Vor dem Hintergrund, dass Wien die höchste Arbeitslosenquote hat und der Bedarf an Arbeitskräften im Westen sehr hoch ist, ist das der einzige Weg“, sagte Raab in einer Aussendung.