EVN-Zentrale in Maria Enzersdorf
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
Politik

Wirbel um Stadtwerke-Beteiligung an EVN

Die Wiener Stadtwerke steigen mit 28,35 Prozent bei der niederösterreichischen EVN ein. Das sorgt für politischen Wirbel in Wien. Viel Kritik an der Beteiligung kam von der Opposition.

Am Mittwoch war die Meldung der internationalen Finanznachrichtenagentur Bloomberg aufgetaucht, wonach die fast 29 Prozent der EVN-Aktien um mehr als 870 Millionen Euro den Eigentümer wechseln sollen. Am Donnerstag wurde der Deal dann offiziell bestätigt – mehr dazu in Wiener Stadtwerke steigen bei EVN ein.

NEOS sieht „Freundschafts- und Vertuschungsachse“

NEOS Wien bekräftigte am Donnerstag, dass die Partei den Einstieg der Wiener Stadtwerke bei der EVN ablehnt. Er sei nach Gesprächen auf der „Freundschafts- und Vertuschungsachse“ zwischen Wien und Niederösterreich besiegelt worden, mutmaßte Wiens NEOS-Chef Christoph Wiederkehr. Wirtschaftlich und strategisch ergebe er keinen Sinn. „Das Geld wäre woanders viel besser zu investieren gewesen“, befand Wiederkehr. Die kolportierte Summe von „unvorstellbaren“ 870 Mio. Euro kritisierte er als zu hoch. Die Stadtwerke selbst nannten keine Details zur Kaufsumme.

Wiederkehr: „Es ist ein schlechter Deal“

Nach Ansicht von NEOS hätten die beiden Bundesländer einen „Geheimdeal“ eingefädelt, um „überteuerte Anteile“ zu kaufen. Dabei wären Investitionen in die Infrastruktur, also etwa in den Solarausbau, sinnvoller gewesen, hieß es. Wiederkehr vermutete, dass die Angelegenheit für die Stadtwerke sogar noch teurer werden könnte.

Denn es könnte ein verpflichtendes Übernahmeangebot für Kleinanleger ins Haus stehen, gab er zu bedenken. Zwar sei das erst ab einem Anteil von 30 Prozent nötig, angesichts der bestehenden Verflechtungen mit der EVN über die EnergieAllianz (die gemeinsame Vertriebstochter von EVN, Wien Energie und Energie Burgenland, Anm.) könnte der Gesamtanteil aber höher liegen.

„Es ist ein schlechter Deal“, hielt der Wiener NEOS-Politiker fest. Auch energiepolitisch seien die engen Verbindungen der Anbieter in Österreich problematisch. Laut Wiederkehr wird kolportiert, dass der deutsche Energiekonzern EnBW wochenlang mit einem anderen Investor über die Übernahme der Anteile verhandelt habe – der offenbar weitreichendere Kontrollrechte verlangt habe. Das sei der Anlass gewesen, dass Niederösterreich mit Wien einen Einstieg vereinbart habe, zeigte sich Wiederkehr überzeugt.

FPÖ fordert Stadtwerke-Ausschuss

Auch die Wiener FPÖ kritisierte am Donnerstag die Beteiligung. Zugleich wurde die zuständige Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) via Pressemitteilung aufgefordert, den Stadtwerke-Ausschuss einzuberufen. Dieser wurde 2015 von Sima konstituiert, habe aber seitdem nicht ein einziges Mal getagt, so FPÖ-Mandatar Udo Guggenbichler, der stellvertretender Vorsitzender dieses Ausschusses ist: „Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, den Ausschuss einzuberufen und den Beteiligungsdeal zu besprechen.“

Die FPÖ Wien spreche sich gegen irgendwelche Beteiligungen der Wiener Stadtwerke an anderen Unternehmen aus: „Wenn die Wiener Stadtwerke 800 Millionen zu viel haben, dann sollen sie diese den Bürgern Wiens zurückgeben – zum Beispiel in Form einer Gebührensenkung. Das würde ich gerne im Ausschuss vorschlagen.“

Energieexperte: „Investment nicht besonders attraktiv“

Unklar ist, was sich die Stadtwerke von dem Kauf genau erwarten. Der frühere E-Control-Chef Walter Boltz meinte: „Rein finanziell ist das Investment nicht besonders attraktiv. Wo potenziell natürlich Vorteile bestehen, ist, dass die EVN stärker im Bereich erneuerbare Energieerzeugung engagiert ist und wahrscheinlich die Potenziale da sind, dass sich die Wiener aktiver beteiligen und dieses Geschäftsfeld erweitern“, so Boltz gegenüber „Wien heute“.

Zum Zeitpunkt des Deals sagte Boltz, dass es einfach „Zeitdruck gewesen ist“, weil der deutsche Energiekonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) seinen Anteil verkauft hat und auch ein Finanzinvestor interessiert gewesen sein soll. „Es hätte eventuell bedeutet, dass die Energieallianz Austria vielleicht nicht fortgesetzt worden wäre“, sagte Boltz. Zudem wäre der Finanzinvestor vielleicht „aggressiver in den Wiener Markt“ hineingegangen, was Wien Energie geschadet hätte.

Den Kauf müssen die Kartellbehörden noch absegnen. Laut Boltz „wird es für die Wettbewerbsbehörde eine Aufgabe sein, festzustellen, warum es welche Vereinbarung im Hintergrund gibt und ob diese Vereinbarung dem Wettbewerb dienen oder dem Wettbewerb schaden“.

Stadtwerke: EVN als strategische Investition

Die Wiener Stadtwerke sehen ihren Einstieg bei der EVN als langfristige Investition und Finanzbeteiligung, um die Pensionen ihrer Mitarbeiter abzusichern. Sie kaufen ein Aktienpaket von 28,35 Prozent vom deutschen Energiekonzern EnBW. Die kurzfristige Aufbringung des Kaufpreises stellt für sie kein Problem dar, die Wiener Stadtwerke verfügen nach eigenen Angaben über ausreichend Liquidität und eine ausgezeichnete Bonität.

Es handle sich um ein ertragreiches Investment in ein stabiles, ertragreiches Unternehmen mit entsprechender Dividende, sagte Generaldirektor-Stellvertreter Peter Weinelt am Donnerstag nach Bekanntgabe der Transaktion zur APA. „Für uns ist das eine wichtige strategische Partnerschaft, um die Pensionen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichern zu können.“

Zum Kaufpreis mache man keine Angaben, betonten EnBW und Wiener Stadtwerke in ihrer Mitteilung. In Medienberichten wurden rund 870 Mio. Euro kolportiert. Die Wiener Stadtwerke werden mit ihrem Einstieg bei der EVN zum zweitgrößten Aktionär nach dem Land Niederösterreich, das mit 51 Prozent Mehrheitseigentümer ist.

Stadtwerke und EVN kooperieren seit Jahrzehnten

Die Wiener Stadtwerke und die niederösterreichische EVN sind schon zwei Jahrzehnte in einer gemeinsamen Vertriebspartnerschaft, der EnergieAllianz, verbunden. Beim Verbund haben die beiden Unternehmen ihre Stimmrechte gebündelt. Nun sind die Wiener Stadtwerke an der EVN durch die Übernahme des EnBW-Anteils auch beteiligt.

Die Wiener Stadtwerke sind Österreichs größter regionaler Energieversorger, zu ihnen gehören neben dem Energiebereich unter anderem auch die Wiener Linien, die Bestattung Wien und die Garagenfirma Wipark. Eigentümer der Wiener Stadtwerke GmbH ist zu 100 Prozent die Stadt Wien. Beschäftigt sind im Konzern mehr als 15.000 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug 2018 über 3,4 Mrd. Euro. Der größte Teil davon stammte mit rund 2,85 Mrd. Euro aus dem Energiegeschäft.

Investiert wurde 2018 fast eine Mrd. Euro. Bis 2023 sind 4,15 Mrd. Euro Investitionen vorgesehen, davon werden rund 1,7 Mrd. Euro in den U-Bahn-Ausbau sowie in neue „Öffi“-Fahrzeuge fließen. 1,343 Mrd. Euro sind für Erweiterungen bei den Wiener Netzen geplant. In erneuerbare Energien sollen 943 Mio. Euro fließen, Schwerpunkt ist dabei die Fotovoltaik. Ausgebaut werden auch die Ladestationen für E-Autos.