Bewohnerinnen und Bewohner eines Pflegewohnhauses
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Chronik

Besuchsverbot in Heimen soll gelockert werden

Das strenge Besuchsverbot in Pensionisten- und Pflegeheimen soll laut Gesundheitsministerium in den nächsten Wochen gelockert werden. Der Druck gegen die Maßnahmen war zuletzt stark gestiegen. Ein Fall landet nun sogar vor dem Bezirksgericht.

Nachdem die Kritik daran zuletzt lauter geworden war, stellte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nach einem Gespräch mit den Sozialreferenten der Länder eine Lockerung in Aussicht – und zwar sollen vom Ministerium „in den nächsten Tagen Empfehlungen erarbeitet“ werden.

Öffnung von Altersheimen gefordert

Seit sechs Wochen dürfen Angehörige ihre Lieben in Pflege und Seniorenheimen nicht besuchen. Auch in den Häusern selbst ist die Bewegung der Menschen dort jetzt sehr eingeschränkt. Das geht auch aufs Gemüt. Der Ruf nach einer Lockerung dieser strikten Maßnahmen wird lauter.

Es sollen „Schritt für Schritt“ Wege gefunden werden, um in den Heimen wieder soziale Kontakte zu ermöglichen, sagte Anschober am Dienstag im Ö1-Morgenjournal. Es sei ein „gemeinsames Suchen mit den Ländern“, welche Maßnahmen (etwa Besuchszimmer und Besuchsboxen) möglich seien, um einen gesicherten Kontakt zu gewährleisten. Dabei stehe aber weiter die „Sicherheit im Mittelpunkt“.

„Viele Empfinden das als Einsperren“

Zuvor hatte es am Dienstag viel Kritik an den Maßnahmen gegeben. Für Patientenanwältin Sigrid Pilz sind die aktuellen Bewegungseinschränkungen oft „überschießend“ und „nicht haltbar“. Und auch der größte Betreiber solcher Häuser in Österreich – das Kuratorium Wiener Pensionistenwohnhäuser – drängte trotz aller Coronavirus-Risiken darauf, Besuche wieder zuzulassen, wie das Ö1-Morgenjournal am Dienstag berichtete.

Die Regeln in den 30 Häusern des Kuratoriums Wiener Pensionistenwohnhäuser sind streng: „Bewohnerinnen und Bewohner dürfen keinen Kontakt mit Angehörigen haben. Zuwiderhandeln haben wir zu ahnden“, sagte Geschäftsführerin Gabriele Graumann. Der Schutz vor Infektion stehe im Vordergrund. Doch nun wünscht sie sich zumindest ein Nachdenken über Lockerungen bei den Besuchsverboten. Denn: „Auch Einsamkeit macht krank – gerade alte Menschen.“ Und weiter: „Natürlich empfinden das sehr viele Bewohnerinnen und Bewohner als Einsperren.“

Nach unerlaubtem Arztbesuch in Isolation

Patientenanwältin Pilz berichtete sogar von Bewohnern, die das Heimgelände kurz verlassen haben und dann in Quarantäne mussten – zwei Wochen isoliert in ihrem kleinen Appartment im Pensionistenwohnhaus: „Ein älterer Herr musste, um seine voranschreitende Augenerkrankung behandeln zu lassen, zum Arzt zu einer Injektion. Und anschließend musste er jeweils 14 Tage in Quarantäne. Das ist nicht akzeptabel“, so Pilz im Ö1-Morgenjournal.

Dass ein Arztbesuch zur Quarantäne in einem ihrer 30 Heime führte, kann sich Graumann nicht vorstellen. Aber sie bestätigte: Wer spazieren gehe, müsse danach durch einen Test nachweisen, dass er oder sie nicht infiziert sei oder zwei Wochen in Quarantäne gehen. Und sie gibt Pilz recht: Die Situation sei in den nächsten Wochen „nicht haltbar“. Auch Besuche müssten wieder erlaubt werden.

Quarantäne für Heimbewohner vor Gericht

Der Fall eines Wiener Pensionisten, der in einem privaten Altersheim trotz zweier negativer Coronavirus-Tests für zwei Wochen in seinem Zimmer isoliert wurde, wird nun in Wien sogar ein Gericht befassen. Auf Basis des Heimaufenthaltsgesetzes wurde laut „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe) ein Ansuchen beim zuständigen Bezirksgericht gestellt. Der Mann war nach einem Spitalsaufenthalt ohne Covid-19-Zusammenhang abgeschottet worden.

Das Bezirksgericht müsse bis Ende der Woche entscheiden, ob die Maßnahme gänzlich, unter Auflagen oder gar nicht zulässig ist. „Es gibt vermehrt Beschwerden von Betroffenen und Angehörigen bei uns“, schilderte Michael Hufnagl vom Vertretungsnetz, das sich für die Wahrung der Rechte von Heimbewohnern einsetzt, gegenüber dem „Kurier“. Er hatte das Ansuchen eingebracht. Um welches Heim es sich handelt, wollte Hufnagl auf Nachfrage von wien.ORF.at nicht sagen.

Strenge Maßnahmen seien zu Beginn der Krise noch einzusehen gewesen, sechs Wochen später seien nun aber „kreative Lösungen gefragt“, wurde Hufnagl zitiert. Heime könnten laut Hufnagl Besucherboxen einrichten, in denen sich – durch eine Plexiglaswand getrennt – Bewohner und Angehörige gegenübersitzen können. Über solche Boxen, in denen Besucher und Pflegebedüftige durch Plexiglas getrennt sind, wurde zuletzt aus anderen EU-Staaten berichtet.

Diakonie und Pensionistenverband für Lockerung

„Wir begrüßen die aktuell angekündigten Lockerungen bei den Besuchsverboten in Pflegeeinrichtungen, da die Menschen unter der Isolation und den Besuchsverboten sehr leiden“, so Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser am Dienstag in einer Aussendung. „Für diese Lockerungen der Besuchsverbote in den Altenheimen ist es sehr wichtig, dass vonseiten der Politik und der Behörden genaue und klare Regelungen festgelegt werden“, so Moser.

Pensionistenverband-Präsident Peter Kostelka wies auf die „enormen“ psychischen Belastungen durch das Verbot hin. Besuche müssten daher „sehr bald unter allen gebotenen Gesundheits- und Sicherheitsauflagen“ wieder möglich gemacht werden. Freilich brauche es ein „kontrolliertes und sicheres Besuchsmanagement“. Für „technisch“ machbar hält Kostelka beispielsweise eigene Besucherräume, Fiebermessungen, Plexiglasschutzwände, Masken, Desinfektionsmaßnahmen etc.

Kritik kam von FPÖ-Chef Norbert Hofer. Anschober stelle einmal mehr seine Eigenschaft als „langsamer Brüter“ unter Beweis. „Mit jedem Tag wird die psychische Belastung der Heimbewohner größer, weil sie von ihren Familien abgeschottet sind“, so der FPÖ-Bundesparteiobmann.

Private Betreiber preschen vor

Einige Betreiber preschten unterdessen schon vor. Die private SeneCura-Gruppe, die nach eigenen Angaben in Österreich 84 Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen mit rund 7.470 Betten und Pflegeplätzen betreibt, kündigte am Dienstag an, „ab sofort“ Möglichkeiten für persönliche Treffen mit Familien und Freunden zu bieten. Die Sicherheit soll durch Vorkehrungen wie Glasscheiben gewährleistet sein.