Lebensmittelnotausgabestelle der Caritas im Caritaslager Mittersteig in Wien
APA/Georg Hochmuth
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Chronik

Caritas hält „Solidaritätsmilliarde“ für nötig

Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie zeigen sich bei der Caritas sehr deutlich. Die Anfragen von Hilfesuchenden haben sich verdoppelt. Es brauche eine „Solidaritätsmilliarde“ für die Schwächsten. Aber nicht nur die Not, auch die Hilfsbereitschaft wächst.

Ein behördlicher „Lock-down“ sollte in Österreich die gesundheitlichen Folgen der Krise möglichst gering halten. Wochen später würden andere Auswirkungen der Krise deutlich, betonte Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien: „Die Gesundheitskrise beginnt, sich für viele Menschen bereits heute zu einer sozialen Krise auszuwachsen. Das macht ein Blick auf die steigende Zahl arbeitsloser Menschen überdeutlich. Auch als Caritas spüren wir die zunehmende Not an den unterschiedlichen Stellen.“

Caritas warnt vor sozialer Krise

Menschen, die ihre Jobs verlieren, Alleinerziehende oder Obdachlose – durch die Corona-Pandemie droht die Gefahr einer sozialen Krise. Die Caritas hat daher ihr Hilfsangebot ausgebaut.

Die Schwächsten trifft es am härtesten

Schwertner berichtete von Menschen, die ihren Job verloren haben und nicht mehr wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, von alleinerziehenden Müttern, die sich von ihren Kindern Taschengeld ausborgen, damit der Kühlschrank nicht leer bleibt, von Mindestpensionisten, die sich Lebensmittel nicht in ausreichendem Maß leisten können. „Und auch für obdachlose Menschen stellt die Pandemie einen harten Stresstest dar. Wir sehen: Die Schwächsten unserer Gesellschaft sind am stärksten von der aktuellen Situation betroffen“, sagte Schwertner.

Corona-Hotline der Caritas

Tel. 05 17 76300

Die Hälfte der Menschen, die bei der Corona-Nothilfe-Hotline anrufen, geben an, dass sie nie geglaubt hätten, jemals von der Caritas Hilfe zu brauchen. Die Caritas traf schon vor Wochen Vorkehrungen und baute ihre Hilfsangebote aus. „Unser Ziel ist klar: Wir müssen einen sozialen ‚Lock-down‘ in Österreich unter allen Umständen verhindern“, so Schwertner. Er ging besonders auf den zeitlichen Aspekt ein. Es gehe jetzt nicht um Tage oder Wochen, sondern um Monate und Jahre. Und zu den Menschen, die schon vor der Krise in Not waren, kommen jene hinzu, die nun unverschuldet neu in Not gerieten.

Lebensmittel-Ausgabe im Caritas-Lager („carla“) Mittersteig in Wien
APA / Georg Hochmuth
Geld reicht oft nicht mehr für den Kauf von Lebensmitteln

„Solidaritätsmilliarde“ für die Schwächsten

Besonders deutlich wird der Bedarf an Hilfe durch die wegen der Krise stark gestiegene Arbeitslosigkeit. Vor der Krise sind in den 36 österreichweiten Sozialberatungsstellen der Caritas knapp 65.000 Menschen pro Jahr beraten worden. Derzeit ist der Bedarf noch größer. „Allein in Wien haben sich zuletzt doppelt so viele Menschen in Not an uns gewandt. Und unsere Caritas-Sozialberatungsstellen waren schon immer Seismografen für gesellschaftliche Entwicklungen“, sagte Schwertner.

In der ersten März-Hälfte gab es rund 900 Kontakte, in der zweiten Märzhälfte waren es bereits knapp 1.800. In den ersten beiden April-Wochen meldeten sich 2.100 Menschen bei der Caritas. Die häufigsten Probleme beträfen ausstehende Mietkosten, zu wenig Geld für Lebensmittel, zu lange Wartezeiten auf zu geringe staatliche Unterstützungen. Schwertner verweist auf die Milliardenhilfe für die Wirtschaft: „Aus unserer Sicht wäre es wichtig, nun nicht nur die Wirtschaft mit milliardenschweren Paketen zu retten, sondern auch die Schwächsten unserer Gesellschaft mit einer Solidaritätsmilliarde zu unterstützen!“

An sechs Notausgabestellen in Wien verteilt die Caritas Lebensmittelpakete unter freiem Himmel. Hauszustellungen sind möglich. Derzeit werden rund 350 Menschen wöchentlich versorgt, mehr als 500 wurden beliefert. Beim Canisibus werden täglich bis zu 200 Portionen ausgegeben, bis Februar waren es maximal 150. Und die Nachfrage steigt.

Nicht nur Not, auch Hilfsbereitschaft wächst

Wenn die Not größer wird, sind auch helfende Hände gefragt. Bei der Caritas meldeten sich in den vergangenen Wochen mehr als 4.000 meist junge Menschen, die bereit sind, rasch und unbürokratisch dort zu helfen, wo akute Notlagen herrschen. Insgesamt ist der Freiwilligenpool von 3.363 im Februar auf 7.363 angewachsen. Die Zahl hat sich also mehr als verdoppelt. Die Freiwilligen würden dringend gebraucht, sie kochen Suppe für den Canisibus, transportieren Lebensmittel oder Essenspakete, helfen beim Einkauf, bauen Möbel in Notquartieren zusammen und geben Essen in den Wärmestuben aus.

„Plaudernetz“

Tel. 05 1776 100

Zu finden sind sie aber auch an den Telefonen der Corona-Nothilfe-Hotline oder des neu eingerichteten „Plaudernetzes“, einer Telefonnummer gegen Einsamkeit und Isolation. Wer unter den Folgen des gesellschaftlichen „Lock-downs“ oder an Einsamkeit leidet, der findet beim „Plaudernetz“ knapp 2.000 Freiwillige in ganz Österreich, die Zeit zum Zuhören haben.