Eine Geige am Mittwoch, 1. Jänner 2020, anl. des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker im Musikverein in Wien
APA/Herbert Neubauer
APA/Herbert Neubauer
Kultur

Runder Tisch soll Kulturzukunft ausloten

Die Stadt Wien lädt am 5. Mai zu einem runden Tisch in Sachen Kultur. Planungsperspektiven für alle Kulturbereiche sollen ausgelotet, bestehender Unmut in Wiens Kulturszene über unklare Bedingungen ausgeräumt werden.

Am 30. April jährt sich der Geburtstag von Franz Lehar zum 150. Mal. Mit seinen Gassenhauern wie „Dein ist mein ganzes Herz“ führte der Komponist die Wiener Operette noch einmal zu einer Hochblüte. 150 Jahre später, in der Zeit der Coronavirus-Pandemie, fristet Kultur ein Dasein als Schattenpflänzchen. Doch mit der Ankündigung, die Ausgangsbeschränkungen mit 1. Mai auslaufen zu lassen, wird auch der Kultur neues Leben eingehaucht. Wie kulturelles Leben in einer Pandemie funktionieren soll, das ist Thema des "Forum Kultur und Gesundheit“. Am 5. Mai mit dabei im Rathaus werden auch Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sein.

Beide wollen seitens der Stadt auch aufgekommenen Unmut in der Kulturszene besänftigen. Grund dafür sind die Lockerungen für die Kultur, weil sie oft ungenau gehalten sind, etwa in der Frage, wer darf wann wieder proben. Man wisse oft nicht, ob es gesetzliche Regelungen oder nur Empfehlungen seien, hieß es aus dem Büro von Kulturstadträtin Kaup-Hasler. Der Runde Tisch soll auch hier Licht ins Dunkel bringen. So will Kaup-Hasler dabei auch klären, welche Veranstaltungen schon im Sommer stattfinden könnten, etwa Freiluftkinos oder das Popfest am Karlsplatz, was erst im Herbst oder heuer gar nicht mehr geht.

„Verschiedene Planungsperspektiven“

Es gehe in einem ersten Schritt um Informationen „aus erster Hand“, sowie um „das Ausloten sämtlicher Möglichkeiten für den Sommer und die Zeit danach“, hieß es gegenüber der APA. Das von der Stadt Wien abgelegte Bekenntnis zu Kunst und Kultur gründe nicht zuletzt auf gegenseitigem Respekt. „Und ein respektvoller Umgang beinhaltet immer das aufeinander Zugehen, das Zuhören und Informieren, sowie ein koordinierendes Handeln“, sagte Kaup-Hasler.

Theater der Einsamkeit: „Hikikomori“ im Wiener TheaterArche
TheaterArche/Jakub Kavin
„Isolationstheater“ zu Pandemiezeiten

Am Forum dürfen maximal 30 Personen teilnehmen. Eingeladen sind u.a. die Museumsdirektoren Bettina Leidl (KunsthausWien) und Matti Bunzl (Wien Museum), Galerist Martin Janda, Kinoverbandspräsident Herbert Dörfler, Daniel Ebner vom Forum Österreichischer Filmfestivals, die Theaterdirektoren Herbert Föttinger (Josefstadt), Franz Patay (VBW) und Roland Geyer (Theater an der Wien), Konzerthaus-Intendant Matthias Naske, Symphoniker-Intendant Jan Nast, Festwochen-Geschäftsführer Wolfgang Wais, Impulstanz-Intendant Karl Regensburger, Christoph Möderndorfer vom Popfest Wien und Ulrike Kuner von der IG Freie Theater.

„Signal der Normalisierung“

Rein ökonomisch sei die Öffnung von zum Beispiel Museen vermutlich wenig sinnvoll, sagte der wissenschaftliche Leiter des Kompetenzzentrums für Nonprofit Organisationen der WU Wien, Christian Schober. Aber als Signal der Normalisierung sei sie besonders wichtig. Gerade jetzt müssten sich eine Gesellschaft und die Politik die Frage stellen, „was ihr wichtig ist“. Für den einen oder anderen, der einsam ist, biete die Öffnung der Museen die Möglichkeit, den Tag anders als in den vergangenen Wochen zu verbringen. Schließlich gebe es in Österreich eine halbe Million Menschen, die tatsächlich alleine sind.

In der Frage, wie stark der Staat künftig zur Rettung der Kultur einspringen müsse, werde es natürlich weiter Verteilungsdiskussionen geben. Hier werde es darum gehen sich durchzusetzen. „Darum müssen sich die Kulturinstitutionen jetzt gut positionieren und zeigen, welchen gesellschaftlichen Mehrwert sie bringen.“ Es sei zu bedenken, „dass Auslastung und Besucheranzahl wenig darüber aussagen, inwiefern dadurch das Leben der Besucher tatsächlich bereichert wurde“, meinte er in Hinblick auf Blockbusterausstellungen. „Quantität ist nicht immer auch Qualität oder gar Lebensqualität.“

Museumsquartier
APA/Thomas Rieder
Das Wiener MuseumsQuartier

Der Mehrwert von Theatern, Museen usw.

Wichtig sei nun aufzuzeigen, wie Besucher von einem kulturellen Angebot profitieren. Neben den vielfältigen positiven Wirkungen auf die Besucherinnen und Besucher sei es auch das „feine Sensorium in der Kunst, was in der Gesellschaft gerade abgeht“, so Schober. Auch die Rolle der Institutionen bei der gesellschaftlichen Inklusion gelte es nun hervorzustreichen. „Das sieht man vielleicht zu selten: was die Kultur für die Teilhabe leistet, indem sie etwa Menschen mit Benachteiligung integriert, sie unterstützt, sich auszudrücken und ihnen so mehr Lebensqualität bringt.“ Das müsse jetzt mehr beachtet werden, wenn es um Argumente geht, die nun im Verteilungskampf nötig sein werden.

Das von vielen Institutionen gebotene und stark angenommene Onlineangebot zeige in dieser Zeit, was er immer vermutet habe. „Menschen sehnen sich nach Kultur. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Situation derzeit großartig. Sie macht deutlich, was im Leben wirklich wichtig ist. Davor musste man immer diskutieren, was es braucht. Heute sieht man was es braucht und vor allem, was fehlt.“ Das reiche von Intensivbetten über den Wert von Freundschaften und Familie bis hin zur Kultur. In der jetzigen Situation sei deutlich geworden, dass das Publikum Kultur brauche. „Das ist ja ein gutes Zeichen.“