Schönes Wetter, viele Passanten und teils Warteschlangen am Eingang: Auf den ersten Blick schien das Re-Opening der großen Geschäfte in Wien geglückt. Ein genauerer Blick zeigte jedoch, dass sich der große Andrang vorrangig auf Elektronikketten und manche Möbelmärkte konzentrierte. Stores anderer Branchen waren aber oft nur mäßig besucht. Der Handel sei noch „weit weg vom Hurra“, urteilt man in der Wirtschaftskammer.
Auf Wiens längster Einkaufsmeile, der Mariahilfer Straße, herrschte am Samstag um die Mittagszeit bereits ordentlich Trubel. Hier liegen viele Geschäfte internationaler Labels, die größer als 400 Quadratmeter sind und deshalb beim ersten Öffnungsschritt des Handels vor zwei Wochen noch geschlossen bleiben mussten. Den großen Ansturm dürften H&M, Peek & Cloppenburg und Co. nach eineinhalb Monaten Schließzeit aber trotzdem noch nicht gehabt haben. In den Filialen war recht viel Platz.
Rolltreppen-Blockabfertigung im Gerngross
Sorge um eine Überauslastung musste man sich in der XXXLutz-Filiale nahe der Stadthalle am Vormittag auch noch nicht machen, wobei dazu gesagt werden muss, dass laut 10-Quadratmeter-Regel bis zu 1.778 Personen gleichzeitig zugelassen seien, wie ein Aushang beim Eingang aufklärte. Zwar war durchaus reges Kundenaufkommen zu beobachten, aber von Gedränge war man weit entfernt – auch in der Gartenmöbelabteilung. Lediglich in den Aufzügen wurde es manchmal enger, weil der Hinweis, dass nach Corona-Vorgaben nur zwei Personen pro Lift erlaubt seien, nicht immer gesehen oder bewusst übersehen wurde.
Auch große Geschäfte wieder betretbar
Nach fast sieben Wochen Corona-Zwangspause durften am 2.Mai auch die größeren Geschäfte und Einkaufszentren wieder aufsperren. Bei manchen war der Ansturm enorm, anderswo ist es ruhiger angelaufen. „Wien heute“ war auf Lokalaugenschein im „Riverside“ in Liesing.
Anders die Situation im – auf der „Mahü“ gelegenen – Einkaufzentrum Gerngross. Nicht nur, dass man dort am Eingang bereits auf Einlass warten musste, gab es zusätzlich bei den Rolltreppen Blockabfertigung. Denn schon in der ersten Etage begann die Warteschlange vor der Saturn-Filiale, die im vierten und fünften Stock beheimatet ist. Die anderen Geschäfte im Gebäude konnten von einem solchen Ansturm am Wiedereröffnungstag indes nur träumen. Selbst beim ansässigen Sportartikelhändler konnte man ohne Anstehen reinspazieren.
Wiens Spartenobmann Rainer Trefelik bestätigte diesen Eindruck. „Bei der Elektronik und bei Ikea hatten wir in Wien heute das Baumarktphänomen“, spielte er auf lange Warteschlangen an, die sich vor zwei Wochen am ersten Öffnungstag von den Heimwerker-Stores gebildet hatten. „Aber ansonsten ist das Sackerlaufkommen noch sehr ausbaufähig“, beschrieb Trefelik die generell noch gebremste Kauflaune der Hauptstädter.
Lugner hat Bankkredite aufgestockt
Geshoppt werden muss weiterhin mit Maske und entsprechendem Abstand. Eine Neuerung gibt es für die Beschäftigten, sie können nun alternativ zur Maske Gesichtsvisiere tragen. Auch Richard Lugner trägt in seiner Lugner City ein Gesichtsvisier. „Die Herausforderung war, dass die Mieter alle keine Miete gezahlt haben oder einen Ersatz wollten, weil sie gesagt haben, dass das Mietobjekt so nicht brauchbar war“, so Lugner im Ö1-Interview. Zur Finanzierung habe er seine Bankkredite aufgestockt, sagte er.
In der Lugner City war die Media Markt-Filiale am besten besucht. Auch dort nahmen Dutzende Menschen langes Anstehen in Kauf, bis sie vom dort postierten Security – wenn genügend Kunden das Geschäft wieder verlassen hatten – eingelassen wurden. Viel los war zudem beim benachbarten Western-Union-Standort, wo viele Leute warteten, um internationale Geldtransfers zu erledigen.
Lugner zeigte sich insgesamt zufrieden: „Die Frequenz ist sehr gut, es ist unerwartet viel los“, sagte er. Ein Zählsystem zur Einhaltung der Regel, wonach pro Kunde zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen müssen, gab es in der Lugner-City nicht. „Das brauchen wir nicht: Denn wir haben pro Tag circa 25.000 Besucher, dürften nach den Vorgaben aber bis zu 45.000 haben“, erklärte der Baumeister. Die Geschäfte selbst setzten freilich sehr wohl auf die Überprüfung der Kundenanzahl, beispielsweise durch die Ausgabe abgezählter Einkaufskörbe oder – wie im Fall eines Schuhgeschäfts – durch limitierte Schuhlöffel.
Wirtschaftkammer: „noch weit weg vom Hurra“
Trefelik meinte ebenfalls, dass die Frequenz in der Stadt recht positiv gewesen sei – „aber wir sind noch weit weg vom Hurra“. Der Kammervertreter rechnet am Samstag mit höchstens 60 Prozent eines herkömmlichen Umsatztages. Trotzdem warnte er vor Rabattschlachten. „Das ist höchstens eine schnelle Liquiditätsbeschaffung, aber keine nachhaltige Krisenbewältigung“, warnte Trefelik. Man müsse sich jetzt Tag für Tag nach oben hanteln, bis sich bei den Kunden das Shopping-Erlebnis trotz Corona-Maßnahmen wieder einstelle.