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Sophia Petschnak
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Wissenschaft

CoV: Keine Übersterblichkeit in Wien

In Wien sind seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie nicht mehr Menschen gestorben als sonst. Zu diesem Ergebnis kommt die städtische Statistikbehörde (MA 23), die alle bisher verfügbaren Daten bis 26. April ausgewertet hat.

„Wir haben keine Übersterblichkeit in Wien bisher“, sagte MA-23-Chef Klemens Himpele im APA-Gespräch. Diese Aussage stimmt für die unter 65-Jährigen genauso wie für den Bevölkerungsteil ab 65 Jahren, der als Covid-19-Risikogruppe gilt. Und sie trifft zumindest bis inklusive der 17. Kalenderwoche, also bis zum 26. April, zu. Darüber hinaus sind die Daten, die die Statistik Austria nun infolge der Coronavirus-Krise erstmals sehr zeitnah und nicht nur jährlich liefert, noch nicht verfügbar.

Für Himpele ist die Frage der Übersterblichkeit in der Nachschau wohl eine der wichtigsten Kennzahlen, „weil man daran erkennen kann, ob etwas übersehen wurde“ – also nicht diagnostizierte Covid-19-Fälle, die erst verzögert in der Sterbestatistik sichtbar werden, und „Kollateralschäden“ beispielsweise durch die wochenlange Drosselung des Spitalsbetriebs. „Man kann sagen, dass das in Wien definitiv nicht der Fall ist“, so Wiens oberster Statistiker: „Die Daten zeigen, dass Wien bisher sehr gut durch die Krise gekommen ist.“

Mortalitätsmonitor der Stadt Wien
Stadt Wien

Simpler Vergleich absoluter Zahlen sinnlos

Um das beurteilen zu können, war eine „saubere Analyse“ nötig. Denn nur absolute Kalenderwochenwerte einzelner Jahre zu vergleichen bringe aufgrund der vielen potenziellen Ausreißer recht wenig. Als Basis für die Interpretation ungewöhnlicher Sterblichkeit dienen der MA 23 Prognoseintervalle. Sie fußen auf der Annahme, dass in Wien die Kurve der Sterbefälle von Jahr zu Jahr immer in etwa gleich verläuft. Dadurch lässt sich für jede Woche des Jahres eine bestimmte Bandbreite an erwartbaren Todesfällen errechnen.

Berücksichtigt ist dabei unter anderem auch, dass durch Grippe im Winter stets mehr Menschen sterben als im Sommer. Liegt die Zahl der tatsächlichen Sterbefälle in Wien in bestimmten Phasen (deutlich) über dem Maximalwert dieses Prognosebands, wird von Übersterblichkeit gesprochen. Rückblickend habe es das bei den Null- bis 64-Jährigen in den vergangenen fünf Jahren (2015–2019) gar nicht gegeben, so Himpele. Bei der höheren Altersschicht (65 plus) komme das aber immer wieder vor.

Extreme Hitze und heftige Grippewelle

Im extremen Hitzesommer 2015 starben in den Kalenderwochen 30 (20. bis 26. Juli) und 33 (10. bis 16. August) 317 bzw. 315 Wiener, die älter als 65 Jahre waren. Prognostiziert wurden für diese beiden Wochen aber je nur rund 200 bis 280 Todesfälle. 2016/17 wiederum fiel die Grippewelle überdurchschnittlich heftig aus. In der ersten Woche des Jahres 2017 zählte Wien 393 Verstorbene über 65 Jahre. Die Zahl lag damit deutlich über den unter Normalumständen erwarteten 235 bis 320 Toten in dieser Altersgruppe.

Die MA 23 hat für das laufende Jahr ebenfalls bereits ein Prognoseband erstellt. „Wir haben die Sterbedaten der Jahre 2015 bis 2019 genommen und kalibriert“, berichtete Himpele. Denn die Erwartungsbandbreite kann nicht einfach von Jahr zu Jahr fortgeschrieben werden, weil sich die Bevölkerungsstruktur durch Faktoren wie die Altersverteilung jährlich ändert und damit Einfluss auf die anzunehmenden Todesfälle hat.

Prognose für 2020 ausgearbeitet

Bis inklusive Kalenderwoche 17 konnten nun bereits die tatsächlichen Sterbefälle in Wien in das jeweilige wöchentliche Spektrum eingetragen werden. Die Werte lagen stets innerhalb der Erwartungen. Daran änderte auch das Coronavirus nichts. Zur Einordnung: Der erste Covid-19-bedingte Todesfall in Wien wurde am 12. März gemeldet, also in Kalenderwoche elf.

Mortalitätsmonitor der Stadt Wien
Statistik wien.gv.at

Seither lagen die Zahlen bei den über 65-Jährigen zwar in der 13., 15. und 16. Woche in der Nähe des jeweiligen Maximalwerts, zuletzt aber sogar wieder im niedrigeren Bereich: Zwischen 20. und 26. April verstarben 238 Personen im Alter von über 65 Jahren. Die MA 23 ging von 214 bis 296 Todesfällen aus. Bei den unter 65-Jährigen waren es 53 Verstorbene bei einem erwarteten Wert zwischen 39 und 77. Die Werte sind im „Mortalitätsmonitor“ der Stadt einsehbar. Dargestellt werden tatsächliche wöchentliche Todesfälle in Wien pro Woche und die prognostizierte Bandbreite.

Die MA 23 wird den „Mortalitätsmonitor“ nun wöchentlich um den jeweils jüngsten verfügbaren Wert aktualisieren. Die Basisdaten, die von der Statistik Austria kommen, hinken allerdings etwas hinterher. Die jeweils neuesten Werte müssen außerdem „zugeschätzt“ werden, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Todesfälle gemeldet und registriert sind. Trotzdem werde das Service nicht zuletzt für den städtischen Coronavirus-Krisenstab eine faktische Grundlage mehr zur laufenden Beurteilung der Lage sein, sagte Himpele.