Verteilzentrum der Post
ORF
ORF
Chronik

Großer CoV-Cluster in Wien

Es gibt einen großen Coronavirus-Cluster in Wien: Die Ansteckungen im Asylheim Erdberg, bei der Post und in einem Liesinger Kindergarten hängen zusammen. Dabei gibt es stets einen Konnex zu Leiharbeitsfirmen. An die 80 Menschen sind allein in Wien infiziert.

Am Samstag meldeten die „Krone“ und Oe24.at, dass die zuletzt entdeckten vielen Fälle von Coronavirus-Infektionen im Post-Logistikzentrum Hagenbrunn sowie im Verteilzentrum Inzersdorf in Wien-Liesing auf Arbeitskräfte von Leiharbeitsfirmen zurückgehen. Die Leiharbeitsfirma soll Asylberechtigte aus einem Flüchtlingswohnheim in Wien-Erdberg vermittelt und in Bussen zur Arbeit gebracht haben, so die beiden Blätter.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bestätigte am Samstagnachmittag den Konnex. Erdberg sei aber höchstwahrscheinlich nicht der Ursprung der Infektionskette. „Dass wir dort als erstes fündig geworden sind, ist reiner Zufall. Wo der rote Faden beginnt, wissen wir nicht. Aber fast alle neuen Fälle in Wien hängen an diesem roten Faden, und wir wollen ihn in seiner gesamten Länge erkennen und analysieren.“

Hacker: „Die Leute gehen nicht in den Krankenstand“

Ein Sprecher Hackers erklärte die Chronologie der entdeckten Infektionen so: Nach positiven Testungen in Erdberg und der Evakuierung aller Bewohner in die Messe Wien Anfang Mai habe die Kontaktrückverfolgung („Contact Tracing“) ergeben, dass fünf Bewohner in Post-Verteilzentren arbeiten und in Kontakt mit ehemaligen Bewohnern sind, die ebenfalls dort beschäftigt sind. Also habe man gezielt bei den Post-Standorten durchgetestet und Fälle entdeckt. Ihre Gemeinsamkeit: Sie sind bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt.

Hacker erklärte, die Stadt habe ihre Teststrategie so geändert, dass man sich gezielt größere Einrichtungen anschaue, anstatt zu warten, bis Betroffene selbst bei 1450 anrufen: „Die Konsequenz ist, dass man mehr sieht, als wenn man nur wartet.“

Das Thema Leiharbeit sieht er in dem Zusammenhang als gröberes Problem: „Die Leute gehen nicht in den Krankenstand, weil sie dann kein Geld mehr bekommen. Sie melden sich nicht, wenn sie krank sind. Da ist es dann natürlich fatal, wenn sie gemeinsam im Firmenbus sitzen oder im Sozialraum.“ Man wolle sich das Thema Leiharbeit und prekäre Beschäftigung nun in Wien genauer anschauen bzw. durchtesten.

Post-Verteilzentren als Coronavirus-Cluster

Die Paketzustellung durch die Österreichische Post ist in Wien und weiten Teilen des Umlandes derzeit verspätet. Grund sind das hohe Paketaufkommen und zahlreiche Coronavirus-Infektionen. Die Situation sei vergleichbar mit Weihnachten, hieß es.

Kindergartenmitarbeiterin mit Leiharbeiter verheiratet

In diesem Cluster liegt übrigens auch der derzeit wegen eines Coronavirus-Falls geschlossene Kindergarten in Wien-Liesing. Die dort positiv getestete Mitarbeiterin ist mit einem der infizierten Leiharbeiter verheiratet, hieß es aus Hackers Büro. In dem Kindergarten wurde bisher ein Kind positiv auf das Coronavirus getestet.

„Es ist rund ein Drittel der Testergebnisse der Kinder da. Bisher gab es nur den einen Fall“, sagte Andreas Huber vom Krisenstab der Stadt gegenüber wien.ORF.at. Wann die restlichen zwei Drittel der Ergebnisse vorliegen sollen, konnte Huber nicht sagen. Das hänge von den jeweiligen Labors ab.

Zeitung: Verteilzentren „völlig lahmgelegt“

Was die zwei größten Logistik- und Verteilzentren der Post in Ostösterreich betrifft, so seien diese „seit Freitag völlig lahmgelegt“, hieß es auf Oe24.at. Es türmten sich „bereits 250.000 Pakete, die nicht mehr ausgeliefert werden können“. Im Verteilzentrum Inzersdorf sollen bereits 78 Beschäftigte positiv getestet worden sein, in Hagenbrunn 68.

Markus Leitgeb, Sprecher der Post AG, bestätigte auf APA-Anfrage, dass die Post zur Deckung von Spitzen im Paketaufkommen „punktuell auch Leiharbeiter“ einsetze. Grundsätzlich versuche man aber, den Bedarf möglichst mit eigenem Personal zu decken. Über den Background der eingesetzten Leiharbeiter könne er nichts sagen, weil er ihn nicht kenne. „Es gelten aber für alle die gleichen Sicherheitsregeln“, auch in Sachen Coronavirus, betonte er.

Bundesheer verteilt nun Post in Hagenbrunn

In Hagenbrunn traten Samstag um 18.00 Uhr 280 Bedienstete des Österreichischen Bundesheeres ihren Dienst im Rahmen der von der Österreichischen Post AG angeforderten Unterstützungsleistung an. Soldaten sowie Zivilbedienstete vom Kommando Streitkräftebasis aus Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich und Wien ersetzen für zwei Wochen die komplette Mannschaft der Post in der Logistikhalle, teilte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mit. Unter Einhaltung höchster Sicherheitsmaßnahmen sollen sie u. a. Pakete sortieren und Lkws beladen.

Das Heer tut jedenfalls alles, um weitere Ansteckungen zu verhindern: Am Freitag hatte ein Erkundungsteam, bestehend aus ABC-Abwehr und Kommando Streitkräftebasis, mit einem Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die Lage beurteilt. Am Samstag rückte eine Kompanie des ABC-Abwehrzentrums aus Korneuburg zur Unterstützung bei der Desinfektion des rund 20.000 Quadratmeter großen Gebäudes an.

Die ABC-Experten werden auch zwischen den Dienstschichten immer wieder alle Oberflächen mit Desinfektionsmittel putzen. Alle Soldaten und Bediensteten sind mit einem Mund-Nasen-Schutz ausgestattet. Pro Schicht sind rund 90 Soldaten und Bedienstete eingeteilt, die immer in den gleichen Diensträdern und Kleingruppen eingesetzt werden.

In Inzersdorf noch kein Bundesheer bei Post

In Inzersdorf ist das Heer bisher nicht aktiv – was allerdings keineswegs eine Entscheidung der Stadt gewesen sei, betonte Stadtrat Hacker. „Der Generaldirektor der Post hat mir persönlich gesagt, dass er die Unterstützung des Bundesheeres nur in Niederösterreich braucht. Wenn das auch in Wien so sein sollte, werde ich dem mit Vergnügen nachkommen.“

Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Infektionen war in Wien von Freitagfrüh auf Samstagfrüh um 48 gestiegen. Damit waren mit Stand Samstag, 8.00 Uhr, bisher 2.934 positiv befundete Tests zu verzeichnen. Die neuen Ansteckungen kämen hauptsächlich aus dem Umfeld der Post-Mitarbeiter, die sich in den Verteilzentren Inzersdorf und Hagenbrunn angesteckt haben, sagte Krisenstab-Sprecher Huber. Letzteres liegt zwar in Niederösterreich, viele Beschäftigte hätten ihren Wohnsitz allerdings in Wien, erklärte Huber.