Chronik

Politisches Hickhack um CoV-Cluster

Der in Wien entdeckte CoV-Cluster mit über 80 Infizierten beschäftigt Gesundheitsbehörden und Politik. Laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) habe der Cluster nichts mit Flüchtlingen zu tun. Dem ÖVP-Innenminister warf er ein Ablenkungsmanöver vor.

Fest steht bisher: Die Fälle im Asylheim in Erdberg, im Kindergarten in Liesing und in den Postpaketverteilzentren in Hagenbrunn und Inzersdorf hängen insofern zusammen, als die Infektionen über die Beschäftigten von Leiharbeitsfirmen weitergegeben wurden.

Laut Stadt Wien sind offenbar aus Erdberg vor allem Personen betroffen, die als Leiharbeiter bei der Post tätig waren bzw. in weiterer Folge Personen, zu denen sie Kontakt hatten. Von mehr als 1.000 Tests in verschiedenen Asyleinrichtungen in der Stadt waren 34 positiv. Dabei sei ein Konnex in Sachen Leiharbeit erkennbar gewesen, hieß es aus dem Büro des Gesundheitsstadtrates.

Nehammer bietet Wien Polizisten für Tracing an

Und jetzt kommt die Politik ins Spiel: „Es zeigt alles nach Hagenbrunn“, sagte Hacker im Gespräch mit der APA. Dies habe die genaue Betrachtung der jüngsten Zahlen – viele der in Hagenbrunn tätigen Arbeiter leben in Wien – ergeben. Leiharbeit sei offenbar diesbezüglich ein großes Problem. Mit Flüchtlingen habe dies nichts zu tun. Denn die meisten Fälle etwa in der Unterkunft in Erdberg ließen sich auf die Postverteilzentren zurückführen – und nicht umgekehrt.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte Wien am Sonntag erneut die Unterstützung der Polizei beim sogenannten Tracing, also dem Verfolgen der Fälle, angeboten. „Dieser dramatische Fall zeigt, dass es mehr braucht, als bisher getan wurde. Ich habe dem Wiener Bürgermeister mehrmals Hilfe beim Containment angeboten, um das Virus einzugrenzen. Spätestens jetzt wäre es Zeit, diese anzunehmen. Wir müssen jetzt zusammenhelfen“, betonte er.

Ihm gehe es um die Information der Infizierten und Verdachtsfälle sowie die Überwachung der Quarantänemaßnahmen etwa bei Flüchtlingen, sagte er. "Es reicht nicht aus, Migranten einfach nur einen Zettel in die Hand zu drücken, um sie als Verdachtsfall zu informieren. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Quarantäne dann überhaupt eingehalten wird. Im Wiener Rathaus wurde am Sonntag jedoch einmal mehr betont, dass man die Unterstützung der Exekutive als nicht nötig erachte.

Post-Cluster als politischer Aufreger

Der Coronavirus-Cluster rund um die Postverteilzentren wird zum politischen Aufreger. Die ÖVP schießt sich auf die Stadt ein.

Hacker spricht von Nehammers „glorreicher Rolle in Ischgl“

Mit harscher Kritik meldete sich am Sonntag auch die Rathaus-Opposition. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp sprach dabei von „Corona-Asylanten“. Der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch forderte Gesundheitsstadtrat Hacker auf, endlich „aktiv gegenzusteuern“.

Die Kritik von FPÖ und ÖVP wertete Hacker als „Wien-Bashing“ im Wahlkampf. In diese Diskussion wolle er sich nicht hineinziehen lassen: „Weil mir das zu blöd ist.“ Innenminister Nehammer wolle wohl ablenken von Niederösterreich, „wo die Infektionszahlen ansteigen, sowie von seiner glorreichen Rolle in Ischgl“.

Die Unterstützung der Gesundheitsbehörden sei überdies die gesetzliche Verpflichtung der Exekutive, gab Hacker zu bedenken. Man nehme diese Hilfe bereits in Anspruch. Contact-Tracing durch die Kriminalpolizei sei jedoch nicht nötig, versicherte er. „Der Innenminister soll sich viel mehr Sorgen machen, dass an der Grenze nicht kontrolliert wird.“ Offenbar sei es etwa möglich, dass Personen aus Kroatien ohne Kontrollen einreisen, berichtete Hacker.

Er plädierte darüber hinaus auch für eine Diskussion über Leiharbeit. Denn auch die Post – auch wenn deren Verteilzentren nun stark betroffen seien – sei nicht unmittelbar dafür verantwortlich zu machen. Vielmehr sei es ein Problem, dass Personen, die als „neue Selbstständige“ auf Abruf arbeiten würden, sozial nicht abgesichert seien.

Hacker will Diskussion mit Anschober

Der Cluster in Sachen Post ist laut Hacker nur erkannt worden, weil Wien genauer hinschaue: „Wir bringen Licht in den Schatten.“ Dabei habe man entdeckt, dass nur zehn Prozent der Fälle symptomatisch waren. Beim Rest sei die Infektion offenbar sehr leicht verlaufen. Dies sei eine neue Erkenntnis, versicherte Hacker. Man stehe vor keinem neuerlichen „Ausbruch“, sondern die gestiegenen Zahlen ergäben sich daraus, dass punktuell sehr intensiv untersucht werde.

„Vergleichbares würde man in ganz Österreich finden“, zeigte sich der Ressortchef überzeugt. Nötig sei darum nun auch, mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in eine Diskussion zu treten. Es werde eine Debatte über die statistischen Zahlen geben müssen.

Hacker hatte am Sonntag auch angekündigt, nun verstärkt die Arbeitgeber von Leiharbeitern ins Visier zu nehmen. Dort soll verstärkt getestet werden. Auch Auftraggeber derartiger Unternehmer, also Firmen, die Leiharbeiter beschäftigen, werden intensiver untersucht.

„Kann aber schwarze Schafe geben“

Unterdessen bestätigte der Chef einer betroffenen Leiharbeitsfirma gegenüber „Wien heute“, dass bei ihm „drei Arbeiter positiv getestet worden sind“ und es einen Verdachtsfall in seinem Unternehmen gibt. „Die sind in Quarantäne und bekommen Geld weiter bezahlt.“ Er bestreitet vehement, dass seine Mitarbeiter nicht in Krankenstand gehen können. „Wie in jeder Branche kann es aber schwarze Schafe geben.“

Das Leihpersonal diene bei der Post zur Spitzenabdeckung, und es gebe einen Werksbus, der vom Kagraner Platz nach Hagenbrunn fährt. In seiner Firma hatten die Leute, die für die Post arbeiten, keinen Kontakt zu Leiharbeitern, die bei anderen Kunden beschäftigt sind, sagte der Mann. Er wisse nichts davon, ob seine Beschäftigten Nähe oder Kontakt zur Erdberger Asylunterkunft haben.

Viele der Mitarbeiter kämen aus Afrika. „Die haben in den letzten Wochen 500.000 Packl geschupft, und jetzt sollen sie Schuld an Corona sein? Man sollte den Leiharbeitern und den Arbeitern der Post dankbar sein, dass sie in der Corona-Zeit die Paketzustellung aufrechterhalten haben“, betonte der Mann.

Post: Maßnahmen in Werksbussen getroffen

Anders als im Postverteilzentrum in Hagenbrunn bei Wien kommt jenes in Inzersdorf vorerst noch ohne Unterstützung des Bundesheeres aus. Laut einem Post-Sprecher werde die Zustellung der Pakete in Wien noch einige Zeit „um ein bis zwei Tage“ verzögert sein. Wie viele Leiharbeiter beschäftigt sind und wie viel sie verdienen, konnte der Sprecher nicht sagen. Das geschehe immer tageweise. „Es gelten alle üblichen arbeitsrechtlichen Richtlinien.“

Der Sprecher bestätigte, dass es „mehrere Werksbusse gibt“. Man habe seit Beginn der Coronavirus-Krise Maßnahmen getroffen, wie etwa höhere Intervalle, die Maskenpflicht und Abstandsregeln.

26 neue Infektionen in Wien

In Wien sind mit Stand Sonntag (8.00 Uhr) insgesamt 2.960 Erkrankungen mit dem Coronavirus bestätigt. Das ist ein Zuwachs von 26. Neue Todesfälle wurden nicht gemeldet. Die Zahl der mit dem Virus in Zusammenhang stehenden Verstorbenen beträgt somit unverändert 144. Insgesamt 2.199 Personen seien bereits wieder genesen, hieß es.

Bei den neuen Fällen handle es sich vor allem um Familienangehörige bereits infizierter Menschen, wurde auf APA-Anfrage erläutert. Ob sie einen Konnex zu Leiharbeitsfirmen aufweisen, war vorerst noch offen.