Innenminister Karl Nehammer
APA/Helmut Fohringer
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Politik

Ludwig fordert Ordnungsruf für Nehammer

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will sich nach der neuerlichen Kritik an Wien durch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) „diesen Umgang nicht gefallen lassen“. Er hat Bundeskanzler Sebastian Kurz aufgerufen, Nehammer einen Ordnungsruf zu erteilen.

Die in den vergangenen Tagen verwendete Terminologie seitens des Innenministeriums sei aus Wiener Sicht nicht nachvollziehbar. „Wenn die selbst ernannte Flex des Bundeskanzlers davon spricht, er muss Wien vor einem Tsunami bewahren oder er möchte jetzt einen Wellenbrecher vor Wien errichten, frage ich mich: Aufgrund welcher Indizien, aufgrund welcher Zahlen wird eine solche Terminologie verwendet?“, zeigte sich Ludwig verärgert. In den vergangenen 24 Stunden habe es 25 neue Infektionsfälle gegeben, am Tag zuvor waren es 17 – „und das in einer Stadt mit fast zwei Mio. Einwohnern“.

Ludwig erinnerte daran, dass es in den vergangenen Wochen und Monaten „auch anderswo in Österrerich Situationen“ gegeben hätte, „wo wir da und dort mehr als 25 Infizierte gehabt haben. Ich könnte mich nicht erinnern, dass der Herr Innenminister hier mahnend aufgetreten wäre, seine Stimme erhoben hätte oder sogar Maßnahmen gesetzt hätte“, so Ludwig. Wer die Bundesregierung kenne, wisse auch, dass Nehammers fortgesetzte Kritik nicht ohne Absprache mit Kurz passiere. Ludwig forderte den Bundeskanzler auf, „für Ordnung in seiner Bundesregierung zu sorgen“.

Ludwig fordert Ordnungsruf vom Kanzler

Das Hick-Hack um die Wiener Corona-Situation geht weiter. Bürgermeister Ludwig fand scharfe Worte und fordert einen Ordnungsruf vom Bundeskanzler.

Hacker lobt Zusammenarbeit mit Polizei

Die Zusammenarbeit mit der Polizei in Wien funktioniere „völlig lückenlos und problemlos“, betonte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Wenn große Häuser unter Quarantäne gestellt würden, sei es überhaupt keine Frage, dass die Stadt die Unterstützung der Polizei brauche und auch bekomme. Die Stadt verzichtet aber auf Kontrolle der Heimquarantäne durch Polizisten: „Das ist Aufgabe der Gesundheitsbehörden“, sagte Hacker.

Innenminister Karl Nehammer mit BK-Chef Gerhard Lang
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Nehammer präsentierte eigentlich mit Bundeskriminalamt-Chef Gerhard Lang die aktuellen Kriminalitätszahlen

Nehammer: „Wellenbrecher statt Wahlkampf“

Nehammer hatte zuvor sein Angebot an die Stadt Wien erneuert, Contact Tracing mithilfe der Polizei durchzuführen, um „rasch Infektionsketten durchzubrechen“. „Das muss unser gemeinsames Ziel sein“, so Nehammer, der am Montag noch von einer „Mahnung an die Stadt Wien“ gesprochen hatte. Der Anstieg des Reproduktionsfaktors über eins sei „besorgniserregend“. „Wir müssen das wieder runterbringen.“

Den Vorwurf, dass er mit seiner Kritik an die rot-grün-regierte Stadt Wahlkampf betreibe, wies Nehammer zurück. „Die Diskussion der letzten Tage war ein wenig aufgeregt. Ich stelle nur ein Hilfsangebot an die Stadt Wien.“ Ihm gehe es nicht um „politische Spielchen“, er habe als ÖVP-Generalsekretär genug Wahlkämpfe erlebt. „Mein Bedarf und Bedürfnis nach Wahlkämpfen ist absolut gestillt.“ Da 60 Prozent der Neuinfektionen in Wien passieren, brauche es „einen Wellenbrecher“, damit eine zweite Welle „uns nicht wieder die Normalität nimmt“. Die Gefährlichkeit des Virus sei noch nicht vorbei.

ÖVP-Wien-Chef Blümel gibt sich zurückhaltend

Der designierte ÖVP-Spitzenkandidat für die Wien-Wahl im Herbst, Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), reagierte am Rande einer Pressekonferenz auf das Hickhack zwischen Innenministerium und der Stadt Wien vergleichsweise zurückhaltend. „Ich glaube, dass wir alle gemeinsam ein Interesse haben sollten in Österreich, nämlich eine zweite Welle zu vermeiden. Da sollten wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass wir das auch zusammenbringen. Ich glaube, es hat niemand ein Verständnis dafür, wenn man Probleme unter den Tisch kehrt, deswegen glaube ich, dass es gut ist, wenn man gemeinsam an Lösungen arbeitet.“

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) mahnte angesichts des ziemlich großen Covid-19-Clusters in je einem Postverteilerzentrum in Niederösterreich und Wien, dass sich alle Firmen in Österreich, so auch Leiharbeitskräfte, an die Regelungen zu halten hätten. „Sollte hier etwas nicht kommuniziert werden, hält sich mein Verständnis absolut in Grenzen, und dann muss es auch strenge entsprechende Maßnahmen geben. Dasselbe gilt für die zuständigen Behörden. Die sind aufgefordert, natürlich die entsprechenden Maßnahmen zu treffen, und das in jedem Bundesland, so auch in Wien“, sagte die Ministerin.

Streit schwelt seit Tagen

Bereits seit einigen Tagen äußerte Innenminister Nehammer Bedenken am Plan der Stadt und bemängelte die Kommunikation zwischen Stadt und Bund. Hacker hatte am Montag hingegen den Krisenstab im Innenministerium infrage gestellt: „Das Epidemiegesetz schreibt klar vor, dass der zuständige Minister allein der Gesundheitsminister ist. In Wirklichkeit ist es ein bisschen merkwürdig, dass es neben dem großen Stab im Gesundheitsministerium einen gleichrangigen Stab im Innenministerium gibt“, so Hacker in „Wien heute“.

Anschober fordert Zusammenarbeit

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat mit einem Appell zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Coronavirus-Clusters in Wien und Niederösterreich indirekt ein Ende des Streits zwischen der Stadt Wien und dem Innenministerium gefordert. Außerdem kündigte der Minister in einer Aussendung an, zur nächsten gemeinsamen Arbeitssitzung zum Cluster auch das Innenministerium einzuladen.

Der Gesundheitsminister zeigte sich mit der aktuellen Entwicklung zufrieden, denn die Zahlen würden weiter sinken. „Die Richtung stimmt also weiterhin, wir müssen die Strategie konsequent fortsetzen und überall dort, wo es zu einzelnen Ausbreitungsclustern kommt, diese schnell und konsequent eingrenzen. Dafür haben wir ‚Containment 2.0‘ mit schnellen Testungen und einer neuen Teststrategie sowie raschem Kontaktpersonenmanagement entwickelt“, so Anschober in einer Aussendung.