NEOS-Gründer Matthias Strolz im „Wien heute“-Studio
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Strolz: „Politik ist ein brutales Geschäft“

Nachdem sich NEOS-Gründer Matthias Strolz aus der Politik zurückgezogen hat, fehlt ihm diese nicht, sagt er im Gespräch mit „Wien heute“. Politik sei heute ein „brutales Geschäft, ein sehr verletzendes Feld“.

2012 gründete Strolz die NEOS, ein Jahr später kam die Partei in den Nationalrat. Finanzielle Unterstützung gab es immer wieder von Hans Peter Haselsteiner. 2015 schafften die NEOS bei der Wien-Wahl den Einzug ins Rathaus. Strolz polarisierte während seiner aktiven Zeit als Politiker. Er wolle Flügel heben, Chancen schaffen und Mut machen, wie er betonte. Dass er Bäume umarmt und die Natur genießt, daraus machte der Vater von drei Töchtern kein Geheimnis.

„Mit Anlauf eine auf das Schienbein klopfen“

Er sei jetzt Unternehmer, in Ehrenämter engagiert, Coach und Autor und auch in einem Start-Up dabei. „Also es wird mir nicht fad“, sagte Strolz im "Wien heute-Studiogespräch. Auf die Frage, ob ihm die Politik fehlt, meinte er: „Nein, in dem Sinn nicht. Ich habe das Gefühl, ich mache noch immer Politik, aber in anderer Form. Wenn ich mein Buch in Graz präsentiere, dann kommen 400 Leute. Als Politiker, wenn ich in Graz war, dann war das super, wenn 50 Leute gekommen sind.“

Die Politik bezeichnete er als „ein brutales Geschäft“ und „ein sehr verletzendes Feld“. In keiner anderen Branche wache der Mitbewerber in der Früh auf und frage sich, wie er der Konkurrenz „heute mit Anlauf eine auf das Schienbein klopfen“ könne. In der Politik passiere das. „In US-Wahlkämpfen investieren mittlerweile am meisten Geld in Feindbeobachtung und Negativ- und Dirty Campaigning. Und wir übernehmen diese Dinge zusehends. Das heißt es geht extrem viel Aufwand in die Frage, wie kann ich meinen Mitbewerber beschädigen. Und das macht was mit den Leuten“.

Strolz-Interview – Langfassung

Politiker würden dann beginnen sich einen Schutzpanzer anzulegen, damit sie nicht so leicht verletzbar sind. „Das ist sinnvoll, aber gleichzeitig verlieren sie dadurch den Kontakt zu sich selbst, es kommt nichts mehr an sie heran. Sie werden zynisch, manche drücken es nur mit Drogen aller Art durch. Die Verführungen sind immens, auch materieller Art. Wir haben es ja zuletzt gesehen, dass die Leute anfällig werden für Korruption“, so Strolz. Er glaubt, dass Politiker spätestens nach zehn Jahren, wenn sie ihren Beitrag geleistet haben, ihre Funktion zurücklegen sollten. „Man ist ersetzbar.“

„Spechtle ein bisschen“ zu NEOS hin

Wie es den NEOS geht und wie es für die Wien-Wahl ausschaut, interessiere ihn schon. „Ich spechtle ein bisschen aus dem Augenwinkel hin. Ich bin aber zum Beispiel nicht auf Mitgliederversammlungen. Ich verfolge es medial, ich habe immer wieder mal Treffen, Kaffee mit dem einen oder der anderen, treffe sie zufällig“, so Strolz.

Dabei bemüht er einen Vergleich mit der Landwirtschaft. „Ich sage immer, wenn der Altbauer geht, muss er entschlossen zur Seite gehen. Es hat keinen Sinn, wenn du am Balkon stehst und sagst: Du übernimmst jetzt, aber die Schweine und die Hühner bleiben bei mir. Und jeden morgen um 9 Uhr verkünde ich vom Balkon, was gescheiter wäre. Das braucht keiner. Meine Nachfolgerin macht das kraftvoll“, so Strolz.

„Du läufst ja auf Vollgas, wie Speedy Gonzales“

Nach seinem Rückzug als Parteichef wollte Strolz einmal Einkehr halten und zu sich kommen. „Du läufst ja auf Vollgas, wie Speedy Gonzales über die Kante d’rüber, nach dem Abgang. Da bin ich ein paar Wochen abgehaut nach Indien und ins Waldviertel fasten“, so Strolz.

Ex-Politiker im Talk

Vor der Wien-Wahl lädt „Wien heute“ immer samstags ehemalige Politiker zum Gespräch. Am kommenden Samstag ist der ehemalige ÖVP-Vizebürgermeister Wiens, Bernhard Görg, zu Gast.

Eine seiner Erkenntnisse: „Ich glaube, dass die Aufgabe der Selbstfürsorge, also gut auf sich zu schauen, immens wichtig ist. Vor allem in Zeiten von Verwerfungen und Krisen, wo man viele Sorgen hat. Da droht die Gefahr, dass man auf sich selbst vergisst. Wenn Du dich liebevoll um dich kümmerst, kümmerst Du dich um die ganze Welt.“

Doch es gibt eine Sache um die sich der 47-Jährige nicht so gerne kümmert, wie ihm während der Coronavirus-Krise aufgefallen ist. „Ich mag beim Home Schooling nicht dabei hocken“, so Strolz. Das sei Sache der Töchter mit ihren Lehrerinnen und Lehrern. „Das ist deren Job. Das ist nicht mein Job.“