Chronik

Sechs „Sittenwächter“ festgenommen

In Wien und Linz sind Mitte Juni fünf Männer und eine Frau festgenommen worden, weil sie mindestens zehn Opfer verfolgt, bedroht oder verletzt haben sollen, hat die Polizei heute mitgeteilt. Die Tschetschenen konzentrierten sich dabei auf Frauen, die sich „zu westlich“ verhalten hätten.

Die hierarchisch strukturierte Gruppierung soll seit zumindest Anfang des Jahres agiert haben, berichtete die Polizei. Die Mitglieder sollen aus Tschetschenien stammende Frauen, in manchen Fällen auch deren Partner und Familien, belehrt, bedroht und verfolgt haben – und zwar, wenn sich diese nach Ansicht der Beschuldigten „zu westlich“ oder nicht ihren Wertvorstellungen entsprechend verhalten hatten.

Die Opfer berichteten, dass beispielsweise ein Foto in Badebekleidung oder eine Beziehung zu einer nicht tschetschenisch-stämmigen Person ausgereicht hatte, um ins Visier der Gruppe zu geraten.

„Sittenwächter“ festgenommen. Im Bild: Die sichergestellten Mobiltelefone, diverse Gas- und Schreckschusswaffen sowie 5.000 Euro in bar
LPD Wien
Die sichergestellten Gegenstände

Täter gingen systematisch vor

Die Täter gingen systematisch vor, schilderte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Zuerst sollen die Mitglieder der Gruppierung den Bekanntenkreis, aber auch Soziale Netzwerke durchforstet haben. Gab es Anhaltspunkte für „Vergehen“, wurde jemand losgeschickt, um mit der jeweiligen Frau zu sprechen. Hat das nicht gefruchtet, wurden auch Familienmitglieder in die Drohungen miteinbezogen, so die Polizei.

Weiters sollen Bilder der Frauen in Moscheen aufgehängt worden sein, um sie zu denunzieren. Laut Polizei folgten bei Nichteinlenken der Frauen weitere Drohungen und auch Gewalt, egal ob zu Hause oder am Arbeitsplatz. Initiiert wurden die Taten laut Polizei eher von den älteren Mitgliedern der Gruppe.

Frauen bedroht: „Sittenwächter“ festgenommen

In Wien und Linz sind fünf Männer und eine Frau festgenommen worden, weil sie mindestens zehn Frauen verfolgt, bedroht oder verletzt haben sollen. Die Tschetschenen stehen im Verdacht, einer Gruppierung anzugehören, die sich als „Sittenwächter“ versteht.

Betroffene wandte sich an Polizei

Ins Rollen kam der Fall, nachdem sich eine betroffene Frau an die Polizei gewandt hatte. Daraufhin meldeten sich weitere Frauen, die Ermittlungen der Polizei starteten. Bisher sind zehn Opfer bekannt. Die Polizei geht davon aus, dass es sowohl weitere Opfer als auch weitere Täter gibt.

Mitte Juni erfolgte dann die Festnahme von sechs Personen, im Alter zwischen 19 und 37 Jahren, auch mit Unterstützung des Einsatzkommandos Cobra. Zusätzlich stellten die Beamten an den Wohnadressen der Beschuldigten in Wien und Linz Mobiltelefone, diverse Gas- und Schreckschusswaffen sowie 5.000 Euro Bargeld sicher.

Ob die Waffen bei den Drohungen an die Frauen zum Einsatz kamen, konnte die Polizei am Donnerstag nicht sagen. Die Verdächtigen sollen aber in Sozialen Netzwerken damit posiert haben, hieß es. Die Beschuldigten wurden wegen zahlreicher strafrechtlicher Delikte angezeigt, insbesondere wegen des Verdachts der mehrfachen Körperverletzung, Nötigung sowie der kriminellen Vereinigung.

Asylwerber unter den Tätern

Die mutmaßlichen Täter sind Asylwerber, beziehungsweise subsidiär Schutzberechtigte. Bei einer Verurteilung könnten sie unter bestimmten Umständen wieder in ihre Heimat abgeschoben werden. „Das Gesetz sagt, wenn jemand straffällig geworden ist, dann soll nach Möglichkeit der Schutzstatus aberkannt werden. Losgelöst davon ist aber zu prüfen, ob die Person tatsächlich in das Herkunftsland zurückgeschickt werden kann. Das hängt davon ab, welche Situation die Menschen dort erwartet. Wenn zum Beispiel die Todesstrafe oder Folter drohen würde, dann darf Österreich nicht in dieses Land abschieben“, sagt der Rechtsanwalt und Asylrechts-Experte Christian Schmaus gegenüber „Wien heute“. Das hängt auch davon ab, ob und für welche Delikte die sogenannten Sittenwächter verurteilt werden.

Ministerin meldete sich zu Wort

Integrations- und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich über die Vorfälle entsetzt. „Frauen leben in Österreich frei und wählen ihren Lebensweg selbst. Wenn diese Selbstbestimmung der Frau beschnitten wird, werden Menschenrechte verletzt“, erläuterte Raab. Ein Aufbau von Parallelstrukturen würde bestraft. Integration bedeute auch immer, die Grundwerte und Freiheiten Österreichs zu akzeptieren. Der Wiener FP-ÖChef Dominik Nepp forderte in einer Aussendung, dass man solche Leute nicht fördern, sondern abschieben müsse.