Plakatierter Bauzaun mit Bildern vor dem Wien Museum
Klaus Pichler
Klaus Pichler
Kultur

Museen setzen auf CoV-Kunst

18 Porträts von Stadtbewohnerinnen und – bewohnern mit Mund-Nasen-Schutz als Dokumente einer „sehr eigenartigen Zeit“ sind in einer neuen Schau vor dem Wien Museum zu sehen. Bilder der „neuen Normalität“ zeigt die Ausstellung „Corona Art“ im Kunstforum Wien.

„Wie kann man Menschen porträtieren, ohne ihre Gesichter zu sehen?“ Diese Frage stellte sich die Fotografin Elodie Grethen, als sie kurz nach dem Lockdown vom Wien Museum den Auftrag erhielt, Stadtbewohnerinnen und -bewohner mit Mund-Nasen-Schutz abzulichten. 18 Porträts sind es dann doch geworden. Sie werden nun unter freiem Himmel am Rande der hauseigenen Großbaustelle am Karlsplatz gezeigt.

Mitte März verordnete die Bundesregierung zur Eindämmung der Pandemie dem ganzen Land einen abrupten Stillstand. „Man fragt sich als Museum natürlich sofort, wie man so etwas dokumentiert“, erklärte Peter Stuiber, Kurator der kleinen Freilichtausstellung „Face it!“, am Mittwoch bei einem Pressetermin. Drei Projekte seien schließlich daraus entstanden.

Fotos und Interviews

Neben dem Aufruf an Wienerinnen und Wiener, Objekte aus dem CoV-Alltag für die Sammlung zur Verfügung zu stellen, wurden zwei Fotoaufträge vergeben. Einerseits ging es um das bildliche Festhalten der leeren Stadt, andererseits um Personenporträts mit Maske.

„Der Mund-Nasen-Schutz war zu Beginn das Augenfälligste dieser sehr eigenartigen Zeit“, meinte der Kurator. Also hat man sich daran gemacht, Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Berufsgruppen aufzuspüren und sie für das Projekt zu gewinnen. Während Grethen fotografierte und versuchte, trotz Distanz „Menschlichkeit“ in ihre Bilder zu bekommen, wie sie heute sagte, führte Stuiber Interviews darüber, wie die Menschen mit den radikalen Veränderungen im Alltagsleben umgehen.

„Es ist uns um Diversität gegangen“

Somit kann man als Betrachterin oder Betrachter der großformatigen Porträts parallel auch über die persönlichen Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen der Protagonisten – von Polizist bis Supermarktangestellte, von Lehrer bis Cafe-Kellnerin, von Augustin-Verkäufer bis Busfahrerin – lesen. „Es ist uns schon auch um Diversität gegangen“, sagte der Kurator zur Auswahl der Models. So haben rund die Hälfte der Personen Migrationshintergrund. Der Geschlechteranteil ist ebenfalls recht ausgeglichen.

„Face it!“

Die Schau „Face it! Porträts aus dem Frühjahr 2020“ mit Fotografien von Elodie Grethen und Interviews von Peter Stuiber, am Bauzaun des Wien Museums, 4., Karlsplatz, ab sofort und bis 10. Jänner 2021 kostenfrei zugänglich

Als Präsentationsfläche der bis 10. Jänner kostenfrei zugänglichen Schau dient der permanente Bauzaun rund um das Wien Museum am Karlsplatz. Das Haus aus den 1950er-Jahren wird derzeit komplett renoviert bzw. um einen zweigeschoßigen Aufbau erweitert. Gearbeitet wird dort inzwischen mit schwerem Gerät. Fensterscheiben fehlen, das nackte Ziegelgemäuer unter der abgeschlagenen Fassade ist bereits freigelegt. Ob der Zaun für weitere Ausstellungsprojekte genutzt wird, ist noch offen.

„Wie schnell das schon wieder historisch ist“

Die nun gezeigten Artefakte seien anfänglich jedenfalls nur für das Archiv gedacht gewesen, um später für eine etwaige groß angelegte Rückschau auf die Corona-Zeit darauf zurückgreifen zu können, meinte Stuiber: „Wir haben aber gemerkt, wie schnell das schon wieder historisch ist.“ Entstanden sind die Bilder und Texte zwischen dem 17. April und dem 30. Juni – also der strikten Lockdown-Phase bis zu weitgehenden Öffnungen.

Schon mit nur einigen Monaten Abstand erscheine die erste Phase des Stillstands kaum noch vorstellbar, erinnerte sich Stuiber an eine der ersten Aufnahmesituationen im März. Wir sind mit einem Handy-Stick, völlig maskiert und mit dem Abstand von mindestens einem großen Elefanten im leeren Innenhof eines Gemeindebaus gestanden. Leute haben aus den Fenstern geschaut und sich wahrscheinlich gefragt: ‚Dürfen die das überhaupt?‘ Wären wir fünf Minuten länger geblieben, hätte wahrscheinlich jemand die Polizei gerufen."

„Corona Art“ im Kunstforum Wien

Auch das Kunstforum Wien widmet sich der gegenwärtigen Situation. Im Frühling hatte das Bank Austria Kunstforum Wien um Einreichungen zum Thema, wie Kunst in Zeiten von Corona, Shutdown und Physical Distancing aussehen kann, gebeten. Die fünf von den Kuratorinnen des Kunstforums ausgewählten Favoriten wurden nun in der Ausstellung „Corona Art“ versammelt. Ab Donnerstag sind die Arbeiten eine gute Woche lang – bis 18. September – bei freiem Eintritt zu sehen.

Darunter befindet sich zum Beispiel die Arbeit des Wiener Künstlers Bernd Koller, der selbst an Covid-19 erkrankte und seine 20-tägige Quarantäne und den Krankenhausaufenthalt dokumentierte, wie es in der Ankündigung heißt. Entstanden ist eine 20-teilige Druckgrafik. Die Berliner Künstlerin Karin Rasper zeigt fünf Arbeiten aus ihrem Buch „Lockdown“. Die Österreicherin Martina Stapf fing die Isolation durch den Shutdown mittels Selbstauslöser ein.

Verschiebung in den digitalen Raum

Der mexikanische Künstler Carlos Fernando Loeza Frias wiederum weist in seinen Fotomontagen auf die Probleme der Street-Art-Szene hin, die besonders stark unter den Einschränkungen des öffentlichen Lebens gelitten habe. „Kultur fand in den letzten Monaten stark im digitalen Raum statt und hat dadurch auch neue Menschen begeistert. Mit der Ausstellung ‚Corona Art‘ haben wir online nach interessanten künstlerischen Positionen zu dieser herausfordernden Zeit gesucht, um ihnen nun im Bank Austria Kunstforum Wien eine analoge Präsentation im realen Raum zu bieten“, sagte Direktorin Ingried Brugger in einer Aussendung. Die Schau solle ein Signal dafür sein, dass die Kulturlandschaft trotz aller Widrigkeiten nicht in Stillstand verfalle.