Gesundheit

Wiener Rückzug von Krisenstab nicht fix

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hat am Donnerstagabend angekündigt, am Freitag persönlich an der Sitzung des im Innenministerium angesiedelten Krisenstabes SKKM teilzunehmen. Zuvor hatte er noch den Ausstieg aus dem Krisenstab verkündet.

"Um die heutigen Missverständnisse in den Aussendungen des Innenministeriums aufzuklären, werde ich morgen persönlich an der Sitzung des SKKM (Staatliches Krisen- und Katastrophenschutzmanagement, Anm.) teilnehmen“, kündigte Gesundheitsstadtrat Hacker am Donnerstagabend via Aussendung an.

Hacker wolle sich von der „angegebenen Koordinierungsfähigkeit“ des im Innenministerium angesiedelten Krisenstabes, „ein Bild machen“, sagte eine Sprecher des Gesundheitsstadtrates auf Nachfrage von wien.ORF.at. Dann werde über die weitere Vorgangsweise entschieden. Der zuvor von Hacker angekündigte Rückzug ist damit vielleicht doch nicht fix.

Wieder SPÖ-Lob für Gesundheitsminister

Hacker sagte außerdem, dass sich in der Sitzung der Landesgesundheitsreferenten mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Nachmittag gezeigt habe, dass sich durch die Umstellung des Dashboards des Bundes in fast allen Bundesländern Unterschiede in den täglichen Meldungen der positiven Befunde ergeben. Es habe aber nicht geklärt werden können, ob diese Unterschiede auf Mehrfacherfassungen zurückzuführen oder ob sie dadurch entstanden sind, dass die Auswertungen zu unterschiedlichen Tageszeitpunkten erfolgen.

Der Gesundheitsstadtrat begrüßte, „dass Gesundheitsminister Anschober dazu bis Montag eine eigene Sitzung der LandesgesundheitsreferentInnen einberufen wird“. Es habe unter den Gesundheitsreferenten einen breiten Konsens darüber gegeben, „dass wir dieses konkrete Problem nur gemeinsam lösen können“.

Streit über späteres Erscheinen der Zahlen

Zuvor hatte Hacker die Entscheidung, keine Vertreter mehr in den Krisenstab zu schicken unter anderem mit den Zeitabläufen begründet. So hat die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ihr Berichtswesen zu den Infektionszahlen umgestellt. Die Statistik (Dashboard) wird nunmehr täglich um 14.00 Uhr aktualisiert.

Die Umstellung der AGES auf die 14.00-Uhr-Veröffentlichung hält Hacker für „gescheit“, wie er sagte. Die Datenbesprechung um 9.00 Uhr empfindet er hingegen als unpraktisch, da das mitten in den Tagesablauf falle, „wo wir die Vorbereitungen machen müssen, damit um 14.00 Uhr ordentliche Daten zur Verfügung stehen“. Und weiter: „Ich halte nichts davon, unsere Personalressourcen in Sitzungen zu vergeuden, statt in die Analyse zu investieren.“

Hacker lobt Gesundheitsministerium

Der sich in der heißen Phase des Wiener Wahlkampfs befindliche Stadtrat kritisierte auch das Vorgehen des ÖVP-geführten Innenministeriums, das sich seiner Meinung nach zum „Propagandaministerium“ entwickelt habe und immer wieder „Zahlen veröffentlicht, die meine Mitarbeiter binden, weil sie irgendwelche Falschmeldungen kommentieren müssen“.

Ungebrochen gut sei die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, wie Hacker am Donnerstag weiters klarstellte. „Die haben den Lead in der Pandemie, so wie es sich gehört.“ Diese würden alle Information bekommen – und: „Wir sind weiter ein superaktives, konstruktives Mitglied in der Corona-Kommission, da ändert sich überhaupt nichts.“

Nehammer kritisiert „wenig Kooperationsbereitschaft“

In einer schriftlichen Reaktion von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hieß es gegenüber der APA: „Dass Wien heute nicht einmal an der Sitzung des Krisenstabes der Bundesregierung und der Bundesländer teilgenommen hat und komplett aussteigen will, obwohl die Situation gerade in der Stadt und die heutigen Zahlen alarmierend sind, zeigt, dass es hier wenig Kooperationsbereitschaft gibt. Mehrere Mitglieder des Einsatzstabes hätten im Krisenstab Informationen mit der Stadt Wien austauschen wollen und hatten nicht die Gelegenheit dazu. Das hemmt die gemeinsame Arbeit im Kampf gegen das Virus vor allem im Bereich des Contact-Tracing.“

Einmal mehr bot Nehammer Wien Hilfe und Zusammenarbeit an – einerseits beim Contact Tracing, andererseits bei der Kontrolle der Quarantänemaßnahmen. „Wir hoffen, dass die Stadt Wien zumindest nach der Wien-Wahl unsere Hilfe annimmt und die parteipolitischen Manöver aus der Corona-Krise rausgehalten werden. Wahltaktische Gründe haben in der Krisenbewältigung keinen Platz. Es ist fünf nach zwölf.“

Rekordzuwachs in Wien: 613 neue Fälle

Auch in Wien gibt es einen neuen Höchstwert zu vermelden: Binnen 24 Stunden sind 613 neue Infektionen mit dem Coronavirus diagnostiziert worden. Das teilte der Krisenstab der Stadt am Donnerstag mit. Verwiesen wurde zugleich darauf, dass das Berichtswesen des Bundes umgestellt wurde – und die Zahlen zwischen den Bundesländern und Wien nun divergieren könnten.

Auch wurden die Zahlen aus Wien am Donnerstag erst zu Mittag und nicht schon am frühen Vormittag veröffentlicht. Die Zahl der aktiv Erkrankten beträgt nun jedenfalls 5.007, das sind fast 200 mehr als noch am Vortag. Aktuell sind mit Stand Donnerstag in Wien 19.164 positive Testungen bestätigt. Die Zahl der mit dem Virus in Zusammenhang stehenden Todesfälle beträgt 267. Die vier neuen Todesfälle sind zwei 84 bzw. 79 Jahre alte Männer und zwei 51 bzw. 83 Jahre alte Frauen mit Vorerkrankungen. 13.890 Personen sind wieder genesen.

Verzögerte Datenübermittlungen

Laut AGES ergaben sich die Unterschiede bei den Zahlen im täglichen Lagebericht mit den Zahlen der Stadt Wien auch aus verzögerten Datenübermittlungen des Wiener epidemiologischen Informationssystems in das Epidemiologische Meldesystem (EMS). „Bei hoher Fallzahl eines Bezirkes oder Bundeslandes kann dieses Informationsdefizit erheblichen Einfluss auf die Indikatoren haben“. Jedoch soll mit Donnerstag die Übermittlung durch eine neu implementierte technische Schnittstelle zwischen Wien und dem EMS funktionieren, schrieb die AGES.

Spitäler so lange wie möglich im Normalbetrieb

Im Gegensatz zum Frühjahr, wo der Betrieb in den Spitälern aufgrund der Pandemie auf Notbetrieb heruntergefahren wurde, ist nun das Ziel, den Betrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Helfen soll dabei ein Kooperation mit den Ordensspitälern. „Bereits im Sommer habe ich in Auftrag gegeben, eine Planung zu machen“, so Hacker.

Im Fokus stand dabei die Vermehrung der Bettenkapazität für Covid-19-Patientinnen und -Patienten bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des sonstiges Behandlungsspektrums. Die Verschiebung von planbaren und nicht zeitkritischen Operationen soll erst bei sehr hohen Fallzahlen erfolgen.

Covid-19-Erkrankte auch in Ordensspitälern

Einer der Kernpunkte des am Donnerstag vorgestellten Versorgungsplans ist, dass alle Spitäler darauf vorbereitet wurden, Covid-19-Erkrankte zu behandeln. Neu ist auch: Die Häuser des Gesundheitsverbundes (WIGEV) werden nun von Anfang an von den Ordensspitälern wie auch von den Privatspitälern „flankiert“, wie die WIGEV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb erklärte. Seit vergangener Woche nimmt beispielsweise das Krankenhaus Göttlicher Heiland Corona-Patientinnen und -Patienten auf.

Was die Bettenanzahl in den Spitälern des WIGEV anbelangt, so gab Hacker Auskunft: „Bis dato waren 550 Betten in den Kliniken des Wiener Gesundheitsverbundes sofort verfügbar. Steigt der Bedarf, kann die Anzahl verdoppelt werden.“ Aktuell befinden sich rund 250 Covid-Patientinnen und -Patienten in den Spitälern.

Kritik von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS

„Anstatt mit Vernunft und ohne Panikmache die Stadt durch die Corona-Krise zu bringen, tragen SPÖ und ÖVP ihre parteipolitischen Scharmützel aus“, kritisierte unterdessen der Wiener FPÖ-Spitzenkandidat, Vizebürgermeister Dominik Nepp, die Diskussion um den Ausstieg Wiens aus dem Krisenstab.

ÖVP-Gesundheitssprecherin Gaby Schwarz sprach von einer „unfassbaren Vorgehensweise“ angesichts des heutigen Rekordtagesanstiegs in Wien. Auch der nicht amtsführende Wiener ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch wertete die Entscheidung als fahrlässig und verantwortungslos.

Verständnislos reagierten auch NEOS-Wien-Gesundheitssprecher Stefan Gara sowie der NEOS-Nationalratsabgeordnete Douglas Hoyos. „Wir brauchen österreichweit ein eng koordiniertes Vorgehen gegen Corona. Das bedeutet auch, dass die Bundesländer sich eng mit der Bundesregierung austauschen und absprechen müssen. Wieso Wien jetzt plötzlich die Entscheidung fällt, aus dem Krisenstab der Bundesregierung auszusteigen, ist fahrlässig“, hieß es in einer gemeinsamen Aussendung.

Auch vonseiten der Wiener Grünen kam Kritik am roten Koalitionspartner: „Ich bin froh, wenn die Wien-Wahl 2020 vorbei ist. Vielleicht beginnt die SPÖ Wien bezüglich Covid-19 dann endlich mit der Bundesregierung zu kooperieren, anstatt ständig querzuschießen“, schrieb der grüne Wiener Gemeinderat Martin Margulies auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.