Volkstheater-Direktor Kay Voges
APA/Hans Punz
APA/Hans Punz
Kultur

Volkstheater startet mit Jandl-Stück

Vier Uraufführungen, fünf Premieren und sieben Wien-Premieren hat der neue Volkstheater-Direktor Kay Voges für die neue Saison angekündigt. Das sanierte Theater startet am 8. Jänner mit „Der Raum“ von Ernst Jandl.

„Wir hatten wirklich einen tollen Spielplan gemacht, der im Jänner 2020 weitestgehend fertig war, und hatten gerade begonnen, das Spielzeit-Buch zu schreiben, als wir Stück für Stück erkennen mussten, dass wir das so nicht umsetzen können“, schilderte Voges in einem APA-Interview, „es war naiv zu glauben, das im Jänner 2021 hinzubekommen. Zum Beispiel eine 4,5-stündige Oper mit riesigem Besteck aufzuführen. Dann haben wir einen neuen Plan gemacht, und jetzt müssen wir sehen, was wir von diesem umgesetzt bekommen.“

Die Startproduktion „Der Raum“ am 8. Jänner sieht Voges als „Produktion, die ohne Schauspieler und ohne Sprache auskommt, eine Hymne an den Sehnsuchtsort Theater und an die Bühne. Dieses szenische Gedicht ist absolut quarantänefreundlich. Man braucht nur einen Tontechniker, einen Beleuchtungstechniker und einen Theaterraum. Ganz böse gesagt: Dieser Abend könnte sogar ohne Zuschauer auskommen. Das wäre eine Erzählung, wie es den Theatern derzeit geht. Dass sie auch leer noch ein Leben haben. Das wird, glaube ich, eine schöne Meditation zur Eröffnung des neuen Hauses.“

Volkstheater-Direktor Kay Voges
APA/Hans Punz
Am 8. Jänner startet der neue Volkstheater-Direktor Kay Voges in seine erste Saison

Neue Spielstätte in „Dunkelkammer“

Als künftige Spielstätte fungiert neben dem Haupthaus, wo auch Konzerte stattfinden werden, auch die „Dunkelkammer“ unter dem Dach, im Volx/Margareten ist nur eine Produktion geplant, während insgesamt vier Bezirksproduktionen auf dem Programm stehen. „Ich lade Sie herzlich ein zu einer gemeinsamen Suche, durch gegenwärtige oder neu gelesene Dramatik, zu Grenzgängen zwischen Darstellender und Bildender Kunst, zu musikalischen und choreografischen Produktionen, zu diskursiven und partizipativen Formaten, zur lustvollen Auseinandersetzung mit unserer Zeit“, so Voges in der Presseunterlage.

Nach „Der Raum“ folgt ein Premierenreigen. Den Auftakt macht das Kollektiv Rimini Protokoll mit „Black Box. Phantomtheater für eine Person“ am 9. Jänner, in der im Fünfminutentakt jeweils ein Zuschauer (mit einem Kopfhörer ausgerüstet) auf einen Rundgang geschickt wird. Tags darauf folgt die Wien-Premiere von Voges’ Dortmunder „Theatermacher“-Inszenierung aus dem Jahr 2018.

Am 14. Jänner steht Susanne Kennedys Tschechow-Bearbeitung „Drei Schwestern“ auf dem Plan, deren Gastspiel mit „Ultraworld“ bei den heurigen Wiener Festwochen aufgrund der Reisebeschränkungen ausfallen musste und mit der eine längerfristige Zusammenarbeit geplant ist. Wie die Kennedy-Inszenierung kommt auch Florentina Holzingers für Mai geplante (und für Wien adaptierte) „Etude for an Emergency“ von den Münchner Kammerspielen.

Uraufführung von neuer Hausautorin

Die erste Uraufführung trägt den Titel „1. Kreuz brechen oder Also alle Arschlöcher abschlachten“: Der Text ist der erste Teil eines mehrteiligen Werks der neuen Hausautorin Lydia Haider, die im Sommer den Publikumspreis beim Bachmann-Wettlesen gewann und deren Stück „Am Ball“ im Dezember im Schauspielhaus Wien uraufgeführt wird. Die Inszenierung bestreitet Intendant Voges, Premiere ist am 16. Jänner.

Eine Herausforderung, wie er zugibt: „Es ist ein Stück, das von den Regieanweisungen her einfach nicht spielbar ist. Da kommt Lydia Haider uns sehr in unserem Bestreben entgegen, herauszufinden, wie das unmögliche Theater möglich gemacht werden kann“, sagt Voges im APA-Interview. Mit „Bliss. Mozarts finale Arie aus Die Hochzeit des Figaro als zwölfstündige Oper“ von Ragnar Kjartansson im HD-Stream beschließt man dann am 17. Jänner die turbulente Eröffnungswoche.

Ensemble mit neuen Mitgliedern

Das neue Ensemble umfasst in dieser Spielzeit 20 Schauspieler und Schauspielerinnen (und somit um fünf mehr als jenes von Anna Badora), ein überwiegender Teil ist dabei neu für das Wiener Publikum: Darunter findet sich mit Nick Romeo Reiman ein vor allem aus Filmen bekanntes Gesicht (u. a. „Türkisch für Anfänger“), Julia Franz Richter war zuletzt am Schauspielhaus Graz engagiert, Samouil Stoyanov an den Münchner Kammerspielen, er arbeitete aber in „Der Alte“ oder „Soko München“ auch fürs Fernsehen.

Mit Anna Rieser kommt eine 2019 mit dem Nestroy als „bester Nachwuchs“ ausgezeichnete Akteurin aus dem Landestheater Linz nach Wien. Sieben Schauspielerinnen und Schauspieler hat Voges aus Dortmund mitgebracht. Mit Claudia Sabitzer, Evi Kehrstephan, Stefan Suske und Günther Wiederschwinger bleiben dem Haus vier alte Bekannte erhalten, Doris Weiner ist nur noch dieses Jahr dabei. Für die kommende Saison hofft Voges, noch weitere vier neue Ensemblemitglieder aufzunehmen.

Zwei Wien-Premieren in „Black Box“

Den verschwurbeltsten Titel liefert der bildende Künstler und Neo-Opernregisseur Jonathan Meese im März mit „KAMPF L.O.L.I.T.A. (EVOLUTION IST CHEF) oder L.O.L.I.T.A.D.Z.I.O. (Zardoz fliegt wieder!) oder L.O.L.I.T.A. DE LARGE (Das 3. Baby) oder DIE BARBARENLOLITAS (Kampf um Kunst) oder DR. ERZLOLITA DE L.O.L.I.T.A. (ZARDOZ LEBT) oder DIE ZARDOZLOLITAS (Keine Angst)“, einer „Universums-Uraufführung“. „Da können wir uns auf was gefasst machen“, verspricht Voges.

Das Volx/Margareten wird im kommenden Jahr lediglich von einer neuen Produktion bespielt: Am 15. Jänner kommt dort „Humane Metholds [Exhale]“ der Gruppe Fronte Vacuo zur Uraufführung, bei der der Mensch auf Algorithmen trifft. Die neue „Black Box“ unter dem Dach wird von zwei Wien-Premieren bespielt: Für das Frühjahr ist „Konstellationen“ von Nick Payne angekündigt, im April steht „Uncanny Valley / Unheimliches Tal“ von Thomas Melle und Stefan Kaegi und dem Rimini Protokoll auf dem Programm. Ansonsten soll die Spielstätte hauptsächlich als Probebühne genutzt werden.