Die Raffinerie Schwechat wird umgebaut
© OMV Aktiengesellschaft
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Wirtschaft

OMV fährt Öl- und Gasproduktion deutlich zurück

Der börsennotierte Öl- und Gaskonzern OMV hat im Vorjahr bei Umsatz und Gewinn einen starken Einbruch erlitten. Wie am Donnerstag bekanntwurde, nimmt die OMV ihre Ziele für die Öl- und Gasproduktion deutlich zurück. Die OMV will zum Chemiekonzern werden.

„Die Welt hat sich gedreht“, erklärte OMV-Chef Rainer Seele am Donnerstag den Strategiewechsel. „Wir gehen davon aus, dass die Elektrifizierung der Mobilität und des Transports greifen wird. Wir gehen davon aus, dass auch andere Antriebe zukünftig diesen Markt bestimmen werden, und erwarten dementsprechend eine Konsolidierung im Raffineriegeschäft, und das global.“

„Das langfristige Ziel von 600.000 Barrel am Tag und die Reservenverdoppelung wird die OMV strategisch nicht mehr weiterverfolgen“, sagte Seele. „Wir haben eine Neuausrichtung gemacht mit der Transformation zu einem Chemiekonzern“, so Seele. Wachsen wolle man nun bevorzugt im Chemiebereich.

Wachstum im Chemie- und Materials-Bereich

„Chemicals & Materials ist das Wachstumssegment – und die Wachstumsziele, die wir für das Upstream-Geschäft und das Raffineriegeschäft in der Strategie aus dem Jahr 2018 formuliert hatten, haben wir jetzt aufgrund des Wachstums im Chemie- und Materials-Bereich zurückgenommen.“ Künftig strebe man ein Produktionsniveau von 480.000 bis 500.000 Barrel am Tag an.

2020 ging die Gesamtproduktion der OMV um fünf Prozent auf 463.000 Fass Öläquivalent pro Tag zurück. „Wir hatten keine Produktion in Libyen, das ist der Grund, warum wir im letzten Jahr einen Rückgang der Produktion hatten“, sagte Seele. „Libyen ist aber im vierten Quartal jetzt wieder zurückgekommen, und die Produktion dort läuft stabil, deshalb wird die Produktion im Jahr 2021 ansteigen.“ Für heuer wird mit einer Tagesproduktion von 480.000 Fass gerechnet.

OMV-Generaldirektor Rainer Seele am Donnerstag, 06. Februar 2020
APA/GEORG HOCHMUTH
Seele: „Wir haben eine Neuausrichtung gemacht mit der Transformation zu einem Chemiekonzern“

Beteiligung in Russland unklar

„Mit der Pipeline an Investitionen, die wir jetzt haben, wollen wir dieses Produktionsniveau halten. Die Verdoppelung unserer Reservenbasis wird nicht mehr verfolgt.“ Was das für die geplante Beteiligung am den russischen Fördergebieten IV und V der Achimow-Formation im Öl-, Gas- und Kondensatfeld Urengoy (Urengoj) bedeutet, ist vorerst noch unklar.

Die OMV wollte ursprünglich um 905 Mio. Euro eine Beteiligung von knapp 25 Prozent erwerben, die Vertragsunterzeichnung war zunächst für Ende 2019 geplant, dann wurde aber im März 2020 überraschend mitgeteilt, dass sich die Verhandlungen bis 2022 hinziehen könnten und dass auch der Kaufpreis nicht mehr fix sei. Das Projekt sei „nicht aufgegeben, sondern eine Option geworden“, sagte Seele in einer Onlinepressekonferenz. Vorerst denke man nicht an Akquisitionen, sondern an Devestitionen.

Mittelfristig Investitionen von drei Mrd. in Österreich

Das Wachstum im Chemiebereich werde sich durch die Investitionspipeline der OMV-Chemietochter Borealis ergeben. Während man im letzten Jahr wegen des schlechteren Ausblicks für die Öl- und Gaspreise fast eine Milliarde Euro an Abwertungen im Upstream-Bereich gehabt habe, habe es weder bei den Raffinerien noch im Chemiebereich Abwertungen gegeben, sondern nur Aufwertungen.

Für Österreich seien in der Mittelfristplanung Investitionen in Höhe von drei Mrd. Euro vorgesehen, davon ein Drittel für nachhaltige Projekte, sagte Seele, „für das Kunststoffrecycling, für erneuerbare Energie und für die Erzeugung von grünem Wasserstoff“. Auch die Eigenproduktion von Öl und Gas in Österreich werde man nicht vernachlässigen. Den Rohöleinsatz in den eigenen Raffinerien will man sukzessive substituieren.

Aber die OMV betrachte die Erzeugung von erneuerbaren Energien nicht als ein Kerngeschäft, damit kenne sich der Partner Verbund besser aus. „Ich erkenne bei der OMV auch nicht irgendeinen großen Wettbewerbsvorteil bei der Stromerzeugung oder im Stromhandel. Nein, die OMV transformiert sich in Richtung Chemie und nicht in Richtung Strom.“ Die Stromprojekte seien vor allem auf den Eigenbedarf ausgerichtet und man werde sie in Partnerschaft mit dem Verbund verfolgen.

OMV-Kennzahlen 2019 und 2020, Aktienkurs – Tabelle, Kurvengrafik;
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: OMV

Umsatz und Gewinn 2020 um ein Drittel eingebrochen

Der niedrige Ölpreis hat der OMV im Vorjahr schwer zu schaffen gemacht: Der Umsatz ging um 29 Prozent auf 16,55 Mrd. Euro zurück, das um Lagerhaltungseffekte bereinigte CCS Operative Ergebnis vor Sondereffekten halbierte sich auf 1,686 Mrd. Euro, und unterm Strich blieb ein Periodenüberschuss von 1,478 Mrd. Euro (-31 Prozent). Die Chemietochter Borealis erzielte im Vorjahr einen Nettogewinn von 589 Mio. Euro, nach 872 Mio. Euro im Jahr davor.

Die erste Hälfte des laufenden Geschäftsjahres werde noch immer „sehr herausfordernd“ bleiben, sagte Seele. Nach der „ersten Euphorie“ über die Impfstoffe nehme jetzt die Verteilung der Impfdosen einen zaghafteren Verlauf als erwartet. Die zweite Jahreshälfte dürfte aber deutlich positiver ausfallen und eine stärkere Wirtschaftserholung bringen. Man rechne mit einem durchschnittlichen Brent-Rohölpreis von 50 bis 55 Dollar pro Barrel und einem Gaspreis über zehn Euro pro Megawattstunde (MWh). Die OMV-Aktie legte am Donnerstag bis Mittag um 2,71 Prozent auf 36,38 Euro zu.

Von dem im Vorjahr angekündigten Verkaufsprogramm mit einem Volumen von zwei Mrd. Euro habe man bereits über eine Milliarde abgearbeitet, sagte Seele. Das waren die noch verbliebenen Anteile an der Pipelinetochter Gas Connect Austria (GCA), das Tankstellennetz in Deutschland und die Ölproduktion in Kasachstan. „Das Closing und damit die positiven Cash-Effekte erwarten wir im Laufe des Jahres 2021“, sagte Seele.

Offen sei nun noch der Verkauf der Tankstellenkette in Slowenien und eben das Düngemittelgeschäft der Borealis. „Über die Tankstellenkette in Slowenien verkaufen wir nicht unser eigenes Benzin und Diesel, deshalb haben wir gesagt, wir reduzieren das.“

Borealis-Chef Alfred Stern zieht in OMV-Vorstand ein

Die Borealis erzielte im Vorjahr einen Nettogewinn von 589 Mio. Euro nach 872 Mio. Euro im Vorjahr. Der bisherige Chef von Borealis, Alfred Stern (56), wird mit 1. April 2021 in den OMV-Vorstand einziehen und für den Bereich Chemicals & Materials verantwortlich sein.

Der bisherige Bereich Refining & Petrochemical Operations, für den derzeit Thomas Gangl als Vorstand zuständig ist, wird in Refining und Chemicals & Materials getrennt. Gangl bleibt vorerst im OMV-Vorstand – wer künftig die Borealis leiten soll, wollte Seele heute bei der Präsentation der Ergebniszahlen für 2020 noch nicht verraten.

Die Borealis selbst soll ihr Düngemittelgeschäft, das mit rund 2.000 Mitarbeitern etwa 15 Prozent des Borealis-Umsatzes erwirtschaftet, noch im Laufe dieses Jahres verkaufen. „Wir haben mit dem Düngemittelgeschäft einfach keine wettbewerbsfähige Größe“, sagte Seele zur APA. Die OMV hatte erst vor Kurzem ihre Beteiligung an der Borealis um 4,1 Mrd. Euro auf 75 Prozent aufgestockt und den Wert des ursprünglichen 36-Prozent-Anteils in den Büchern deutlich nach oben berichtigt.