Zwei sitzende Männer mit Maske, einer mit Anwaltsrobe
APA/Helmut Fohringer
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Politik

Hochverrat-Prozess: Beschuldigte einvernommen

Am Landesgericht hat heute ein Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der – angeblich aufgelösten – „Europäischen Aktion“ (EA) begonnen. Vier bekannten sich zur Wiederbetätigung schuldig, bestritten aber, an einem Hochverrat beteiligt gewesen zu sein.

Die Beschuldigten wurden am ersten Prozesstag einvernommen, die Verhandlung wird am Dienstag mit weiteren Beschuldigteneinvernahmen fortgesetzt. Die Urteile sind für kommende Woche geplant. Bei der Organisation handelte es sich um ein länderübergreifendes rechtsextremes Netzwerk, das Ziele vertrat, „die dem Parteiprogramm der NSDAP nachempfunden wurden“, wie Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella eingangs der Verhandlung darlegte.

„Politische Parallelgesellschaft“

Die „Europäische Aktion“ habe eine „politische Parallelgesellschaft“ angestrebt, „um einen Umsturz auf ein außerparlamentarisches System zu erreichen“, sagte Kerbl-Cortella. Die Anklage lautet auf Vorbereitung eines Hochverrats (§ 244 Absatz 2 StGB) und nationalsozialistische Wiederbetätigung im Sinn des § 3a Ziffer 2 Verbotsgesetz. Im Fall von Schuldsprüchen drohen den Angeklagten zehn bis 20 Jahre oder – sollten die Geschworenen von einer besonderen Gefährlichkeit ausgehen – dem Verbotsgesetz zufolge sogar lebenslange Haft.

Bei den Angeklagten im Alter zwischen 29 und 70 Jahren handelt es sich jedoch nicht um die führenden Proponenten der Vereinigung, deren Wurzeln in der Schweiz liegen. Diese sind inzwischen großteils nicht mehr am Leben. Hans B., der Kopf des heimischen Zweigs der Neonazi-Gruppierung, der als „Landesleiter Österreich“ fungierte, starb im August 2018 77-jährig an einem Herzleiden in der Justizanstalt Josefstadt, wo er sich seit Dezember 2016 in U-Haft befunden hatte. Der vormalige „Gebietsleiter Wien“, gegen den ebenfalls ermittelt wurde, ist ebenfalls bereits tot.

Zwei sitzende Männer mit Maske, einer mit Anwaltsrobe
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Einer der Angeklagten an der Seite seines Anwalts, aufgenommen im Gerichtssaal am Montag

29-Jähriger „Welpe der Organisation“

Unter den Angeklagten befindet sich allerdings der ehemalige „Gebietsleiter Tirol“, der im Jänner 2014 in Rum (Bezirk Innsbruck-Land) und später in einer Pizzeria im niederösterreichischen Bezirk Mistelbach Rekrutierungsveranstaltungen zum Zweck der Anwerbung neuer Mitglieder abgehalten haben soll. Mit 29 Jahren ist er mit Abstand der Jüngste des Quintetts, die anderen sind 42, 50, 65 und 70 Jahre alt. Sein Verteidiger Andreas Schweitzer nannte den 29-Jährigen „den Welpen der Organisation“.

Sein Mandant sei mit 19 über das Internet zur „Europäischen Aktion“ gestoßen, nachdem er sich als Schriftführer einer Ortsorganisation der Tiroler FPÖ von dieser Partei abgewandt habe, schilderte Schweitzer. Der Tiroler habe „als junger, leicht beeinflussbarer Bua“ das Gedankengut der „Europäischen Aktion“ vertreten, aber keine paramilitärischen Ziele verfolgt: „Er war nicht beim Bundesheer. Er war untauglich.“ 2014 sei der Tiroler dann aus der Organisation ausgetreten und seither nicht mehr aufgefallen, sagte Schweitzer.

Vier bekannten sich der Wiederbetätigung schuldig

Neben dem Tiroler bekannten sich drei weitere Angeklagte zur Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes schuldig, bestritten aber, an einem geplanten Hochverrat mitbeteiligt gewesen zu sein. Zur Gänze nicht schuldig fühlte sich ein 66-Jähriger, der für Hans B. Schriften übersetzt, diesem Verbesserungsvorschläge für den YouTube-Auftritt der „Europäischen Aktion“ unterbreitet und Propagandamaterial digitalisiert hatte.

Der 66-Jährige lebe „in einer eigenen geistigen Welt, die er dem Buddhismus untergeordnet hatte“. Er habe zwar Kontakt zur „Europäischen Aktion“ gehabt, sei aber nie Teil davon gewesen, sagte David Jodlbauer, der Rechtsvertreter des Mannes.

Angeklagter „Parteimitglied der SPÖ“

Ein 50-jähriger Heizungstechniker hatte für die Neonazi-Truppe unter anderem Vernetzungstreffen organisiert. Sein Verteidiger Rudolf Mayer erklärte, der Mann habe sich schon 2016 von der „Europäischen Aktion“ verabschiedet. Im übrigen sei er Parteimitglied der SPÖ und 18 Jahre mit eine indigenen Ecuadorianerin verheiratet gewesen.

Einem 70-jährigen gebürtigen Ungarn warf die Aklage vor, der „Europäischen Aktion“ Kontakte zu rechtsextremen Kreisen in Ungarn vermittelt zu haben, wo paramilitärische Trainings stattfinden sollten. Außerdem soll er an einer sogenannten Ostlandfahrt als Dolmetscher für deutschsprachige Rechtsextreme teilgenommen haben. Sein Rechtsbeistand Martin Mahrer meinte, sein Mandant sei kein Holcocaust-Leugner und lehne das Hitler-Regime kategorisch ab: „Es tut ihm inzwischen leid, dass er sich dieser ‚Europäischen Aktion‘ angenähert hat. Er hatte dort keine Führungsfunktion inne.“

Prozess gegen rechtsextremes Netzwerk wegen Hochverrats

Fünf Männer im Alter zwischen 29 und 70 Jahren wird vorgeworfen, dass sie bewaffnet den Umsturz der Republik herbeiführen wollten und Österreich wieder ins – wie sie sagen – großdeutsche Reich zurückführen wollten. Vor Gericht bekannten sich die Männer am Montag schuldig nach dem Verbotsgesetz, aber nicht schuldig des Hochverrats.

Verteilen von Flyern als „Gefälligkeitsdienste“

Die fünf Angeklagten befinden sich allesamt auf freiem Fuß, was Verteidiger Franz Karl Juracka, der einen 42-Jährigen vertritt, darauf zurückführte, dass von ihnen keine besonders hohe „Gefahrenlage“ ausgehe. Der 42-Jährige hatte Aufkleber und Flyer der „Europäischen Aktion“ verteilt. Juracka nannte das „Gefälligkeitsdienste“, der 42-Jährige habe „als Postbearbeiter gedient. Ihm ist bewusst, dass er Unsinn gemacht hat“.

Der 42-Jährige erklärte in seiner Beschuldigteneinvernahme den Geschworenen, er habe „nicht sorgsam genug, viel zu unkritisch“ die Schriften studiert, die ihm Hans B. übergeben habe. Er bekenne sich „absolut zur demokratischen Grundordnung“ und sei daher schuldig, gegen das Verbotsgesetz verstoßen zu haben: „Ich war mir nicht bewusst, dass ich etwas so Schlimmes gemacht habe.“ Mit „Hochverrat und so fürchterlichen Dingen“ habe er nichts am Hut. Er habe auch an vier oder fünf Vorträgen der „Europäischen Aktion“ teilgenommen, Hans B. habe sich dabei vor allem in philosophischen Ausführungen ergangen: „Die Inhalte haben mein Niveau gesprengt.“

Prozess um rechtsextremes Netzwerk

Am Landesgericht hat am Montag der Prozess gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der – angeblich aufgelösten – „Europäischen Aktion“ (EA) begonnen. Vier bekannten sich zur Wiederbetätigung schuldig, bestritten aber, an einem Hochverrat beteiligt gewesen zu sein.

Was den Angeklagten zur Last gelegt wird

Die Staatsanwaltschaft legt den Männern zur Last, sie hätten darauf abgezielt, „die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben, indem sie – zumindest auf längere Sicht – die Beseitigung der auf der Verfassung beruhenden demokratischen Rechtsordnung der Republik Österreich, die Einsetzung einer ‚Reichsregierung‘ sowie die Einbindung Österreichs in ein wieder zu errichtendes Großdeutsches Reich anstrebten“, wie der Anklageschrift zu entnehmen ist.

Weiters wird den Angeklagten der geplante Aufbau einer „Europäischen Befreiungsarmee“ vorgeworfen, die einen bewaffneten Untergrundkampf führen und „Kommandounternehmen“ gegen als Volksverräter bezeichnete Politiker ausführen sollte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass damit Tötungen gemeint waren. Von der Anklage umfasst sind Vorgänge zwischen 2012 und Ende 2016.

Vor allem im deutschsprachigen Raum aktiv

Die ursprünglich vom Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub gegründete „Europäische Aktion“ war in mehreren europäischen Ländern, vor allem aber im deutschsprachigen Raum aktiv. Sie geriet schließlich auch in den Fokus des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das in einem 14 Bände umfassenden Abschlussbericht die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfasste, die sich auf länderübergreifende Überwachung des Telekommunikationsverkehrs und Observationen sämtlicher Verdächtigen stützten.

Demnach wurden bei Zusammentreffen der „Europäischen Aktion“ nationalsozialistische und radikal ausländerfeindliche Thesen vertreten. Diese propagierte Hans B. auch in einem im August 2014 erschienen Interview mit dem Magazin „Vice“, wo er sich für eine „Rückführung aller Außerkontinentalen“ aussprach. Zitat: „Da müssen auch die Ehepartner und Kinder mit. Aber wir sind keine Unmenschen. Wir würden das geregelt machen und wir werden denen dort, wohin sie zurückzuführen sind, helfen, ihre Existenz aufzubauen. Und zwar mit dem Geld, das jetzt hier für die Umvolkung verwendet wird.“

Ausbildungslager in Ungarn

Auch den Völkermord im Dritten Reich zweifelte B. bei dieser Gelegenheit an („Judäa hat als erstes Deutschland den Krieg erklärt“). Die „Europäische Aktion“ unterhielt Verbindungen zu gewaltbereiten rechten Gruppierungen, etwa dem Verein „Stahlsau eV“ im ostdeutschen Thüringen. Zum Aufbau einer bewaffneten „Europäischen Befreiungsarmee“ sollten theoretische und praktische Ausbildungslager in Ungarn stattfinden.

Zwei Tage vor seiner Festnahme hatte sich Hans B. in einer E-Mail explizit für Gewalt gegen amtierende Politiker ausgesprochen. Keine Zusammenhänge dürfte es zwischen der „Europäischen Aktion“ und jener Gruppierung geben, bei der im vergangenen Dezember bei Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich eine große Mengen an Waffen sichergestellt wurde. Die sollen für eine rechte deutsche Miliz bestimmt gewesen sein.