Prozess gegen Mutter nach Mord an drei Kindern im Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht
ORF/Hubert Kickinger
ORF/Hubert Kickinger
Chronik

Drei Kinder erstickt: Lebenslange Haft

Am Wiener Landesgericht ist eine 31-jährige Frau in einem Mordprozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sie gestand, im Oktober 2020 in Wien-Donaustadt ihre drei Kinder erstickt zu haben.

Die Frau wird zusätzlich in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Verteidigerin Astrid Wagner meldete dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht die bisherige Unbescholtenheit sowie das reumütige Geständnis der Angeklagten als mildernd.

Erschwerend waren demgegenüber die Tatumstände. „Es sind drei minderjährige Kinder ums Leben gekommen. Unter Ausnützung ihrer Hilflosigkeit. Sie wurden im Schlaf erstickt“, hielt der Vorsitzende in der Urteilsbegründung fest. Und weiter: "In dieser Konstellation gibt es nur eine denkbare Strafe, und das ist die Höchststrafe.

„Wollte mit den Kindern in den Himmel gehen“

Die 31-Jährige bliebt gefasst, nachdem ihr eine Dolmetscherin das Urteil übersetzt hatte. Nach Einschätzung des beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann ist die Frau „hochgradig selbstmordgefährdet“, wie er in der Verhandlung dargelegt hatte. Nach ihrer Festnahme habe sie Justizwachebeamte gebeten, ihr dabei behilflich zu sein, ihrem Leben ein Ende zu setzen, gab Hofmann an.

„Ich wollte mit den Kindern in den Himmel gehen“, sagte die Angeklagte am Montag im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts. Zur Motivlage erklärte sie, mit ihrem Leben nicht zufrieden gewesen zu sein: „Ich wollte selber sterben. Ich war nicht glücklich mit meinem Leben.“ Sie habe ihre Kinder nicht zurücklassen, sondern „mitnehmen“ wollen.

Nach der Tötung der zwei Töchter im Alter von von drei und neun Jahren sowie des knapp acht Monate alten Sohns hatte die Mutter versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden, und ein Ungeziefermittel getrunken. Die Versuche, sich das Leben zu nehmen, scheiterten. Darauf verständigte die 31-Jährige den polizeilichen Notruf.

Drei Kinder erstickt: Mutter geständig

Eine 31-Jährige hat in einem Mordprozess am Landesgericht gestanden, im Oktober 2020 in Wien-Donustadt ihre drei Kinder mit einem Polster erstickt zu haben. Laut psychiatrischem Gutachten ist die Frau zurechnungsfähig.

Verteidigerin: Angeklagter war Unrecht „nicht bewusst“

Verteidigerin Astrid Wagner führte ins Treffen, ihre Mandantin sei nicht zurechnungsfähig und damit nicht schuldfähig: „Sie ist schwer geisteskrank. Sie hat gezielt gehandelt, keine Frage, sie hat vorsätzlich gehandelt. Aber in ihrer kranken Welt war ihr nicht bewusst, dass sie Unrecht tut.“

Die 31-Jährige sei „keine Rabenmutter, sondern eine Vorbildmutter“ gewesen, betonte Wagner. Sie habe ihre Kinder „über alles geliebt“, ihr hätten aber „schwere Depressionen, irrationale Ängste“ zu schaffen gemacht. In „der schrecklichen Nacht“ sei der Frau der Gedanke gekommen, „es kann nur die eine Lösung geben, dass sie mit den Kindern ins Paradies will“, sagte Wagner.

Angeklagte mit Polizistin und Anwältin Astrid Wagner vor Prozess wegen dreifachen Mordes am Wiener Landesgericht
APA/Herbert Neubauer
Die Angeklagte ist einem Gutachten zufolge zurechnungsfähig

Unterbringung in Anstalt beantragt

Der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann ist in dem von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass von der Frau eine „große Gefahr“ ausgeht, die „Tötungsdelikte in zukünftigen familiären Situationen“ bewirken könnte.

Grundsätzlich hält Hofmann die Frau für zurechnungsfähig, obwohl er ihr eine „schwere, nicht behandelbare Geisteskrankheit“ bescheinigt. Im Tatzeitraum lag dem Sachverständigen zufolge „keine delinquenz- und handlungsbestimmende überdauernde psychotische Störung vor“. Hofmann verweist in seiner Expertise darauf, dass sich die 31-Jährige durchgehend an die prozessgegenständlichen Handlungen erinnern könne und minutiös wisse, was sie gemacht habe.

Handlungsbestimmend war laut Hofmann eine „grenzwertige, psychotische Entgleisung mit entsprechender Fehlinterpretation der tatsächlichen Realsituation bei depressiver Grundsymptomatik“, in Verbindung mit der familiär angespannten Situation habe das zu einer Überforderung geführt.

Seit 2010 in Österreich

Die Nepalesin war 2010 mit einem Studentenvisum nach Österreich gekommen, um eine arrangierte Ehe einzugehen. Aus ihren Plänen, in Wien ein Hochschulstudium fortzusetzen – an der Universität in Kathmandu hatte sie Mathematik, Physik und Chemie studiert – wurde nichts. Sie blieb im Haushalt und kümmerte sich um ihre zwei Töchter und einen im Februar 2020 zur Welt gekommenen Buben.

Die Ehe war zunächst harmonisch verlaufen, die dreifache Mutter wurde aber immer unzufriedener. Es kam zu Streitigkeiten mit ihrem Mann, sie entwickelte Eifersuchtsfantasien. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung am 30. September, bei der sich das Paar gegenseitig Verletzungen zufügte, wurde der Mann von der Polizei weggewiesen und mit einem 14-tägigen Betretungsverbot belegt.

Anklage: „Fürchterliche Angst“ um Kinder

Am Tag vor der inkriminierten Bluttat kehrte der Mann zurück in die Wohnung. Dort wurde er von seiner Ehefrau verdächtigt, er habe sich eine neue Frau gesucht, werde sie verlassen und die Kinder mitnehmen. Es setzte neuerlich ein Streit ein, der Mann verließ die Wohnung, um bei einem Freund zu übernachten.

In dieser Situation entwickelte die 31-Jährige laut Staatsanwältin eine „fürchterliche Angst“, ihre Kinder zu verlieren. Sie aß mit ihnen zu Abend, gab dem acht Monate alten Buben das Fläschchen, als dieser in der Nacht aufwachte, und fasste schließlich mitten in der Nacht „den Entschluss, mit ihren Kindern ‚in den Himmel zu gehen‘ und erst die Kinder und dann sich selbst zu töten“ (Anklageschrift).

Kinder mit Polster erstickt

Tatwaffe war ein gelber Kopfpolster, den die Mutter den schlafenden Kindern ins Gesicht gedrückt haben soll. Im Anschluss versuchte sich die Frau umzubringen, brachte sich aber nur oberflächliche Verletzungen bei. Um 5.24 Uhr wählte sie dann den polizeilichen Notruf und gab an, sie habe ihre Kinder getötet.

Eigentlich habe sie ja den Ehemann und nicht ihre Kinder töten wollen, brachte die Angeklagte in ihrer Beschuldigteneinvernahme vor: „Aber er ist weggelaufen.“ Sie habe „die Gedanken im Kopf gehabt, dass die andere Frau die Kinder wegnimmt und diese schlecht behandelt“. Sie habe mitten in der Nacht „eine oder zwei Minuten nachgedacht“ und sei dann mit dem Polster zu ihren schlafenden Kindern gegangen: „Danach wollte ich mich mit einem Messer schneiden und viel Blut verlieren.“