Ein Pfandschein in Nahaufnahme
ORF
ORF
wirtschaft

CoV: Pfandleiher haben immer mehr Kunden

Kurzarbeit, Umsatzausfälle oder Arbeitslosigkeit: Die Corona-Krise stellt viele Menschen vor große finanzielle Herausforderungen. Das merken auch die Wiener Pfandleihanstalten – die Zahl der Kundinnen und Kunden ist dramatisch gestiegen.

Die Coronakrise macht sich in der Pfandleihanstalt von Karin Meier-Martetschläger stark bemerkbar. Sie hat das Familienunternehmen am Währinger Gürtel von ihrer Mutter übernommen. Spezialisiert ist man hier – im Gegensatz zu anderen Pfandhäusern, die allerlei Wertgegenstände annehmen – auf Autos und Versicherungen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie im vergangenen März boomt ihr Geschäft: Zunächst waren es vor allem Unternehmen, die hier vorstellig wurden. „Weil die Hilfsgelder nicht oder zu spät angekommen sind, wir waren die Überbrückungshilfe. Viele Gewerbetreibende haben ihren Fuhrpark bei uns belehnt“, schildert sie im „Wien heute“-Interview. Aber auch viele Privatpersonen müssen das Angebot der Pfandleihe nutzen, etwa weil sie arbeitslos geworden sind. Als „Spiegelbild der Krise“ beschreibt Meier-Martetschläger ihr Geschäft.

„Es kommen alle zu uns“

Wie viele mehr Menschen nun zu ihr kommen, möchte die Geschäftsführerin aus Konkurrenzgründen nicht sagen, nur so viel: „Es sind wirklich viel mehr.“ Und: „Es kommen alle zu uns – vom Arbeitslosen bis zum Arzt. Es gibt keinen Berufsstand, den wir hier noch nicht gesehen haben.“

Karin Meier-Martetschläger im Interview
ORF
Karin meier-Martetschläger spürt einen deutlichen Anstieg bei ihren Kundinnen und Kunden

Das Prinzip funktioniert – am Beispiel Auto kurz gefasst – so: Ein Fahrzeug wird in die Pfandleihanstalt gebracht. Anhand unterschiedlicher Kriterien von Einkaufspreis bis Gebrauchsspuren ermittelt Meier-Martetschläger den Wert und stellt sicher, dass sie es auch wirklich mit dem Eigentümer zu tun hat. Dann wird ein gewisser Prozentsatzes des Werts ausbezahlt. Weniger Geld bekommt man, wenn man das Auto weiter nutzen möchte. Laut Meier-Martetschläger trotzdem eine beliebte Variante „weil dann niemand sieht, dass das Auto eigentlich verpfändet ist, anders als bei einem Wertgegenstand, der dann weg ist“.

Mehr Kunden bei Pfandleihern

Die Corona-Krise stellt viele Menschen vor große finanzielle Herausforderungen. Das merkt man auch in den Pfandleihanstalten. Die Zahl der Kundinnen und Kunden ist bei ihnen dramatisch gestiegen.

Beratung im Vorfeld sehr wichtig

Mit dem Pfandschein kann das Fahrzeug dann nach Rückzahlung plus Zinsen wieder ausgelöst werden. Geschieht das nicht, wird es verwertet. „Wir haben aber nur eine sehr geringe Verwertungsquote, ich versuche wirklich, für jeden eine Lösung zu finden“, so Meier-Martetschläger. Um „einen Beitrag zur Bewältigung der Krise“ zu leisten, hat sie ihre Zinsen vorerst halbiert. Dennoch ist es wichtig, sich eine Verpfändung vorher genau zu überlegen. Die Geschäftsführerin setzt dabei auf viel Beratung: „Geld ist schnell aufgenommen, zurückzahlen ist aber schwer. Man muss sich im Vorfeld gut überlegen, was kann ich mir leisten.“

Schön öfters sei es vorgekommen, dass Menschen nach einer Beratung mit deutlich weniger Geld nachhause gehen, als sie vorgehabt hätten. Denn als langfristiger Kredit ist das Pfandleihesystem keinesfalls geeignet, eher zur Überbrückung. Der Vorteil: Banken müssen die gesamte Bonität ihrer Kunden streng überprüfen, in der Pfandleihe zählt nur der Wertgegenstand selbst.

Eine Kasse auf der Pfandscheine liegen
ORF
Belehnungen sollten nicht als Kreditersatz aufgenommen werden

Aufklärung ist Meier-Martetschläger wichtig, sie arbeitet auch in Schulen zusammen mit Jugendlichen, um ihnen den Umgang mit Geld näherzubringen. „Wir hatten damals einfach nur das Geld im Börsel, keine Plastikkarten.“ Heute sei es damit einfacher, schon früh Schulden zu machen.

„Ich habe schon viele Geschichten gehört“

Gerade in der CoV-Krise hört Meier-Martetschläger viele Schicksale: „Ich habe schon viele Lebensgeschichten gehört. Wir hatten zum Beispiel einen gestandenen Wiener Unternehmer, der im ersten Lockdown plötzlich zusperren musste. Seine Kosten sind aber weiter gelaufen. Der ist hier einfach zusammengebrochen und hat geweint.“ Am Ende sei dann aber alles gut geworden – der Unternehmer bekam Hilfsgelder und konnte seine Wertgegenstände auslösen.