Politik

Herbe Kritik an Wiens CoV-Politik

Bürgermeister Ludwig als „Totengräber“ der Wirtschaft: Die FPÖ hat im Gemeinderat Wiens CoV-Politik attackiert, im Konter waren sich SPÖ, NEOS und Grüne einig. Den Vorwurf der Freunderlwirtschaft wies die Stadtregierung in der zweiten Sondersitzung als Ablenkungsmanöver von ÖVP und FPÖ zurück.

Die FPÖ kritisierte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und dessen „Brutalo-Lockdown“. Man rette keine Menschenleben, wenn man Wien „einfach zusperre“, befand FPÖ-Chef Dominik Nepp. Das brachte den Blauen den Vorwurfe ein, „alternative Fakten“ zu verbreiten. Der Dauerlockdown sei eine Katastrophe für die Stadt. Ludwig habe ihn zur „niedlich netten Osterruhe“ stilisiert. Tatsächlich sei der Bürgermeister aber der „Totengräber der Wiener Wirtschaft“. Ludwig sei als großer „Schanigartenmacher“ aufgetreten, nachdem er ins Bundeskanzleramt gepilgert sei, sei er als Lockdown-Fanatiker zurückgekommen, so Nepp.

Bei den Intensivbetten müsse man sich fragen, ob es hier nicht zur künstlichen Verknappung komme, so Nepp weiter. Denn es würden auch Menschen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland dort versorgt. Es gebe null Plan, wie der Aufbau nach der Krise geschehen solle. Die FPÖ forderte unter anderem die Einführung eines „Coronatausenders“ für jeden Staatsbürger.

SPÖ und NEOS kontern FPÖ-Kritik

Die FPÖ agiere, als würde es die CoV-Pandemie nicht geben, konterte SPÖ-Gemeinderat Kurt Stürzenbecher. Dabei handle es sich um ein weltweites Problem mit Millionen Toten. Die Belegung der Intensivstationen sei noch immer besorgniserregend hoch. „Wir wollen so viel Menschenleben retten wie möglich“, versicherte Stürzenbecher. Was passiere, wenn man weitgehend auf Maßnahmen verzichte, zeige sich etwa in Brasilien. Man solle nicht bagatellisieren, wie schwer die Verhältnisse derzeit seien. Die Stadt versuche mit rund 50 CoV-Hilfsmaßnahmen Unterstützung anzubieten.

NEOS würde Kritik am Bund durchaus unterstützen, aber man könne nicht Bürgermeister Ludwig zum „Corona-Totengräber“ machen. „Ich bin auch kein Fan von Lockdowns, aber sie sind nötig. Die Triage ist nicht erfunden, die ist Fakt“, sagte Markus Ornig. Der Bürgermeister sei mit den Maßnahmen nicht „lustig“, er nehme Verantwortung wahr, etwas, was die FPÖ nicht kenne, verwies Ornig auf die Demo-Teilnahme von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Menschen würden von der FPÖ ständig belogen, Kickl erfinde etwa fragwürdige Nebenwirkungen einer Impfung, „die uns wirklich schnell aus Lockdowns bringen würde“.

Grünes Brennglas und türkises Lob – für den Bund

Auch Judith Pühringer (Grüne) sprach die umstrittenen Kundgebungen an, bei denen jüdische Mitbürger sogar aufgefordert werden müssten, zuhause zu bleiben. Die FPÖ setze auf die Angst der Menschen: „Das ist eine Frechheit.“ Es sei nicht Zeit für Angst und Spaltung, vielmehr müsste die Krise bekämpft werden. Gefordert seien sozial gerechte und ökologische Lösungen, betonte sie. Die Krise sei wie ein Brennglas und zeige, „was unsere Gesellschaft zusammenhält, wer uns trägt, wer uns versorgt.“ Bisher oft unsichtbare und schlecht bezahlte Arbeit von Frauen könne künftig nicht mehr geleugnet werden.

Margarete Kriz-Zwittkovits (ÖVP) lobte die Bundeshilfen, laut Studien angeblich die höchsten pro Kopf. Auch Wien profitiere davon. So habe sich das Instrument der Kurzarbeit „hervorragend bewährt“. Zudem seien Steuererleichterungen und Steuerstundungen gewährt worden, auch Garantien, Haftungen oder der Umsatzersatz seien bedeutend: „Ich darf erwähnen, dass die Förderung unabhängig von der Branche gewährt wurde. Daher hat parteipolitische Kritik überhaupt niemand geholfen.“ Der Bund stelle Wien 7,2 Mrd. Euro zur Verfügung. Dazu würden noch die Mittel aus dem Gemeindepaket kommen.

FPÖ-Mandatare ohne Maske im Gemeinderat

Viele FPÖ-Mandatare sind am Donnerstag ohne Maske in den Gemeinderat gekommen. Damit wollten sie offenbar ihrem Protest gegen die CoV-Politik des Bürgermeisters Ausdruck verleihen. verlängerte Lockdown war auch Thema bei einer von zwei Sondersitzungen am Donnerstag.

„Postenschacher und Freunderlwirtschaft“

Auf die CoV-Debatte folgte auf Antrag der ÖVP eine zweite Sondersitzung unter dem Titel „Postenschacher und Freunderlwirtschaft sowie maßgeschneiderte Ausschreibungen und Immobiliendeals – das ‚System Wiener SPÖ‘ innerhalb der Stadt Wien!“. Die ÖVP thematisierte dabei unter anderem Beschaffungen im Wiener Gesundheitsverbund. Kritisiert wurden „maßgeschneiderte, getürkte Ausschreibungen“ für Siemes-Computer-Tomographen. Gerichtlich wurde die Causa gekippt. Das Gericht sah keine politische Einflussnahme, die ÖVP ortete aber dennoch – wie sie sagte – Interessenskonflikte.

„Die personelle Nähe des Siemens-Konzerns zur Wiener SPÖ macht keine gute Optik. Ich denke an die Frau Stadträtin Brigitte Ederer, die im Jahr 2000 zu Siemens gekommen ist, oder jetzt Sonja Wehsely“, sagte Gemeinderätin Ingrid Korosec (ÖVP). ÖVP, FPÖ und Grüne sind für eine Sonderprüfung, Beschluss gab es aber noch keinen. SPÖ und NEOS sehen in den Freunderlwirtschaftsvorwürfen wörtlich ein „Ablenkungsmanöver von türkisen und blauen Skandalen“.