Gedenkort, viele Kerzen auf der Straße
APA/Helmut Fohringer
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Politik

Trauer und Pannen: Terror vor sechs Monaten

Am 2. November 2020 ist Wien plötzlich stillgestanden. Der Terroranschlag in der Innenstadt sorgte für einen Ausnahmezustand. Ein halbes Jahr danach bleibt die Trauer der Angehörigen und die Erkenntnis, dass es Behördenpannen gab.

Vier Menschen tötet der Attentäter, bevor er von der Polizei erschossen wird. Die Schwester von Irmgard Pretzner ist eines der Todesopfer, sie wurde auf einem Waldfriedhof beigesetzt. „Ich habe vier, fünf, sechs Tage ihre Leiche gesucht. Wo mir die Polizei gesagt hat, sie ist in der Gerichtsmedizin und die macht alles Weitere. Und die Gerichtsmedizin hat mir gesagt, ihre Leiche ist nicht da, und sie wissen nicht, wo sie ist. Da war immer wieder so kurz die Hoffnung. Vielleicht lebt sie doch noch“, berichtet sie in der ZIB2.

Keine Unterstützung bei Behördenwegen

Was Pretzner auch gefehlt hat: Hilfe bei Behördengängen etwa oder Betreuungsangebote. So habe sie erst über die Opferschutzorganisation Weißer Ring davon erfahren, dass es einen Fonds gibt, bei dem Hinterbliebene von Verbrechensopfern um Unterstützung für die Begräbniskosten ansuchen können. Offiziell habe sie nie Auskünfte bekommen.

Bei dem Baum, wo auch ihre Schwester bestattet wurde, liegen mittlerweile auch andere Menschen: „Von jedem Alter, jedes Geschlecht, unterschiedliche Nationalitäten. Und das find ich so schön, weil das so gut zu ihr passt.“ Die Angehörigen verzichten auf Klagen. Sie wollen lieber daran denken, wie Gudrun gelebt hat und nicht an ihren Tod und auch nicht an den Täter.

Terroranschlag: Opfer fühlen sich im Stich gelassen

Vor sechs Monaten wurde Wien Schauplatz eines islamistischen Terroranschlags. Die Wunden der Opfer und der Hinterbliebenen sind seither kaum verheilt. Viele fühlen sich von der Republik allein gelassen, vielen fehlte auch die Hilfe bei Behördengängen oder Betreuungsangeboten.

2.000 Euro für Verletzte und Opferfamilien

23 Personen wurden an jenem Abend teils schwer verletzt. Patrick Meyer erlitt einen Durchschuss im Arm: „Dabei wurde die Arterie im Arm zerfetzt“, erzählt er in der ZIB2. Er erhielt 2.000 Euro Schmerzengeld von der Republik Österreich, dieselbe Summe wie sein durch Splitter nur leicht verletzter Freund. Selbst Angehörige von Verstorbenen haben nur 2.000 Euro nach dem Verbrechensopfergesetz bekommen. Höhere Zahlungen hat die Finanzprokuratur abgelehnt.

Meyer hätte mehr Geld erwartet. „Ich finde die Summe lächerlich, weil ich auch selber nicht weiß, was wird in ein, zwei Jahren sein mit meinem Arm. Ich spüre ja immer noch Folgen von dem Ganzen, habe im Arm Taubheitsgefühle.“ Laut Sozialministerium wird an einer Reform und Erhöhung der Entschädigungsansprüche im Verbrechensopfergesetz gearbeitet. Terroropfer und Hinterbliebene hoffen, dass das dann auch rückwirkend für sie gilt.

Peschorn über Terror-Entschädigungen

Wolfgang Peschorn, Leiter der Finanzprokuratur und damit Anwalt der Republik, spricht über die Ermittlungspannen im Vorfeld des Terroranschlags in Wien, wer die Verantwortung für dieses Geschehen übernimmt und über die Höhe der Schmerzensgeldzahlungen an die Opfer und die Hinterbliebenen.

Rechtlich nicht mehr Entschädigung möglich

Die Republik klagen, will Patrick Meyer eigentlich nicht. Er hofft angesichts seiner Verletzungsfolgen auf freiwilliges, aber deutlich höheres Schmerzengeld. Dem entgegnet Wolfgang Peschorn, Leiter der Finanzprokuratur, dass das schon rein rechtlich nicht möglich sei. Die Finanzprokuratur tritt quasi als Anwalt der Republik auf. Peschorn betonte in der ZIB2: „Der Untersuchungsbericht der Kommission sagt eindeutig, dass dieses Attentat nicht verhindert hätte werden können.“

Dem Anschlag am 2. November gehen zahlreiche Behördenfehler voraus, so der Bericht der Untersuchungskommission. Seit Juli war dem Verfassungsschutz bekannt, dass der spätere Attentäter Kontakt zu einer vermuteten Terrorzelle hatte, dass er radikale Islamisten aus Deutschland und der Schweiz bei sich übernachten ließ und einen Tag später in Bratislava Munition für eine Kalaschnikow kaufen wollte.