Wenn man die U2 bei der Aspernstraße verlässt, könnte man meinen, an zwei unterschiedlichen Orten zu sein. Auf der einen Seite sieht man moderne Neubauten, auf der anderen den ehemaligen Vorort Aspern mit Dorfcharakter. Der U2-Ausbau Richtung Seestadt Aspern hat das Dorf an die Innenstadt angebunden, damit kamen aber auch Bauträger und errichten in unmittelbarer Nähe Wohnungen für Tausende Wienerinnen und Wiener.
Ein Stück näher ans Zentrum
„Auf dem Weg zur Seestadt war es ein bisschen ein Nebeneffekt, dass da plötzlich andere Gebiete im 22. Bezirk ein Stück weit näher an das Zentrum gerückt sind“, erzählt Katharina Kirsch-Soriano da Silva. Sie leitet die Stadtteilarbeit der Caritas, ihr Team ist in der ganzen Stadt dabei, wenn neue Stadtentwicklungsgebiete entstehen und besiedelt werden. Dabei widmen sie sich vor allem dem Zusammenleben im neuen Gebiet und mit den bestehenden Strukturen.
Das Gebiet rund um die U2-Station Aspernstraße hat sich seit der Erschließung durch die U-Bahn stark verändert. Für die bestehenden Bewohnerinnen und Bewohner ist das nicht immer einfach, sagt Kirsch-Soriano. „Dass hier grundsätzlich Tausende neue Menschen kommen, dass hier nachverdichtet wird – das sind Entscheidungen, die werden ganz woanders getroffen. Auch so sind Widerstandsbewegungen zu verstehen, weil man es sich so nicht ausgesucht hat und in den übergeordneten Entscheidungen der Stadtentwicklung eigentlich nicht mitsprechen kann.“
Wohnraum für 5.000 Menschen geplant
Im Gegenteil: Viele seien gerade wegen der Nähe zum Grünen in diesen suburbanen Raum gezogen. Denn die Donaustadt war lange Jahre eher durch den dörflichen Charakter mit noch intakten Ortskernen gekennzeichnet, erzählt Kirsch-Soriano, die sich dem Thema auch wissenschaftlich als Lektorin an der FH Campus Wien annimmt. Doch entlang der U-Bahnen kommt es nun zu einer Urbanisierung der Gebiete.
Das nächste Entwicklungsgebiet ist auch schon direkt bei der U-Bahn-Station, südlich der Erzherzog-Karl-Straße, in Planung. Auf beiden Seiten der U-Bahn sollen Wohnungen für rund 5.000 Menschen errichtet werden. Ende Februar bis Anfang März gab es eine Beteiligungsmöglichkeit für Anrainerinnen und Anrainer. Die Antworten auf die Fragen wurden online publiziert und zeugen von den Bedenken der langjährigen Bevölkerung.
Auch Vorteile für Alteingesessene
Doch der U-Bahn-Ausbau hat auch positive Seiten für die Anrainer, „sie sind grundsätzlich Profiteure dieser Situation, weil sich hier die Infrastruktur für sie persönlich wesentlich verbessert. Wenn sie das Glück haben, einen unbefristeten Mietvertrag zu haben, dann profitieren sie zu gleichen Preisen“, sagt Michael Pisecky, Obmann im Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wiener Wirtschaftskammer.
Die U-Bahn wirkt sich auch auf die Wohnungspreise aus. Das Unternehmen ImmoUnited hat für wien.ORF.at die Durchschnittskosten für Eigentumswohnungen rund um die U2 Aspernstraße erhoben. „Eine sehr gute Infrastrukturanbindung, wie zum Beispiel eine U-Bahn-Station, steigert den Wert einer Immobilie“, sagt Andreas Millonig, COO von ImmoUnited. Hat man im Zeitraum 2010 bis 2015 noch rund 2.800 Euro pro Quadratmeter bezahlt, waren es in den vergangenen fünf Jahren schon 3.200 Euro. Ein Plus von 13 Prozent.
Erste Planungen ab 1994
Bereits 1994 wurde jedoch im Stadtentwicklungsplan festgehalten, dass eine Donau-Querung für den öffentlichen Verkehr notwendig ist, berichtet Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer. „Die Verlängerung der U2 nach Aspern war Teil der dritten Ausbauphase des Wiener U-Bahn-Netzes. 2002 wurde mit dem Bau der U2-Verlängerung von Schottenring Richtung Nordosten begonnen.“
Wahrscheinlich ist daher, dass auch die Wohnungskosten davor schon gestiegen sind, Aufzeichnungen gibt es nur spärlich. „Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen ist, sondern der über Jahre verläuft“, erklärt Pisecky. Der U-Bahn-Bau erstreckt sich ja über viele Jahre – von der Planung bis zur Umsetzung. „In dieser ganzen Zeit finden schon Preisentwicklungen statt.“ So auch am Wienerberg. Beim rund 240 Meter hohen Bergrücken im Süden Wiens wird seit Herbst 2017 die Biotope City gebaut. Die Wohngebäude werden schon bezogen, die Freiflächen müssen noch fertig gestaltet werden.
Kein Datum für U2 am Wienerberg
In unmittelbarer Nähe soll die U2 irgendwann ihr südliches Ende finden. Ursprünglich war das für 2028 geplant. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Der aktuelle Plan ist laut Steinbauer: „Ab 2028 fährt die U2 Richtung Süden zum Matzleinsdorfer Platz. Die nächste Ausbaustufe für U2 und U5 ist aktuell noch ein Planungsprojekt der MA 18.“ Bei der U5 sieht das Koalitionsübereinkommen von SPÖ und NEOS eine Endstation in Hernals vor, bei der U2 soll es bis zur Gutheil-Schoder-Gasse etwas südlich des Wienerbergs gehen.
Doch ein Datum, wann der Wienerberg an das U-Bahn-Netz angeschlossen wird, wird nicht mehr kommuniziert. Steinbauer sagt lediglich: „Diese Projekte zu verwirklichen wird die Wiener Linien mehr als zehn Jahre beschäftigen.“ Derzeit wird über die Finanzierung des Ausbaus mit Stadt und Bund verhandelt. In der Biotope City warten rund 2.000 Bewohnerinnen und Bewohner auf die U-Bahn, die ihnen von den Bauträgern zum Teil noch auf den Websites versprochen wird.
Die Wohnungspreise haben sich schon entsprechend verändert. Wie die ImmoUnited-Auswertung zeigt, sind Eigentumswohnungen im Zeitraum 2016 bis 2021 um 60 Prozent teurer gewesen als im Vergleichszeitraum 2010 bis 2015. Mittlerweile zahlt man einen Quadratmeterpreis von rund 3.750 Euro.
Reibungsflächen mit Nachbarn
„Wenn man mit Leuten über die Frage der öffentlichen Verkehrsmittel spricht, kommt immer wieder das Bedauern, dass die U-Bahn-Anbindung doch länger dauert“, berichtet Tamara Schwarzmayr. Sie ist Teil des Caritas-Teams, das in der Biotope City das Quartiermanagement übernommen hat. Das Team waren auch schon in den Planungsprozess miteinbezogen. Der sei nicht friktionsfrei gewesen, erzählt Schwarzmayr. „Das war für die Nachbarschaft eine große Veränderung, und der hat man dann nicht immer nur mit Freude entgegengesehen.“
Es gab auch Konflikte, als die ersten Bewohnerinnen und Bewohner einzogen. Die Besiedelung konnte nur über eine kleine Seitengasse erfolgen, erzählt Schwarzmayr, weil das restliche Gebiet noch Baustelle war. „Da gab es viele Beschwerden, weil alles verparkt war, weil Schmutz geherrscht hat – und die Befürchtung war, dass das weiterhin so sein wird.“ Da habe man dann aber klar kommuniziert, wie lange diese Phase dauert.
Gemeinschaftsaktivitäten sollen verbinden
Mittlerweile haben sich die Rückmeldungen geändert, teilweise melden sich Anrainerinnen und Anrainer, die sich über die neue Infrastruktur freuen. Im neuen Stadtgebiet gibt es einen kleinen Lebensmittelhändler, der ASKÖ-WAT bietet einen Turnsaal, und die Stadt Wien hat eine Mittelschule errichtet. Außerdem gibt es einen privaten Kindergarten.
Innerhalb der neuen Stadtgebiete spielt Gemeinschaft eine viel größere Rolle, sagt Kirsch-Soriano, die Leiterin der Caritas Stadtteilarbeit. „Urban Gardening ist ein Thema, das sehr mitgedacht wird.“ Früher sei das nicht so das Thema gewesen, jetzt finde sich das stark wieder. Die günstigeren Smart-Wohnungen, die gesetzlich in einem bestimmten Ausmaß errichtet werden müssen, „sind häufig sehr kompakt, dafür gibt es Gemeinschaftsräume, wo man sich treffen kann.“
Bei der Aspernstraße finden sich etwa zentrale Plätze, um die herum sich die Wohngebäude befinden, mit Spielplätzen und Bänken. In der Biotope City gibt es die „Mikrozone“ im Norden des Gebiets, wo sich die Geschäftslokale und Gemeinschaftsräume befinden. Außerdem sind gemeinsame Gartenprojekte geplant.