Ein Mann nimmt eine Flasche mit alkoholischem Inhalt aus einem Kühlschrank
APA/Georg Hochmuth
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Gesundheit

Mehr Alkoholkranke durch Pandemie

Die Nachfrage nach Hilfe bei Alkoholkrankheit nimmt zu. Langeweile, Einsamkeit, Perspektivlosigkeit und Konflikte sind in der Coronavirus-Pandemie gestiegen und damit auch der Griff zur Flasche.

Die Stadt Wien und das auf Suchttherapie spezialisierte Anton Proksch Institut (API) sehen schon jetzt, dass die Nachfrage nach einer Behandlung von Alkoholsucht in Wien um zehn bis 15 Prozent steigt, sagt Gabriele Gottwald-Nathaniel, Geschäftsführerin des API. Für Menschen mit Vorbelastung und bedenklichem Konsumverhalten ist die Situation in den vergangenen Monaten durchaus gefährlich geworden.

Suchtkranker als „Klavierspieler“

Ein Patient, der anonym bleiben möchte, ist seit Ende März stationär in Behandlung, um wieder gesund zu werden und einen Job zu finden. Im Gespräch mit „Wien heute“ vergleicht er die Auswirkungen seiner Sucht mit einem Klavier: „Ein nicht-suchtkranker Mensch kann mit allen Tasten spielen, ein suchtkranker Mensch hat dann meist nur noch zwei Tasten, um dieselben Dinge zu bewältigen.“

Alkoholkrankheit nimmt zu

Die Stadt und das Anton-Proksch-Institut, das auf Suchttherapie spezialisiert ist, sehen eine Steigerung um bis zu 15 Prozent.

Der Altersdurchschnitt der Menschen, die sich in Wien bei der Bekämpfung ihrer Alkoholsucht helfen lassen, liegt bei 47 Jahren. Getrunken wird da schon meistens 10 Jahre lang in bedenklichen Mengen. Seit 2014 gibt es das Wiener Modell „Alkohol. Leben können“, das kranken Männern und Frauen wieder auf die Beine hilft.

Konsum verlagerte sich ins Private

Ob mit stationärem Aufenthalt, ambulanten Therapien oder sozialen Maßnahmen. Ein Angebot, das durch die Pandemie laut Stadt noch wichtiger geworden ist: „Wir gehen davon aus, dass jene Menschen, die bereits vor der Pandemie ein Alkoholproblem hatten, sich leichter in Behandlung begeben und jetzt früher kommen. Jene Menschen, die im Laufe der Pandemie eine Alkoholproblematik entwickelt haben, werden durch die Verlagerung des Konsums von der Öffentlichkeit ins Private erst viel später in das Behandlungssystem kommen werden“, schätzt der Wiener Sucht- und Drogenkoordinator Ewald Lochner.

Betroffene schneller in Behandlung zu bekommen ist ein wichtiges Ziel. Doch den Schritt dazu muss Mann oder Frau selbst tun. Rund 18 Monate dauert durchschnittlich eine Behandlung der Suchtkrankheit – seit 2014 haben sie 8.000 Menschen in Wien in Anspruch genommen, 68 Prozent Männer, 32 Prozent Frauen. Menschen, die gesund werden wollten, weil sie sich krank getrunken hatten.