Kind klettert auf einen Stuhl neben seiner Mutter
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Wissenschaft

Studie: Gleichstellung bleibt „Illusion“

Die Coronavirus-Pandemie hat die Gleichstellung der Geschlechter als „Illusion“ enttarnt. Nicht nur in, sondern sogar schon vor der Pandemie seien die Rollen von Mann und Frau ähnlich wie in den 1950er Jahren verteilt gewesen, zeigt nun eine Wiener Studie.

„Dass wir eigentlich gar nicht dort waren, wo wir angenommen haben“ in Sachen Gleichstellung, habe die Krise nun aufgezeigt, lautete ein Resümee der Studie. Das würden auch Daten aus anderen Ländern illustrieren, sagte die Ökonomin Katharina Mader: „Alle Frauen eint die Zuschreibung der Betreuungspflicht und der Nachteil daraus im Moment ganz stark.“ In Familien mit Kindern wurde meist die Erwerbsarbeit der Väter über jene der Mütter gestellt. Die etwa durch Homeschooling gestiegene Betreuungsarbeit blieb stark an den Müttern hängen.

Die Lockdown-Situation habe vielfach die „Illusion von Gleichstellung“ geraubt, so ein Fazit der Studie zur Verteilung unbezahlter Arbeit im Krisenmodus der Pandemie. Das Institut für Heterodoxe Ökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und die Arbeiterkammer (AK) Wien befragten während und kurz nach dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr 2.113 Angehörige der urbanen Mittelschicht online dazu, wie sie ihre Zeit verwenden. Präsentiert wurden die Ergebnisse nun in der Onlinevortragsreihe „Wien erforscht Corona“ des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF).

50:50 bei Hausarbeit „nirgendwo annähernd“

Insgesamt habe sich der Anteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit, die von Männern erledigt wird, seit dem Jahr 1981 zwar erhöht. Jene Zeit, die Frauen dafür aufwenden, hat sich seither aber trotzdem nicht merklich reduziert, wie Zeitverwendungserhebungen zeigen würden, sagte Mader. Sozusagen im ersten Schock der Eindämmungsmaßnahmen zeichneten einige Befragte nun ein nochmals auffallend konservatives Rollenbild, was die Verteilung betrifft.

So leisteten Alleinerzieher insgesamt die allermeiste unbezahlte Arbeit, Mütter in Paarhaushalten standen ihnen aber kaum um etwas nach. Durch den Partner im Haushalt wurde die Arbeit nicht gleichmäßiger verteilt, so die Forscherin. Je jünger die Kinder waren, desto weniger Erwerbstätigkeit leisteten Frauen, aber auch bei älteren Kindern im Familienverband war die Hausarbeit kaum gleichmäßiger verteilt. Das etwa in den 1990er Jahren stark propagierte „50:50“ bei der Hausarbeit finde sich nahezu „nirgendwo annähernd“.

Erwerbstätigkeit der Väter höher bewertet

Zudem habe das Homeschooling tatsächlich bei kleinen und großen Kindern viel Zeit in Anspruch genommen. Reduziert sich sonst bei derartigen Erhebungen die Betreuungszeit für Kinder, umso älter diese werden, war das im April und Mai letzten Jahres nicht so. Mehr Freizeit war den Müttern in der Lockdown-Situation tendenziell erst gegönnt, wenn die Kinder älter waren.

Väter hatten hingegen insgesamt mehr Freizeit. Das funktionierte in etwa nach dem Motto: „Seine Erwerbsarbeit ist die wichtigere, also ist auch seine Freizeit wichtiger“, sagte Mader. Dass die Erwerbsarbeit der Väter oft höher gewichtet wurde, zeige sich auch darin, dass sie seltener mit den Kindern im selben Raum arbeiteten. Wie schlecht sich die Homeoffice-Situation mit Kindern vereinbaren ließ, könne man auch an „ganz massiven Schuldgefühlen gegenüber Kindern und Arbeitgebern“ bei den Eltern herauslesen.