Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (l, SPÖ) und Michael Binder (Medizinischer Direktor des Wiener Gesundheitsverbundes,r.)
APA/HERBERT NEUBAUER
APA/HERBERT NEUBAUER
Coronavirus

Hacker mahnt: „Pandemie noch nicht vorbei“

Die Bundesregierung hat heute weitere Öffnungsschritte mit 1. Juli bekanntgegeben. Kritik am Tonfall der Regierung übte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) im „Standard“. Die Pandemie sei noch nicht vorbei. Er fordert mehr PCR-Tests.

Hintergrund ist die Delta-Variante des Coronavirus. Die sei „in Wien und in Österreich angekommen“, sagte Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien. „Wir liegen derzeit in Deutschland bei einer Verbreitung von circa sechs Prozent, wir sind in Wien irgendwo zwischen fünf und zehn Prozent.“ In Großbritannien habe es circa zwei Monate gedauert, bis diese Variante die dominierende geworden ist, „sie wird sich auch bei uns ausbreiten“.

Statement von Oswald Wagner (Vizerektor der MedUni Wien)

Davon geht auch Hacker aus. Er zeigt sich deshalb verblüfft ob der Tonalität bei der Pressekonferenz am Donnerstag. „Da wurde die Pandemie quasi wieder einmal abgesagt“, sagte er im „Standard“. „Lebensfreude im Sommer ist super. Doch die werden wir nicht haben, wenn wir auf die notwendigen Maßnahmen gegen die ansteckendere Delta-Variante verzichten. Diese Botschaft hat mir gefehlt: Die Pandemie ist noch nicht vorbei.“

PCR-Tests für alle Bundesländer gefordert

Um die Varianten zu erkennen, braucht es mehr PCR-Tests, so Hacker. Er bringt im Vergleich zum Antigen-Schnelltest einen Vorsprung von ein bis zwei Wochen im Kampf gegen die Variante. „Wenn zu wenig PCR-Tests durchgeführt werden, erfasst man die Infektion von jedem einzelnen dementsprechend später“, sagt Infektiologin Monika Redlberger-Fritz.

Testen gegen die Delta-Variante

Zum Spielverderber könnte die ansteckendere Delta-Variante des Corona-Virus werden, bisher als indische Variante bekannt. In zwei Monaten könnte sie dominant sein, verstärkt durch viele Reisen. Um die Delta-Variante in Schach halten zu können, braucht man verlässliche Daten – und die bekommt man nur von PCR-Tests. Doch außer in Wien wird immer weniger PCR getestet.

Seit Anfang April hat sich die Zahl der PCR-Tests in den Bundesländern im Schnitt um 59 Prozent reduziert. Es werden nur Verdachtsfälle getestet, kritisiert die Stadt. In Wien gab es seither um fast 66 Prozent mehr PCR-Tests, wegen der Aktion „Alles gurgelt“. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) fordert deshalb, dass „Alles gurgelt“ zumindest auf andere Landeshauptstädte ausgeweitet wird. Auch wenn die Logistik schwieriger ist, als in der Großstadt.

Fix ist das noch nicht. In einer Stellungnahme des Gesundheitsministeriums gegenüber „Wien heute“ heißt es: „An einer bundesweiten Ausrollung von ähnlichen, auf die Besonderheiten der jeweiligen Bundesländer angepassten Möglichkeiten, niederschwellig PCR-Tests zur Verfügung zu stellen, wird gearbeitet.“

Nachtgastro darf öffnen, MNS kehrt zurück

Ab 1. Juli werde die Sperrstunde abgeschafft, kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Wagner, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Grünen-Staatssekretärin Andrea Mayer an. Damit könne die Nachtgastronomie öffnen, Hochzeiten und andere Feste, „alles, was Spaß macht“, gefeiert werden, so Kurz.

Weitere Lockerungen ab Juli

Die Bundesregierung hat heute angesichts stark gesunkener Neuinfektionszahlen weitere Lockerungen der Corona-Maßnahmen angekündigt.

Die Kontaktbeschränkungen fallen, es gebe zudem ab Juli keine Beschränkungen der Kapazitäten und keine Maskenpflicht mehr bei Großveranstaltungen, weder im Sport noch in der Kultur. Die „3-G-Regel“, ein zu erbringender Nachweis von Impfung, Test oder Genesung, bestehe weiterhin dort, wo das auch jetzt schon der Fall sei.

Betriebliches Impfen nun für alle

Wien hat die Anmeldungen beim betrieblichen CoV-Impfen für die letzte Kategorie 5 sowie für individuelle Berufsgruppen und damit für alle Arbeitnehmer geöffnet. 83.000 neue Termine wurden freigegeben, geimpft wird mit Biontech/Pfizer und Moderna, teilte das Büro von Gesundheitsstadtrat Hacker mit. In die Kategorie 5 fallen Arbeitnehmer jeden Alters ohne besonderes berufliches Risiko.

Wenn alle angekündigten Impfstoff-Lieferungen halten, könnten Ende Juni bis zu 55 Prozent der Wiener Gesamtbevölkerung zumindest die erste Teilimpfung erhalten haben. Die angestrebte Durchimpfungsrate von mindestens 70 Prozent könnte in der zweiten Juli-Hälfte erreicht sein. Eine Durchimpfungsrate von 80 Prozent, die laut Stadt „zur Verhinderung einer vierten Welle im Herbst notwendig sein wird“, sei aus jetziger Sicht Ende August möglich.