Seestadt Aspern März 2021
ORF.at/Christian Öser
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Politik

Front gegen Tunnelevaluierung wird breiter

Während für Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) ein Ende des Projekts Lobautunnel denkbar ist, weist die Wirtschaftsagentur Wien auf die negativen Folgen hin. Auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stellt sich bei der Evaluierung gegen die Ministerin.

Er sehe sich in der Frage der Evaluierungen diverser ASFINAG-Projekte auf der Seite der Bundesländer und der Ostregion, also für die Umsetzung der Projekte zu sein, so Kurz am Freitag: „Wir brauchen eine gute Infrastruktur, gerade im ländlichen Raum.“ Es handle sich um langjährige Projekte, die Sache sei sehr eindeutig – mehr dazu in ASFINAG-Baustopp: Kurz auf Seite der Länder (noe.ORF.at).

Wolfgang Rehm, Sprecher der Umweltorganisation Virus, die naturgemäß zu den Kritikern der Ausbaupläne zählt, kommentierte die Aussage des Bundeskanzlers am Freitag damit, dass es nicht wundere, „dass Kurz hier eher den Klimakiller als den Klimakanzler darstellt, den Österreichs Klimaverpflichtungen von ihm verlangen würden. Er stellt sich damit aber der Zukunft und dem Erhalt der Lebensgrundlagen in den Weg.“

Wirtschaftsagentur: Bedrohung für Seestadt

Unbedingt für den Bau der Wien-Umfahrung mit Lobautunnel und Stadtstraße sprach sich die Wirtschaftsagentur Wien aus. Die Evaluierung bedrohe eines der größten Stadtentwicklungsgebiete Europas, sagte Gerhard Hirczi von der Wirtschaftsagentur: „Das Projekt Seestadt war von Anfang an darauf ausgelegt, eine Balance zwischen Wohnen und Arbeiten zu schaffen, um eine Stadt der kurzen Wege zu schaffen und um auch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ich sehe konkret Arbeitsplätze gefährdet, sollte es zu einer Verspätung bzw. im schlechtesten Fall zu einer Absage des Lobautunnels kommen.“

Laut dem Masterplan von 2007 sollen noch bis zu 15.000 Arbeitsplätze in der Seestadt entstehen. Gibt es keine Stadtstraße, gibt es auch keine Jobs, weil sich Betriebe nicht ansiedeln werden. Die geplante Stadtstraße ist für die Betriebe, die sich ansiedeln wollen, bei Verhandlungen ein Kernargument. Sie vertrauen auf Rechtssicherheit, die jetzt aber unsicher ist. „Gerade dieses Vertrauen ist ein zartes Pflänzchen – wenn man da ein paarmal draufsteigt, dann wächst es nicht mehr“, warnt Hirczi vor massiven Nachteilen durch den Planungsstopp im Standortwettbewerb mit internationalen Metropolen.

Arbeitsplätzemangel nördlich der Donau

Bisher hatte Österreich eine hohe Planungssicherheit. „Das ist nicht in allen Ländern so“, sagte Hirczi. „Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass diese Dinge unbeobachtet und unregistriert bleiben im Ausland, und es ist mittlerweile ein beinharter Wettbewerb im Gange.“ Für die beiden Bezirke nördlich der Donau – Floridsdorf und Donaustadt – würde das Wegbleiben der Unternehmen einen weiteren Rückschlag bei der Arbeitsplatzintensität geben.

Schon jetzt gibt es dort im Vergleich zu den anderen Bezirken wenig Arbeitsplätze. Bei rund 340.000 Menschen würden schon jetzt 60.000 Arbeitsplätze fehlen. Wenn da noch neue Wohnungen dazukommen sollten und keine Arbeitsplätze, dann verschärfe sich dieses Defizit, so Hirczi. Menschen, die in den Bezirken keine Arbeit fänden, müssten auspendeln in andere Bezirke oder über die Stadtgrenze – was wieder zusätzlichen Verkehr generieren würde.