Schlüssel im Schloss einer Wohnungstür
APA/Barbara Gindl
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Soziales

Tausende in Wien kurz vor Delogierung

Rund 10.000 Menschen in Wien stehen kurz vor der Delogierung, so eine Schätzung der Arbeiterkammer. Die Bundesregierung beschloss zwar Hilfsgelder – die kommen aber erst gegen Ende des Jahres, was für viele zu spät ist.

Anfang September droht etwa Irene die Delogierung. Sie ist alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, drei leben noch bei ihr in der Gemeindewohnung. „Wir haben die Wohnung mit viel Schweiß, mit wenig Mitteln eingerichtet – alles hart erarbeitet, zusammengespart und die Wohnung hergerichtet“, erzählt Irene im Interview mit „Wien heute“. „Ich zieh da nicht aus.“

Irene hatte Geld vom AMS und Mindestsicherung bezogen, dann aber während der Pandemie eine Ausbildung zur Nageldesignerin gemacht – sie wollte arbeiten. Sie löste einen Gewerbeschein, um in Teilzeit als Selbstständige etwas dazuzuverdienen. Das Gewerbe gilt jedoch als Vollzeit-Tätigkeit, womit seit Mai alle Arbeitslosenhilfen wegfielen. Seither stapeln sich die Rechnungen. „Man kämpft und kämpft und es ist keine Aussicht auf Besserung“, schildert die Frau.

Caritas verzeichnet deutlich mehr Anfragen

Den Gewerbeschein gab Irene bereits zurück. Hilfe bekommt sie derzeit vor allem von Einrichtungen wie Diakonie und Caritas. „Es ist leider alles andere als ein Einzelfall“, sagt Doris Anzengruber von der Caritas-Sozialberatung gegenüber „Wien heute“. Durch die Pandemie seien die Anfragen deutlich mehr geworden.

Von Jänner bis Juli suchten bei der Wiener Caritas 6.860 Menschen mit Mietzahlungsproblemen um Hilfe an, um 17 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. „Ganz viele alleinerziehende Frauen wenden sich an uns, weil sie Probleme haben, die Fixkosten zu bezahlen“, so Anzengruber.

Rund 10.000 Menschen von Delogierungen bedroht

Rund 10.000 Menschen in Wien stehen kurz vor der Delogierung. Auch das eine Folge der Pandemie. Für Miete und Strom reicht wegen Kurzarbeit oder Jobverlust oft das Geld nicht mehr.

Vor Pandemie rund 5.000 von Delogierung bedroht

Laut Arbeiterkammer waren vor der Pandemie in Wien etwa 5.000 Menschen von einer möglichen Delogierung bedroht – nun sind es laut Schätzungen der Kammer doppelt so viele. Die Bundesregierung beschloss – auch auf Druck der Arbeiterkammer – einen Hilfsfonds von 24 Millionen Euro. Erste Auszahlungen dürfte es aber frühestens gegen Jahresende geben.

„Wir wissen, dass das Ministerium erst die Grundlagen erarbeiten muss, das Regelwerk erarbeiten muss. Trotzdem finden wir dass es relativ schnell gehen sollte“, fordert Arbeiterkammer-Wohnexperte Thomas Ritt. Irene will jedenfalls weiter kämpfen – ihr großes Ziel: irgendwann ein eigenes kleines Nagelstudio zu haben.