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Bildung

Sorge um Kinder in Deutschförderklassen

Die Pandemie hat Schule zu einer Herausforderung gemacht – das Lernen von zu Hause funktioniert in Deutschförderklassen kaum, befürchtet ein Experte der Uni Wien. Er fordert nun, dass die Kinder heuer dennoch in die nächste Schulstufe aufsteigen dürfen.

In der Zeit ohne Präsenzunterricht seien viele Kinder aus Deutschförderklassen für ihre Lehrerinnen und Lehrer schlecht erreichbar gewesen, sagte Germanist Hannes Schweiger (Uni Wien) im Gespräch mit der APA. Ein guter Teil komme aus sozial benachteiligten Familien, ihnen hätten für die Teilnahme am Fernunterricht die Ausstattung und gute Lernbedingungen gefehlt. Aus Erfahrungsberichten wisse er außerdem, dass ein sinnvolles und gutes Unterrichten einer Deutschförderklasse, wo es hauptsächlich um Kommunikation gehe, über Distance-Learning kaum möglich sei.

Keine Erleichterungen für außerordentliche Schüler

Die Deutschförderklassen wurden im Schuljahr 2018/19 für jene Kinder eingeführt, die als außerordentliche Schüler eingestuft werden, also dem Unterricht wegen mangelnder Deutschkenntnisse nicht folgen können. Dort lernen sie in 15 bis 20 Wochenstunden Deutsch, nur in Fächern wie Zeichnen und Turnen sitzen sie mit ihren Alterskollegen in der Regelklasse. Am Ende jedes Semesters wird ihr Deutschfortschritt überprüft.

Bei dem Einstufungstest MIKA-D hätten denn auch so manche Schüler zu Beginn des vergangenen Wintersemesters besser abgeschnitten als nach dem Distance-Learning an dessen Ende. Die Politik habe auf die Auswirkungen der Pandemie auf die Deutschförderklassen dennoch kaum Rücksicht genommen, kritisierte Schweiger. Für die außerordentlichen Schüler habe es kaum Erleichterungen gegeben, ganz im Gegensatz zu den ordentlichen Schülern (u. a. automatischer Aufstieg mit einem Nicht genügend) oder den Maturanten (freiwillige mündliche Reifeprüfung etc.).

Experte will direkten Aufstieg in nächste Schulstufe

Schweiger hätte es nur fair gefunden, Schüler der Deutschförderklasse in die nächste Schulstufe aufsteigen zu lassen. Dann hätten die Lehrer begleitend schauen können, ob diese weiter eine Deutschförderklasse besuchen müssen oder ob sie so weit sind, dass sie als außerordentliche Schüler nur noch sechs Stunden pro Woche parallel zum Unterricht einen Deutschförderkurs besuchen oder sogar als ordentlicher Schüler in die Regelklasse umsteigen können. Stattdessen müssen sie auch diesmal das Jahr wiederholen, wenn ihre Sprachkenntnisse laut MIKA-D „ungenügend“ waren.

Bei der Wiener Bildungsdirektion erklärte man auf Radio-Wien-Anfrage, dass der Test dieses Semester aufgrund der Pandemie erst zu Schulbeginn durchgeführt werde. Das ist Schweiger aber zu wenig. Er will den Test ganz abschaffen: Es solle nicht mehr ein einzelner, aus seiner Sicht dafür noch dazu ungeeigneter Test darüber entscheiden dürfen, ob ein Schüler einer Deutschförderklasse zugeordnet werden soll. Außerdem brauche es für diese von der Coronavirus-Situation besonders belastete Gruppe neben Sprachförderung auch mehr Unterstützung durch Schulpsychologen und -sozialarbeiter. Denn Kinder in Deutschförderklassen seien schon vor der Pandemie belasteter gewesen.

Evaluierung der Klassen lässt auf sich warten

Deren Sinnhaftigkeit der Extraklassen stellt Schweiger generell infrage: Er will „endlich“ eine Evaluierung, wie sich die separaten Deutschförderklassen sprachlich, fachlich und sozial auswirken. Eine solche sei zwar in Arbeit, der Zeitplan aber weiterhin offen. Aus Sicht des Experten braucht es auf jeden Fall mehr Flexibilität für die Schulen bei der Umsetzung und mehr Möglichkeiten, die außerordentlichen Schüler im Rahmen des Unterrichts in der Regelklasse gut zu fördern, sowie kleinere Gruppen und einen starken Ausbau der Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte im Bereich sprachliche Bildung und Sprachförderung.

Außerdem müsse es auch dann noch Deutschförderung – und generell am besten eine Förderung des gesamten sprachlichen Repertoires – geben, wenn die Schüler nach spätestens zwei Jahren ihren Status als außerordentliche Schüler verlieren und in allen Fächern regulär benotet werden.