„Mit unserer Teaser-Kampagne haben wir bewusst Vorurteile thematisiert, die ungerecht, diskriminierend sind und wütend machen. Durch diese Irritation lenken wir bewusst auf die aktuelle Arbeitsplatzsituation von Menschen mit Behinderungen“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber wien.ORF.at. Menschen mit Behinderungen, Personen über 50 Jahre und Jugendliche seien am meisten von Arbeitslosigkeit betroffen, und tagtäglich mit Vorurteilen konfrontiert.
Für den Lebensmittelhändler Billa als Arbeitgeber hingegen seien Alter, fehlende Matura oder Behinderung kein Hinderungsgrund bei der Aufnahme von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die bewusst geschaffene Irritation werde in einer zweiten Welle aufgelöst, indem ausschließlich echte Mitarbeiter auf Plakaten diese Vorurteile entkräften. So heißt es etwa auf dem Plakat, auf dem es um behinderte Menschen geht: „Mit einer Behinderung wirst Du gebraucht“. Das Unternehmen betonte weiters, dass von mehr als 33.000 Mitarbeitern mehr als 660 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen für den Nahversorger tätig seien. Die Kampagne solle Menschen Mut machen, sich beim Unternehmen zu bewerben.
„Nicht im Sinne einer inklusiven Gesellschaft“
Behindertenvertreter und -vertreterinnen hatten zuvor empört auf die Kampagne reagiert. Sie verlangten, dass die Plakate zeitnah entfernt werden. Unterstützt wurde die Kritik auch von Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne): „Es ist nicht im Sinne einer inklusiven, diversen Gesellschaft, auf diese Art und Weise Aufmerksamkeit zu erregen. Wir brauchen noch viel mehr Sensibilisierungsarbeit in Österreich, damit so etwas nicht passiert." Er stelle sich mit aller Deutlichkeit gegen diese diskriminierende, verletzende und potenziell retraumatisierende Werbung, betonte er via Twitter.
Auf politischer Seite schloss sich auch die FPÖ der Kritik an: "Diese Kampagne einer Supermarktkette provoziert auf Kosten eines Werbeeffektes derzeit auf eine widerliche Art und Weise Menschen mit Behinderung und deren Angehörige“, empörte sich FPÖ-Abgeordneter Norbert Hofer.
„Kalkuliert widerliche Provokation“
Das Beratungszentrum „Bizeps“ sprach zuvor von einer „kalkuliert widerlichen Provokation“. Es gebe Rückmeldungen von erbosten Menschen, hieß es. Bizeps-Vertreter Martin Ladstätter berichtete: „Angeblich sollen diese Werbeplakate noch bis 21. Oktober hängen und dann ‚aufgelöst‘ werden.“ Doch der Schaden, so warnte er, könnte bereits angerichtet worden sein: „Das, was Menschen ohnehin schon denken, wird bestätigt und brennt sich durch täglichen Sichtkontakt weiter ein. Keine Wendung kann so stark sein, um diese Aussagen zu neutralisieren.“

Bizeps hat laut eigenen Angaben unter anderem Beschwerde beim Österreichischen Werberat eingebracht. Man habe auch die Gewista gebeten, die die Kampagne im Auftrag des noch unbekannten Urhebers der Plakate durchführt, für eine raschere Auflösung zu sorgen.
„Es gibt kein unbrauchbares Leben“
Es sei nicht zu rechtfertigen, dass Menschen mit Behinderung diesen verachtenden Satz für rund zwei Wochen lesen müssten, befand auch der Präsident des österreichischen Behindertenrats Michael Svoboda. „Sie werden nämlich damit öffentlich als unbrauchbar dargestellt. Zu oft hören Menschen mit Behinderungen diskriminierende Aussagen wie diese – diese Kampagne retraumatisiert sie.“
Auch die Organisation Lichterkette, eine Betroffenenvertretung von Menschen mit psychosozialer Behinderung, übte am Dienstag in einer Aussendung Kritik. Es gebe kein unbrauchbares Leben, wurde betont: „Die gefühlte Minderwertigkeit dieser wird durch diesen Schriftzug bestätigt. Er traumatisiert.“ Die SPÖ-Bereichssprecherin für Menschen mit Behinderungen im Nationalrat, Verena Nussbaum, forderte am Dienstag eine sofortige Entfernung der Plakate. „Diese Werbung mit behindertenfeindlichen Aussagen ist verletzend und widerlich."
„Verstärkt tief verwurzelte Vorurteile“
„Es ist völlig gleichgültig, wie die Kampagne ,aufgelöst‘ wird, sie verstärkt die noch immer tief verwurzelten Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen. Das ist fatal – weshalb die Kampagne sofort gestoppt werden muss“, so Christine Steger, Vorsitzende des Monitoringausschusses, ein unabhängiges Überwachungsorgan, das die Einhaltung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich überwacht.