Hauptfront des Künstlerhauses (Mittelrisalit) im Dienste der Propaganda für die Volksabstimmung am 10.April 1938.
Österreichische Nationalbibliothek
Foto: Paul Bauer
Kultur

Schau zur NS-Kunstpolitik im MUSA

Rund 3.000 Wiener Kunstschaffende waren im Nationalsozialismus Mitglieder der Reichskammer der bildenden Künste. Einblick in Strukturen, Netzwerke und künstlerische Haltung bietet die Schau „Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien“ des Wien Museums (MUSA).

Es sind Einblicke in eine Zeit, in der die Nationalsozialisten Personen jüdischer Herkunft, politisch Andersdenkenden und der künstlerischen Avantgarde künstlerisches Schaffen verboten. In der Ausstellung wird eine Namensliste der in Wien tätigen Künstler veröffentlicht, die aus rassischen, politischen oder künstlerischen Gründen in die Emigration getrieben, verfolgt oder in Konzentrationslagern ermordet wurden. Der Zugang zur Reichskammer der bildenden Künste blieb ihnen verwehrt, die Mitgliedschaft war aber Voraussetzung für jede künstlerische Berufsausübung.

Reichskammer der bildenden Künste, Mitgliedsbuch von Heinrich Revy, 1938, Wiener Stadt- und Landesarchiv (Sign.: A1: 127049)
Wien Museum/Foto: Paul Bauer
Reichskammer der bildenden Künste, Mitgliedsbuch von Heinrich Revy, 1938

Von rund 3.000 Wiener Künstlerinnen und Künstlern blieben die Mitgliederakten erhalten. Sie wurden vor kurzem erstmals wissenschaftlich aufgearbeitet. Zudem lagern viele Werke von Künstlern aus der NS-Zeit in den Depots der Wiener Museen. Das neue Quellenmaterial ermöglicht Einblicke in die politischen Machtstrukturen, Abläufe, Netzwerke und künstlerische Haltung des NS-Regimes, der Akteure sowie ihrer Kunstwerke. Die Forschungsergebnisse werden in der Ausstellung „Auf Linie. NS-Kunstpolitik in Wien“ in sieben „Sektionen“ präsentiert.

NS-Kunstpolitik im Museum

„Auf Linie“ heißt die Ausstellung im MUSA, die zeigt, wie Arbeiten in der NS-Zeit möglich war.

Die „Gottbegnadeten“

An neun Einzelschicksalen werden die Folgen der Gleichschaltung nachgezeichnet. Die Ausstellung ermöglicht zudem eine Suche in der Datenbank der erstmals öffentlich gemachten Mitgliedsakten der Reichskammer. Das von den Nationalsozialisten gegründete Wiener Kulturamt als wichtiger Auftraggeber und Initiator für die NS-konforme Kunst wird ebenso vorgestellt wie die Elite der NS-Kunst, die „Gottbegnadeten“ – für das Regime unverzichtbare Kulturschaffende aller Sparten, die im „Künstlerkriegseinsatz“ waren.

Ausstellungshinweis

AUF LINIE. NS-Kunstpolitik in Wien, 14. Oktober 2021 bis 24. April 2022, Wien Museum MUSA, 1010 Wien, Felderstraße 6–8, Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10.00 bis 18.00 Uhr, 24. und 31.12.2021 von 10.00 bis 14.00 Uhr. Eintritt für Erwachsene 7 Euro, Besucher unter 19 Jahren haben freien Eintritt.

Adolf Hitler und Joseph Goebbels, Präsident der Reichskulturkammer und Reichsminister, erstellten diese Liste 1944. Sie umfasste 378 Namen, Namen aus Architektur, Literatur, Musik und Schauspiel. Unter den bildenden Künstlern und Architekten befanden sich 18 Österreicher und der in Wien tätige deutsche Bildhauer Fritz Behn.D aneben existierten „Sonderlisten“ mit einer Reihe von Personen, die als „unersetzlich“ eingestuft wurden. Zu den dort gelisteten zwölf bildenden Künstlern und Architekten gehörte der österreichische Bildhauer Josef Thorak, der allerdings fast ausschließlich im Deutschen Reich tätig war.

Die Entwicklung nach 1945

Ein Blick auf die Situation nach 1945 lässt künstlerische und personelle Kontinuitäten kritisch hinterfragen. Der Zerfall des NS-Regimes hatte die Liquidierung der Reichskammer der bildenden Künste zur Folge. Die Künstler wurden in die neu gegründete Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs überführt, für die sie sich – wie zuvor für die Reichskammer – in einem Aufnahmeverfahren als Mitglied bewerben mussten. Diesmal richtete sich die Selektion gegen ehemalige NSDAP-Mitglieder, die sich aufgrund des Verbotsgesetzes (1945) gegenüber den Entnazifizierungsbehörden zu verantworten hatten.

Igo Pötsch, Fahrt des Führers zur Proklamation am 15. März 1938, 1940
Foto: Paul Bauer
Igo Pötsch, Fahrt des Führers zur Proklamation am 15. März 1938, 1940

Die Entscheidung für oder gegen ein Berufsverbot lag bei einer vom Bundesministerium für Unterricht eingesetzten Kommission. Mit der Lockerung der Entnazifizierungs-vorschriften kamen nach 1947 immer mehr Künstlerinnen und Künstler in den Kunstbetrieb zurück. Im Gegensatz zur zentralistischen NS-Kunstpolitik erstarkte wieder ein demokratisches Kunstleben. Die Wieder- und Neugründung von Vereinen und Verbänden führte zu einer neuen Diversität in der Wiener Kultur. Zurück blieben jedoch die unwiederbringlichen Leerstellen jener, die vom faschistischen NS-Regime vertrieben oder ermordet worden waren.